10. März 2008

Jetzt hilft in Hessen nur noch ein Reset. Jetzt helfen nur noch Neuwahlen

Wenn die Regierungsbildung nach Wahlen schwierig ist, so wie jetzt in Hessen, dann gibt es typischerweise zwei Reaktionen: Erstens wird nach Neuwahlen gerufen. Zweitens melden sich alsbald diejenigen zu Wort, die sagen, man dürfe nicht gleich (nicht jedesmal, nicht leichtfertig usw.) nach Neuwahlen rufen.

Diesen Letzteren gebe ich meistens Recht, und zwar aus zwei Gründen:

Erstens hat ein Parlament die Entscheidung des Souveräns hinzunehmen. Es kann nicht dann, wenn es mit dieser unzufrieden ist, solange wählen lassen, bis ein genehmes Wahlergebnis geliefert wird.

Zweitens: Selbst wenn man von diesem grundsätzlichen Einwand nichts hält, wird man im allgemeinen davon ausgehen müssen, daß Neuwahlen nicht zu einem praktikableren Ergebnis führen als die Wahlen, mit deren Ausgang man nicht zufrieden ist. Warum sollten die Wähler das, was sie im ersten Anlauf nicht liefern wollten, im zweiten Wahlgang auf einmal nachliefern, nämlich klare Mehrheitsverhältnisse?

Soweit meine Meinung im Regelfall. So, wie die Dinge sich jetzt in Hessen entwickelt haben, halte ich dort aber Neuwahlen nicht nur für die "sauberste Lösung", wie man gern sagt, sondern für den überhaupt einzigen Ausweg.



Die Situation in Hessen, dieses ganze erbärmliche Getrickse, dieses Rin in die Kartoffeln, Raus aus die Kartoffeln, diese Hilflosigkeit der SPD im Bund wie im Land selbst - das ist allein die Folge einer Politik der Lüge; eines Machiavellismus, wie ihn sich der kleine Max vorstellt.

Frau Ypsilanti glaubte ihre Wähler ungestraft aufs Kreuz legen zu können.

Sie glaubte nach dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus verfahren zu können, wie er bei ihren vorgesehenen Partnern seit Lenin üblich ist: Frau Ypsilanti entscheidet, und die Fraktion stimmt zu. Die Fraktion hat damit entschieden, und die Partei stimmt zu. Hat die Partei erst einmal zugestimmt, dann wird das Volk schon einverstanden sein. Was bleibt ihm übrig.

Es schien so einfach zu sein. Nun hat es sich aber, mit Brecht gesprochen, als das Einfache herausgestellt, das schwer zu machen ist.

Die Partei SPD ist, so hat es die mutige Dagmar Metzger bewiesen, nicht, jedenfalls noch nicht reif für den Demokratischen Zentralismus. Möglicherweise sind ja auch die Hessen noch nicht reif dafür, von der Volksfront regiert zu werden.

Das weiß man alles nicht. Also muß man sie fragen - die SPD, das Wahlvolk in Hessen.



Wenn bei einem PC nichts mehr läuft, dann versucht man es mit einem Reset. Man startet neu. Genau das ist jetzt in Hessen erforderlich. Oder sagen wir: Es wäre jetzt eigentlich erforderlich. Der Einfachheit und der Lesbarkeit wegen verzichte ich im folgenden auf den Konditionalis, der realistisch wäre.

Statt daß Frau Ypsilanti die Entscheidungen für die SPD trifft und diese die Entscheidungen, die dem Wähler zugestanden hätten, muß wieder in der Reihenfolge entschieden werden, die in einem demokratischen Rechtsstaat vorgesehen ist:

Erstens muß die hessische SPD auf ihrem für den 29. März vorgesehenen Sonderparteitag den Wählern bindend sagen, ob und ggf. in welcher Form sie mit den Kommunisten zusammenarbeiten will, oder ob sie das nicht tun wird.

Will sie es nicht, dann muß sie das konsequent nicht wollen, also auch eine Duldung durch die Kommunisten ausschließen. Denn eine Duldung bedeutet eine faktische Zusammenarbeit; sie bedeutet die Mitbeteiligung der Kommunisten am Regieren, wenn auch nicht ihre personelle Vertretung in der Regierung. Gregor Gysi hat das ja - etwas voreilig und unbedacht - klargemacht ("Wir wählen ja nicht blind irgendwelche Namen, die sie uns vorgibt".)

Nach Lage der Dinge wird die SPD sich für eine Zusammenarbeit mit "Die Linke" entscheiden. Tut sie es, dann werden sich bei den anschließenden Neuwahlen - das Verfahren dafür ist in Paragraph 114 der Hessischen Verfassung geregelt; es genügt, daß der geschäftsführenden Regierung Koch das Vertrauen verweigert wird - zwei Lager gegenüberstehen. Entweder haben die Hessen danach eine Volksfront- Regierung, oder sie haben eine liberalkonservative Regierung.

Sollte sich die SPD wider Erwarten gegen eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten aussprechen, dann wird man das dem Sonderparteitag wohl abnehmen können. Die Wähler ein zweites Mal zu belügen wird sich selbst die SPD nicht leisten können; bei Strafe ihrer Reduktion auf den Status einer marginalen Partei.

In diesem - unwahrscheinlichen - Fall würde es nach den Neuwahlen alle Koalitionsmöglichkeiten geben; natürlich unter Ausschluß der Kommunisten. Denn auch die Grünen und die FDP werden, nach den jetzigen Erfahrungen, für diese Neuwahlen weder die Ampel ausschließen noch eine Jamaika- Koalition.



So wäre es, soweit ich sehe, vernünftig. So könnte man aus dieser Krise, die nicht mehr nur die eines Bundeslandes ist, die nicht mehr nur die einer Partei ist, herauskommen.

Daß es so geschehen wird, halte ich für eher unwahrscheinlich.

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