Natürlich gab es viele Gründe dafür, daß die alte Bundesrepublik - unser Land also bis zur Wiedervereinigung - der erfolgreichste Staat Europas war. Nur von einem dieser Gründe ist hier die Rede; und zwar anläßlich der momentanen Situation in Frankreich.
Als Deutschland rotgrün und Frankreich rechts regiert war, also zwischen dem Ende der neunziger und der ersten Hälfte der zweitausender Jahre, da gab es etwas ganz Untypisches: Deutschland rutschte in Europa ans Ende der Erfolgsskala ab, und Frankreich lag - quelle surprise! - vor uns.
Heute ist klar, daß das nur an der Unfähigkeit, an der Rückwärtsgewandtheit der Rotgrünen gelegen hatte und daran, daß Frankreich zugleich das Glück hatte, nicht links regiert zu werden.
Jetzt richten sich die Verhältnisse sozusagen wieder. Erneut schaut - wie seit Jahrzehnten, mit Ausnahme eben jenes Zwischenspiels - Frankreich auf Deutschland, und man fragt sich dort, warum man nicht so erfolgreich ist wie wir, die voisins d'Outre-Rhin, die Nachbarn jenseits des Rheins.
Ja, warum? Ich möchte dazu eine These zur Diskussion stellen: Der Erfolg der Bundesrepublik Deutschland basiert - nicht ausschließlich, aber doch ganz wesentlich - darauf, daß bei uns wie in keinem anderen Land Euopas jede Variante des Extremismus diskreditiert war und ist. Und das verdanken wir unserer leidensreichen Geschichte.
Der Rechtsextremismus war nach 1945 in Deutschland derart diskreditiert, daß er nach dem Untergang des rechtsextremen Verbrecher- Regimes keine politische Rolle mehr spielen konnte; sie nach Menschenermessen in Deutschland nie mehr spielen wird. (Weswegen, nebenbei gesagt, der "Kampf gegen Rechts" etwas Gespenstisches hat; Schattenboxen).
Der Linksextremismus war in der Bundesrepublik ebenso diskrediert durch das kommunistische Verbrecher- Regime in der DDR.
Nein, die DDR war bei weitem nicht so verbrecherisch wie das Dritte Reich; eine Gleichsetzung wäre abwegig. Sie war nur so verbrecherisch wie Franco- Spanien oder das Chile Pinochets; eine milde oder, wie Günter Grass es formulierte, "kommode" Form der Verletzung der Menschenrechte, der Behandlung der Menschen als unmündige Untertanen.
Aber die UdSSR war unter Lenin und Stalin sehr wohl so verbrecherisch gewesen wie Hitlers Deutschland; und die DDR war ja nur ihr Ableger, ihr "Satellit", wie man in den fünfziger Jahren sagte.
Also spielte in der alten Bundesrepublik der Rechtsextremismus keine Rolle, spielte der Linksextremismus keine Rolle.
Vestigia terrent. Wer so hautnah erlebt hat wie wir Deutschen, wozu Extremismus unweigerlich führt (und kein anderes europäisches Volk hat diese doppelte Erfahrung innerhalb derselben Generationen gemacht), der ist immun gegen extremistische Versuchungen.
Folglich gab es in der alten Bundesrepublik das, was man die "Gemeinsamkeit der Demokraten" nannte. Man hatte ja gemeinsam in der Haft der Gestapo gesessen, ob man nun ein linker oder ein rechter Widerstandskämpfer gewesen war. Man hatte gemeinsam das Exil in den USA gesucht, ob man nun links oder rechts gewesen war.
Der Rechte Adenauer war ein erbitterter Feind der Nazis; so wie der Linke Schumacher ein erbitterter Feind der Kommunisten war.
Anders gesagt: Das politische System war sozusagen abgedichtet gegen die Feinde der Demokratie. Alle Demokraten standen einander in ihren Überzeugungen ungleich näher als die linken Demokraten den linken Feinden der Demokratie, als die rechten Demokraten den rechten Feinden der Demokratie.
Das war einmalig in einem demokratischen Europa, in dem es fast durchweg die Spaltung zwischen Links und Rechts gab, und nicht die zwischen Demokraten und Feinden der Demokratie.
Das machte dieses System der alten Bundesrepublik Deutschland so stabil und damit so erfolgreich: Die Konsens- Demokratie.
Nichts erregte in den Bundestagsdebatten der sechziger, der siebziger Jahre so sehr Abscheu, als wenn die demokratischen Linken den demokratischen Rechten absprachen, konsequente Gegner des Extremismus zu sein; oder umgekehrt.
