Die Demoskopie ist keine exakte Wissenschaft. Was die einzelnen Institute angeben, weicht voneinander ab. Es wimmelt nur so von Fehlerquellen: Leute, die kein Telefon haben oder nicht rangehen. Leute, die das Interview verweigern oder falsche Angaben machen. Ein großer Prozentsatz von Unentschlossenen.
Und dann "verzerren" sie auch noch die Daten, diese Demoskopen: Sie publizieren nicht das, was sie wirklich erhoben haben, sondern rechnen die Prozentwerte mal hoch, mal runter.
Alles nicht falsch, wenn auch vielleicht nicht ganz richtig formuliert. Und nun schauen Sie sich bitte einmal diese Daten und dieses Zitat an:
Die Daten:
Beim augenblicklichen Stand der Auszählungen für die gestrigen Wahlen in Frankreich (98 Prozent der Stimmen ausgezählt) liegt Sarkozy bei 31,11 Prozent. Royal hat 25,84 Prozent und Bayrou 18,55 Prozent. Le Pen liegt bei 10,51 Prozent.
Das Zitat:
Am 6. April habe ich hier geschrieben:
Daß die Übereinstimmung so perfekt auszufallen scheint, ist natürlich Zufall. Aber daß die Umfragen ungefähr das Wahlergebnis treffen, ist eine Erfahrung, die jeder macht, der sich mit dem Thema befaßt.
Bei den letzten Präsidentschaftswahlen in den USA zum Beispiel war es nicht anders. Da haben die aggregierten (über die einzelnen Institute zusammengefaßten) letzten Umfrageergebnisse mit einer Abweichung von weniger als einem Prozent das Wahlergebnis vorhergesagt.
Wie funktioniert das? Und warum vermittelt die Berichterstattung der meisten Medien ein ganz anderes Bild?
Umfragen sind Messungen. Und wie jede einzelne Messung in der Physik oder in der Physiologie ist auch hier jede einzelne solche Messung fehlerbehaftet. Es gibt einen Stichprobenfehler, den man mit dem Mitteln der mathematischen Statistik berechnen kann. Es gibt aber auch systematische Fehler; zum Beispiel dadurch, daß bestimmte (etwa rechtsextreme) Wähler die Auskunft häufiger verweigern als andere.
So ist das auch, wenn, sagen wir, ein Astronom die Helligkeit eines Sterns mißt. Jede Messung wird einen etwas anderen Wert liefern, weil die Absorption durch die Atmosphäre je nach momentanen Wetterbedingungen mal etwas stärker und mal etwas schwächer ist, weil mal das Spektrometer ein bißchen anders ausgerichtet ist als bei einem anderen Mal; und so fort.
Das sind zufällige Fehler. Systematische entstehen zum Beispiel dadurch, daß das eine Observatorium sich in einer anderen Höhe befindet als ein anderes; daß jedes Meßinstrument ein wenig anders geeicht ist.
Würde ein Astronom jede dieser einzelnen Messungen veröffentlichen, dann hätte man den Eindruck, daß die Helligkeit des Sterns ständig schwankt. Aber das tut sie (bei den meisten Sternen, es gibt auch Veränderliche) nicht.
Und kein Astronom käme auch auf den Gedanken, jede einzelne Messung zu publizieren. Sondern man mißt erstens immer wieder unter denselben Bedingungen, so daß sich zufällige Fehler gegenseitig aufheben. Und man korrigiert die Messungen, indem man systematische Fehler herausrechnet.
Wenn dann auch noch verschiedene Publikationen aus unterschiedlichen Arbeitsgruppen dasselbe Ergebnis liefern, dann kann man ihm trauen.
Exakt so ist es auch in der Demoskopie. Die einzelnen Umfragen sind durch zufällige Fehler belastet. Die einzelnen Institute haben jeweils ihre eigenen Methoden, systematische Fehler herauszurechnen.
Also ensteht, wenn man die jeweils neueste "Wasserstandsmeldung" isoliert betrachtet, der Eindruck eines großen Durcheinanders. Und Journalisten wie die von "Spiegel Online", die offenbar von Wissenschaft nichts verstehen, melden dann - wie gestern geschehen - aufgrund einer einzigen Umfrage eines einzelnen Instituts einen "Trend" zugunsten von Ségolène Royal.
Wenn man aber - wie ich es gemacht habe, bevor ich den zitierten Beitrag geschrieben habe - die Umfragen aller Institute über einen längeren Zeitraum hinweg analysiert und wenn man auch überlegt, welchen Instituten mehr und welchen weniger zu vertrauen ist, dann kann man zu sehr vernünftigen Prognosen kommen.
Ich habe damals die Daten aller sechs Institute berücksichtigt, aber die von IPSOS besonders stark gewichtet. Und zwar deshalb, weil IPSOS als einziges Institut täglich eine neue Umfrage gemacht und dann jeweils über einige Tage ein gleitendes Mittel gebildet hat; eine sehr gute Methode.
