19. September 2008

Der 44. Präsident der USA (21): Hat John McCain Alzheimer? Über den schmutzigen Wahlkampf in der US-Linken

Zu den großen politischen Blogs in den USA gehört die linksaußen positionierte Huffington Post. Im gedruckten "Spiegel" dieser Woche (38/2008, S. 116) geht Klaus Brinkbäumer in seinem Bericht über US- Blogger ausführlich auf diesen Blog ein.

Dort erschien gestern ein Artikel von David Goldstein jr. über John McCain. Überschrift: "John McCain's Señor Moment". Das ist ein Wortspiel: "To have a senior moment" heißt im Englischen "Alzheimer haben". Zu "señor" hat Goldstein das "senior" verballhornt, weil es um ein Interview ging, das McCain einem auf Spanisch sendenden Radio in Florida gegeben hatte, Radio Caracol Miami. Über dieses Interview schreibt Goldstein:
... it sure does sound like the 72-year-old McCain was suffering from a transitory senior moment. (...) ... listen to his halting words, the obvious fatigue in his voice and the confusion in his answers. He wasn't simply being evasive or vague, he was disoriented, and while this may have only been a transient episode it should be alarming nonetheless. (...) McCain may very well have no underlying condition apart from the normal effects of aging--he may even be sharp for his age--but experience tells us that the mind ages just like the body.

... das klingt mit Sicherheit so, als hätte der 72jährige McCain unter einer vorübergehenden Altersverwirrtheit gelitten. (...) ... hören Sie sich seine stockenden Worte an, die offensichtliche Müdigkeit in seiner Stimme und die Konfusion in seinen Antworten. Er war nicht einfach ausweichend oder vage, er war desorientiert. Mag sein, daß das nur eine vorübergehender Vorfall war, aber er sollte dennoch alarmierend sein. (...) Es mag ja sein, daß bei McCain keine Krankheit dahintersteckt, außer den normalen Auswirkungen des Alterns - er mag für sein Alter ja sogar gut drauf sein - , aber die Erfahrung sagt uns, daß der Geist ebenso altert wie der Körper.



Offenbar - so muß man denken, wenn man das liest - hat McCain in diesem Interview Unsinn geredet, war er geistesabwesend. Schauen wir uns das einmal an.

Das Interview kreiste um Lateinamerika. McCain äußerte sich zu Venezuela, zu Cuba, zu Bolivien. Und dann kam die Interviewerin unversehens auf Spanien zu sprechen:
Q: Senator, finally, let's talk about Spain. If you are elected president, would you be willing to invite President Jose Luis Rodriguez Zapatero to the White House to meet with you?

McCain: I would be willing to meet with those leaders who are friends and want to work with us in a cooperative fashion. And by the way, President Calderon of Mexico is fighting a very, very tough fight against the drug cartels. I am glad we are now working in cooperation with the Mexican government on the Merida plan. And I intend to move forward with relations and invite as many of them as I can, of those leaders to the White House.

Q: Would that invitation be extended to the Zapatero government, to the president himself?

McCain: I don't, I, you know, honestly, I have to look at relations, and the situations, and the priorities but I can assure you I will establish closer relations with our friends, and I will stand up to those who want to do harm to the United States of America. I know how to do both.

Q: So you have to wait and see if he is willing to meet with you, will you be able to do it in the White House?

McCain: Well, again, I don't. All I can tell you is that I have a clear record of working with leaders in the hemisphere that are friends with us and standing up to those who are not. And that's judged on the basis of the importance of our relationship with Latin America and the entire region.

Q: Okay, what about you? I'm talking about the President of Spain.

McCain: What about me what?

Q: Okay, are you willing to meet with him if you are elected president?

McCain: I am willing to meet with any leader who is dedicated to the same principles and philosophy that we are for human rights, democracy, and freedom. And I will stand up to those that do not.
Ich übersetze diese Passage jetzt nicht; denn das lohnt sich nicht. Ich habe sie nur dokumentiert, damit Sie, lieber Leser, sich ein Bild machen können:

Die Interviewerin fragt McCain mehrfach danach, ob er bereit sei, sich mit dem "spanischen Präsidenten" Zapatero zu treffen, und dieser reagiert klüger, als es seinerzeit Obama getan hatte, der auf eine analoge Frage vollmundig erklärt hatte, er würde sich als Präsident ohne Vorbedingungen mit Castro, Chávez und Ahmadinedschad treffen.

McCain tat das nicht. Er antwortete ausweichend, wie man es vernünftigerweise tut, wenn man sich nicht festlegen will. Vielleicht hatte er auch anfangs nicht verstanden, was die Interviewerin überhaupt gewollt hatte. Das Interview wurde telefonisch geführt, und die Interviewerin sprach nicht eben ein akzentfreies Englisch. Zuvor war es ausschließlich um die USA und Lateinamerika gegangen.

Wie auch immer - wenn jemand aus dieser Gesprächspassage ableitet, daß McCain Anzeichen von Altersverwirrtheit gezeigt hätte und desorientiert gewesen sein, dann ist das nicht nur dreist, sondern es zeigt, daß dieser David Goldstein jr. (und er ist bei weitem nicht der einzige; die Blogs sind seit gestern voll von derlei) elementarsten menschlichen Anstand vermissen läßt.



Und wie kam es nun dazu, daß die Interviewerin, Yoly Cuello, mitten in einem Gespräch über die USA und Lateinamerika auf einmal das Thema wechselte und eine Frage zu Spanien stellte? In der Washington Post haben Glenn Kessler und Ed O'Keefe das aufgeklärt:

Radio Caracol, mit dem das Interview geführt wurde, gehört zur Gruppe Union Radio, die im Besitz der spanischen Groupo Prisa ist. Und von der spanischen Zentrale war, so erklärte es der Nachrichtenchef von Radio Caracol, Madelin Prendes, gegenüber der Washington Post, eine entsprechende Anweisung für das Interview gekommen: "'The reason we asked the question about Spain is that we're owned by this big company in Spain. They wanted us to ask that question in the interview'".

Und die Interviewerin, Yoly Cuello, sagte gegenüber der Washington Post:
"I think he was just trying not to answer the question, I think he understood" who Zaptero is and where he's from. (...) Cuello said she cannot believe the attention her interview has earned, noting that she's heard almost nothing about it from her listeners in Miami. "People here are worried about lots of things, the economy, immigration. Not about Spain."

"Ich glaube, daß er einfach versuchte, meine Frage nicht zu beantworten, ich glaube, er verstand" wer Zapatero ist und wo er herkommt. (...) Cuello sagte, sie könne die Aufmerksamkeit nicht glauben, die ihrem Interview zuteil wurde, und bemerkte, daß sie von den Hörern in Miami kaum etwas dazu gehört hätte. "Die Menschen hier machen sich über vieles Sorgen, die Wirtschaft, Immigration. Nicht über Spanien."
Das war also wohl nichts mit John McCains Alzheimer- Erkrankung. Aber gemach, der nächste Schmutzkübel dürfte in der US-Linken schon gefüllt werden.



Mit Dank an Dagny. Für Kommentare zu diesem Artikel gibt es einen Thread in "Zettels kleinem Zimmer". Dort findet man auch eventuelle Aktualisierungen und Ergänzungen.