Da hagelte es Ordnungsrufe im Parlament, gegen Wehner auf der einen und den Baron von und zu Guttenberg auf der anderen Seite. Denn der Konsens der Demokraten war der höchste Wert. Jemanden zu verdächtigen, mit den Kommunisten oder den Nazis zu paktieren, war das Ehrenrührigste, was man dem politischen Gegner überhaupt vorwerfen konnte.
In Frankreich war und ist das radikal anders. Die wichtigste Front verläuft dort nicht zwischen Demokraten und Feinden der Demokratie, sondern zwischen Linken und Rechten.
Schon am vergangenen Wahlabend haben die kommunistischen Kandidaten und Kandidatinnen erklärt, ihre Wähler sollten im zweiten Wahlgang Ségolène Royal wählen. Und diese hat nicht etwa gesagt, daß sie von Feinden des demokratischen Rechtsstaats keine Stimmen bekommen will.
Sondern im Gegenteil - Revolutionäre wie Buffet, Besancenot und Laguiller, die erklärtermaßen das parlamentarische System vernichten und die Diktatur des Proletariats errichten wollen, sind jetzt willkommene Unterstützer der demokratischen Sozialistin Royal. So, wie auch Sarkozy die Stimmen der Rechtsextremisten nicht verschmähen wird.
Und das hat logischerweise seinen Preis. Solange die Extremisten in Frankreich nicht Parias sind, sondern Bundesgenossen der jeweiligen Seite, bestimmen sie die Politik mit.
Und solange Extremisten mitbestimmen, kann es keine durchgreifende Modernisierung, keine ernsthaften neoliberalen Reformen geben; kann Frankreich also nicht zu Deutschland aufschließen.
Also wird es mit Frankreich weiter abwärts gehen. Egal, ob nun Sarkozy mit den Stimmen der Anhänger Le Pens gewinnt oder Royal mit den Stimmen der Vierten Internationale.
Freilich können Abhänge unterschiedlich steil sein.
Ein Frankreich unter einer Präsidentin Royal hätte den Niedergang vor sich, den Deutschland unter Schröder erlebt hat.
Sarkozy würde es sicherlich besser machen; aber die Rechtextremisten, denen er seine Wahlsieg verdanken würde, würden ihm Fesseln anlegen wie die Liliputaner dem Gulliver - tied to pegs.
Ein Präsident, der seine Mehrheit den Feinden Europas, der Globalisierung, der Modernisierung verdankt, kann keine europafreundliche, keine die Globalisierung akzeptierende, keine moderne Politik machen.
Das hätte nur Bayrou gekonnt, der von linken und rechten Demokraten, gegen die linken und rechten Extremisten, gewählt worden wäre.
Vorbei.
Als Deutschland rotgrün und Frankreich rechts regiert war, also zwischen dem Ende der neunziger und der ersten Hälfte der zweitausender Jahre, da gab es etwas ganz Untypisches: Deutschland rutschte in Europa ans Ende der Erfolgsskala ab, und Frankreich lag - quelle surprise! - vor uns.
Heute ist klar, daß das nur an der Unfähigkeit, an der Rückwärtsgewandtheit der Rotgrünen gelegen hatte und daran, daß Frankreich zugleich das Glück hatte, nicht links regiert zu werden.
Jetzt richten sich die Verhältnisse sozusagen wieder. Erneut schaut - wie seit Jahrzehnten, mit Ausnahme eben jenes Zwischenspiels - Frankreich auf Deutschland, und man fragt sich dort, warum man nicht so erfolgreich ist wie wir, die voisins d'Outre-Rhin, die Nachbarn jenseits des Rheins.
Ja, warum? Ich möchte dazu eine These zur Diskussion stellen: Der Erfolg der Bundesrepublik Deutschland basiert - nicht ausschließlich, aber doch ganz wesentlich - darauf, daß bei uns wie in keinem anderen Land Euopas jede Variante des Extremismus diskreditiert war und ist. Und das verdanken wir unserer leidensreichen Geschichte.
Der Rechtsextremismus war nach 1945 in Deutschland derart diskreditiert, daß er nach dem Untergang des rechtsextremen Verbrecher- Regimes keine politische Rolle mehr spielen konnte; sie nach Menschenermessen in Deutschland nie mehr spielen wird. (Weswegen, nebenbei gesagt, der "Kampf gegen Rechts" etwas Gespenstisches hat; Schattenboxen).
Der Linksextremismus war in der Bundesrepublik ebenso diskrediert durch das kommunistische Verbrecher- Regime in der DDR.
Nein, die DDR war bei weitem nicht so verbrecherisch wie das Dritte Reich; eine Gleichsetzung wäre abwegig. Sie war nur so verbrecherisch wie Franco- Spanien oder das Chile Pinochets; eine milde oder, wie Günter Grass es formulierte, "kommode" Form der Verletzung der Menschenrechte, der Behandlung der Menschen als unmündige Untertanen.