Kann man jetzt also auch schon vorhersagen, daß Sarkozy in vierzehn Tagen die Stichwahl gewinnen wird, wie es alle Umfragen seit Wochen prognostizieren?
Nein. Es ist zwar wahrscheinlich, daß er gewinnt. Aber diese vierzehn Tage zwischen den beiden tours haben ihre eigenen Gesetze.
Erstens treffen jetzt die beiden Kandidaten direkt aufeinander; in einer oder mehreren Diskussionen. Solche Konfrontationen können alles ändern, wie das von Politologen vielfach analysierte Beispiel der Debatte zwischen Kennedy und Nixon 1960 zeigt.
Und zweitens wird viel davon abhängen, wie die jetzt ausgeschiedenen Kandidaten sich verhalten. Alle Linken haben bereits ihre Wähler aufgefordert, Royal zu wählen. Le Pen aber hat sich bisher nicht geäußert, und Bayrou hat es nicht.
Vor allem auf Bayrou wird es wesentlich ankommen. Seine Empfehlung an seine Wähler kann leicht entscheiden, wer nächster Präsident wird.
Ich könnte mir allerdings denken, daß er eine solche Empfehlung vermeidet; denn seine zentrale message ist ja, daß er weder ein Linker noch ein Rechter ist. Wahrscheinlich werden eher einzelne Prominente seiner Partei, der UDF, ihre jeweils individuelle Empfehlung abgeben. Und die dürfte bei den meisten zugunsten von Sarkozy ausfallen. Einige haben das heute Abend schon angedeutet.
Auch die direkte Konfrontation dürfte Royal wahrscheinlich keine Punkte einbringen. Sie hat bisher in Diskussionen selten eine gute Figur gemacht.
Und Sarkozy wird wohl nicht den Fehler machen, seine intellektuelle Überlegenheit allzu deutlich zu zeigen und damit einen Mitleid- Effekt auszulösen.
Und dann "verzerren" sie auch noch die Daten, diese Demoskopen: Sie publizieren nicht das, was sie wirklich erhoben haben, sondern rechnen die Prozentwerte mal hoch, mal runter.
Alles nicht falsch, wenn auch vielleicht nicht ganz richtig formuliert. Und nun schauen Sie sich bitte einmal diese Daten und dieses Zitat an:
Die Daten:
Beim augenblicklichen Stand der Auszählungen für die gestrigen Wahlen in Frankreich (98 Prozent der Stimmen ausgezählt) liegt Sarkozy bei 31,11 Prozent. Royal hat 25,84 Prozent und Bayrou 18,55 Prozent. Le Pen liegt bei 10,51 Prozent.
Das Zitat:
Am 6. April habe ich hier geschrieben:
Jetzt scheint es mir, nachdem ich die Umfragen täglich verfolgt habe, nicht mehr allzu riskant, eine Prognose zu wagen:
Wenn nicht noch etwas ganz Überraschendes passiert, dann wird Sarkozy im ersten Wahlgang ungefähr 30 Prozent bekommen. Ségolène Royal wird mit ungefähr 25 Prozent zweite werden. François Bayrou wird achtbare 18 Prozent erhalten, ungefähr. An ihrer Rangfolge jedenfalls hat sich seit Wochen nichts geändert; und die Abstände sind inzwischen ausgeprägter als Mitte März, als Bayrou an Royal herangerückt gewesen war.
Am Unsichersten ist das Abschneiden des Vierten im Bunde, Le Pen. Er liegt im Augenblick ziemlich stabil bei ungefähr 13 Prozent. Aber das sind natürlich, wie die anderen auch, gewichtete Daten. Die Rohwerte für ihn liegen sehr viel niedriger. Nur bekennen sich viele Anhänger der Rechtsextremen nicht zu ihrer Präferenz oder verweigern überhaupt ein Interview; also korrigiert man die Rohdaten im Licht der Erfahrung. Das kann gut gehen oder auch nicht.
Daß die Übereinstimmung so perfekt auszufallen scheint, ist natürlich Zufall. Aber daß die Umfragen ungefähr das Wahlergebnis treffen, ist eine Erfahrung, die jeder macht, der sich mit dem Thema befaßt.
Bei den letzten Präsidentschaftswahlen in den USA zum Beispiel war es nicht anders. Da haben die aggregierten (über die einzelnen Institute zusammengefaßten) letzten Umfrageergebnisse mit einer Abweichung von weniger als einem Prozent das Wahlergebnis vorhergesagt.
Wie funktioniert das? Und warum vermittelt die Berichterstattung der meisten Medien ein ganz anderes Bild?