Aber die UdSSR war unter Lenin und Stalin sehr wohl so verbrecherisch gewesen wie Hitlers Deutschland; und die DDR war ja nur ihr Ableger, ihr "Satellit", wie man in den fünfziger Jahren sagte.
Also spielte in der alten Bundesrepublik der Rechtsextremismus keine Rolle, spielte der Linksextremismus keine Rolle.
Vestigia terrent. Wer so hautnah erlebt hat wie wir Deutschen, wozu Extremismus unweigerlich führt (und kein anderes europäisches Volk hat diese doppelte Erfahrung innerhalb derselben Generationen gemacht), der ist immun gegen extremistische Versuchungen.
Folglich gab es in der alten Bundesrepublik das, was man die "Gemeinsamkeit der Demokraten" nannte. Man hatte ja gemeinsam in der Haft der Gestapo gesessen, ob man nun ein linker oder ein rechter Widerstandskämpfer gewesen war. Man hatte gemeinsam das Exil in den USA gesucht, ob man nun links oder rechts gewesen war.
Der Rechte Adenauer war ein erbitterter Feind der Nazis; so wie der Linke Schumacher ein erbitterter Feind der Kommunisten war.
Anders gesagt: Das politische System war sozusagen abgedichtet gegen die Feinde der Demokratie. Alle Demokraten standen einander in ihren Überzeugungen ungleich näher als die linken Demokraten den linken Feinden der Demokratie, als die rechten Demokraten den rechten Feinden der Demokratie.
Das war einmalig in einem demokratischen Europa, in dem es fast durchweg die Spaltung zwischen Links und Rechts gab, und nicht die zwischen Demokraten und Feinden der Demokratie.
Das machte dieses System der alten Bundesrepublik Deutschland so stabil und damit so erfolgreich: Die Konsens- Demokratie.
Nichts erregte in den Bundestagsdebatten der sechziger, der siebziger Jahre so sehr Abscheu, als wenn die demokratischen Linken den demokratischen Rechten absprachen, konsequente Gegner des Extremismus zu sein; oder umgekehrt.
Da hagelte es Ordnungsrufe im Parlament, gegen Wehner auf der einen und den Baron von und zu Guttenberg auf der anderen Seite. Denn der Konsens der Demokraten war der höchste Wert. Jemanden zu verdächtigen, mit den Kommunisten oder den Nazis zu paktieren, war das Ehrenrührigste, was man dem politischen Gegner überhaupt vorwerfen konnte.
In Frankreich war und ist das radikal anders. Die wichtigste Front verläuft dort nicht zwischen Demokraten und Feinden der Demokratie, sondern zwischen Linken und Rechten.
Schon am vergangenen Wahlabend haben die kommunistischen Kandidaten und Kandidatinnen erklärt, ihre Wähler sollten im zweiten Wahlgang Ségolène Royal wählen. Und diese hat nicht etwa gesagt, daß sie von Feinden des demokratischen Rechtsstaats keine Stimmen bekommen will.
Sondern im Gegenteil - Revolutionäre wie Buffet, Besancenot und Laguiller, die erklärtermaßen das parlamentarische System vernichten und die Diktatur des Proletariats errichten wollen, sind jetzt willkommene Unterstützer der demokratischen Sozialistin Royal. So, wie auch Sarkozy die Stimmen der Rechtsextremisten nicht verschmähen wird.
Und das hat logischerweise seinen Preis. Solange die Extremisten in Frankreich nicht Parias sind, sondern Bundesgenossen der jeweiligen Seite, bestimmen sie die Politik mit.
Und solange Extremisten mitbestimmen, kann es keine durchgreifende Modernisierung, keine ernsthaften neoliberalen Reformen geben; kann Frankreich also nicht zu Deutschland aufschließen.
Also wird es mit Frankreich weiter abwärts gehen. Egal, ob nun Sarkozy mit den Stimmen der Anhänger Le Pens gewinnt oder Royal mit den Stimmen der Vierten Internationale.
Freilich können Abhänge unterschiedlich steil sein.
Ein Frankreich unter einer Präsidentin Royal hätte den Niedergang vor sich, den Deutschland unter Schröder erlebt hat.
Sarkozy würde es sicherlich besser machen; aber die Rechtextremisten, denen er seine Wahlsieg verdanken würde, würden ihm Fesseln anlegen wie die Liliputaner dem Gulliver - tied to pegs.
Ein Präsident, der seine Mehrheit den Feinden Europas, der Globalisierung, der Modernisierung verdankt, kann keine europafreundliche, keine die Globalisierung akzeptierende, keine moderne Politik machen.
Das hätte nur Bayrou gekonnt, der von linken und rechten Demokraten, gegen die linken und rechten Extremisten, gewählt worden wäre.
Vorbei.
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