Umfragen sind Messungen. Und wie jede einzelne Messung in der Physik oder in der Physiologie ist auch hier jede einzelne solche Messung fehlerbehaftet. Es gibt einen Stichprobenfehler, den man mit dem Mitteln der mathematischen Statistik berechnen kann. Es gibt aber auch systematische Fehler; zum Beispiel dadurch, daß bestimmte (etwa rechtsextreme) Wähler die Auskunft häufiger verweigern als andere.
So ist das auch, wenn, sagen wir, ein Astronom die Helligkeit eines Sterns mißt. Jede Messung wird einen etwas anderen Wert liefern, weil die Absorption durch die Atmosphäre je nach momentanen Wetterbedingungen mal etwas stärker und mal etwas schwächer ist, weil mal das Spektrometer ein bißchen anders ausgerichtet ist als bei einem anderen Mal; und so fort.
Das sind zufällige Fehler. Systematische entstehen zum Beispiel dadurch, daß das eine Observatorium sich in einer anderen Höhe befindet als ein anderes; daß jedes Meßinstrument ein wenig anders geeicht ist.
Würde ein Astronom jede dieser einzelnen Messungen veröffentlichen, dann hätte man den Eindruck, daß die Helligkeit des Sterns ständig schwankt. Aber das tut sie (bei den meisten Sternen, es gibt auch Veränderliche) nicht.
Und kein Astronom käme auch auf den Gedanken, jede einzelne Messung zu publizieren. Sondern man mißt erstens immer wieder unter denselben Bedingungen, so daß sich zufällige Fehler gegenseitig aufheben. Und man korrigiert die Messungen, indem man systematische Fehler herausrechnet.
Wenn dann auch noch verschiedene Publikationen aus unterschiedlichen Arbeitsgruppen dasselbe Ergebnis liefern, dann kann man ihm trauen.
Exakt so ist es auch in der Demoskopie. Die einzelnen Umfragen sind durch zufällige Fehler belastet. Die einzelnen Institute haben jeweils ihre eigenen Methoden, systematische Fehler herauszurechnen.
Also ensteht, wenn man die jeweils neueste "Wasserstandsmeldung" isoliert betrachtet, der Eindruck eines großen Durcheinanders. Und Journalisten wie die von "Spiegel Online", die offenbar von Wissenschaft nichts verstehen, melden dann - wie gestern geschehen - aufgrund einer einzigen Umfrage eines einzelnen Instituts einen "Trend" zugunsten von Ségolène Royal.
Wenn man aber - wie ich es gemacht habe, bevor ich den zitierten Beitrag geschrieben habe - die Umfragen aller Institute über einen längeren Zeitraum hinweg analysiert und wenn man auch überlegt, welchen Instituten mehr und welchen weniger zu vertrauen ist, dann kann man zu sehr vernünftigen Prognosen kommen.
Ich habe damals die Daten aller sechs Institute berücksichtigt, aber die von IPSOS besonders stark gewichtet. Und zwar deshalb, weil IPSOS als einziges Institut täglich eine neue Umfrage gemacht und dann jeweils über einige Tage ein gleitendes Mittel gebildet hat; eine sehr gute Methode.
Kann man jetzt also auch schon vorhersagen, daß Sarkozy in vierzehn Tagen die Stichwahl gewinnen wird, wie es alle Umfragen seit Wochen prognostizieren?
Nein. Es ist zwar wahrscheinlich, daß er gewinnt. Aber diese vierzehn Tage zwischen den beiden tours haben ihre eigenen Gesetze.
Erstens treffen jetzt die beiden Kandidaten direkt aufeinander; in einer oder mehreren Diskussionen. Solche Konfrontationen können alles ändern, wie das von Politologen vielfach analysierte Beispiel der Debatte zwischen Kennedy und Nixon 1960 zeigt.
Und zweitens wird viel davon abhängen, wie die jetzt ausgeschiedenen Kandidaten sich verhalten. Alle Linken haben bereits ihre Wähler aufgefordert, Royal zu wählen. Le Pen aber hat sich bisher nicht geäußert, und Bayrou hat es nicht.
Vor allem auf Bayrou wird es wesentlich ankommen. Seine Empfehlung an seine Wähler kann leicht entscheiden, wer nächster Präsident wird.
Ich könnte mir allerdings denken, daß er eine solche Empfehlung vermeidet; denn seine zentrale message ist ja, daß er weder ein Linker noch ein Rechter ist. Wahrscheinlich werden eher einzelne Prominente seiner Partei, der UDF, ihre jeweils individuelle Empfehlung abgeben. Und die dürfte bei den meisten zugunsten von Sarkozy ausfallen. Einige haben das heute Abend schon angedeutet.
Auch die direkte Konfrontation dürfte Royal wahrscheinlich keine Punkte einbringen. Sie hat bisher in Diskussionen selten eine gute Figur gemacht.
Und Sarkozy wird wohl nicht den Fehler machen, seine intellektuelle Überlegenheit allzu deutlich zu zeigen und damit einen Mitleid- Effekt auszulösen.