16. Mai 2017

Friedensuschis fröhlich feifendes Fähnlein. Ein bescheidener Vorschlag



Als vor über einem Jahr an dieser Stelle vom Protokollanten der Vorschlag gemacht wurde, doch bitte die Alten Zöpfe der bundesdeutschen Corporate Identity zu entsorgen und den Gegebenheiten und Gefühlslagen des 21. Jahrhunderts anzupassen, indem man die überkommenen Hymnen dem Matmos der damnatio memoriae überantworte und sich dessen mit frischem, zeitgeistig sandgestrahltem Liedgut gegen die Unbillen der Zeit wappnen sollte, da war noch nicht abzusehen, wie schnell zu "Scherz, Satire, Ironie" (so Christian Dietrich Grabbes Titel von 1822) die tiefere Bedeutung hinzutreten und der - jawoll - Ernstfall eintreten würde. 


Es ist nicht zu leugnen. Die Bundeswehr, diese bunteste der Bunten Wehren, befindet sich zurzeit in einer ernsten, einer bestandsgefährdenden Krise. Nicht freilich, wie Zeitgenossen, die allzusehr dem Wellenschlag des Nachrichtenflusses hinterherlauschen, glauben könnten, weil wieder einmal der Sultan vom Bosporus Abgeordneten des Bundes... (Entschuldigung) des Buntestages den Zugang zu den in türkischen Stützpunkt Incirlik stationierten Soldaten verwehrt hat (zum wievielten Mal seit dem Putsch gegen den "Reis" des neoosmanischen Weltreiches im vergangenen Juli eigentlich?). Das mag ein Verstoß gegen alle rechtlichen Bestimmungen sein, gegen die Vereinbarungen, zu denen die Türkei sich als Mitglied der NATO verpflichtet hat. Zwar handelt es sich hier, kenntlich an der schwarz-rot-goldenen Flagge, die direkt neben der Einfahrt, wie neben jedem Stützpunkt, jeder Kaserne der Bundeswehr, deutlich sichtbar signalisiert: hier handelt es sich, für den Zeitpunkt der Überlassung, um deutsches Hoheitgebiet: hier gelten deutsche Gesetze, Bestimmungen und HDV (Heeresdienstvorschriften), nicht türkische. Und dazu zählt das jederzeitige Zugangsrecht von Parlamentariern des Deutschen Bundestages wie auch des Verteidigungsministeriums als Teil der parlamentarischen Kontrolle. Aber die Außerkraftsetzung gesetzlicher Rahmenbedingungen im Zuge der Folgeneindämmung des "arabischen Frühlings" (zu deren schwerwiegendsten ohne Zweifel die gegenwärtige Flüchtlingskrise und das Aufkommen des "Islamischen Staates" zählen) ist mittlerweile so alltäglich und sanktionslos geworden, daß man sie wohl ruhigen Gewissens unter dem Rubrum "Gewohnheitsrecht" ablegen sollte.

Auch die bunte (hurra) Causa der letzten zwei Wochen, als dem staunenden Publikum die immerhin hörenswerte Story vom "Syrer von Köpenick" präsentiert wurde, vom deutschen Oberleutnant Franco A., den der Dienst in der völkerverbindenden deutsch-französischen Brigade "Franco-Allemande," an der er, durch eigenes schriftliches Zeugnis belegt, so etwas wie ein deutscher Vorzeigesoldat unter den 8000 Dienststuenden war, so wenig auslastete wie seine Ausbildung an der renommiertesten französischen Offiziersschule, St. Cyr, und der sich deshalb, ohne eines einzigen Wortes des Arabischen mächtig zu sein, als syrischer Flüchtling bewarb und als solcher problemlos anerkannt wurde. Dem Publikum, das so andächtig lauschte wie die Vorfahren unserer Neubürger in den Kaffeehäusern von Damaskus oder Kairo den Abenteuern und Streichen des Hodscha Nasreddin oder Sindbad des Seefahrers, erzählten die Nachfahren dieser الأصوات حكاية, al'aswat hikaya, dieses sei behufs geplanter Anschläge auf höchste Staatspersonen, angefangen beim Bundespräsidenten (zu denen untere Offiziersränge der Bundeswehr bekanntlich ebenso leicht Zugang haben wie das Gros des Millionenheers der "geschenkten Menschen" (©Katrin Göring-Eckardt)), erfolgt, um diesen in toto einen üblen Ruch anzuhängen - etwas, das nachweislichen Philosophen der Untat, vom Würzburger Reenactment der Schlüsselszene aus "The Shining" über die Erweiterung des Weihnachtsmarktangebots in Berlin oder eines ausgeweiteten Fassung des Begriffs "Death Metal" im Pariser Bataclan, bislang noch stets mißlungen ist. 

Auch die Aufdeckung von 20 Islamisten (nebst 60 weiteren Verdachtsfällen) in den Rängen der BuntenWehr im vergangenen November sollte nicht zu voreiligen Schlüsse verleiten. Immerhin dürften, nach Logik unserer Welterklärer, zehntausende Soldaten keine Sympathie für die brachialere Ausübung jener Tätigkeit haben, deren arabischer Ausdruck so oft mit "verstärkte Glaubensbemühung" übersetzt worden ist. Nein, nach der Aufdeckung des franquistischen Bowling for Aleppo durch sage und schreibe zwei Bundeswehrangehörige war es durchaus angezeigt, von einer "Terrorzelle" zu sprechen, diese Truppe gewissermaßen unter Generalverdacht zu stellen und beherzt daran zu gehen, die Ursache des Übels an der Wurzel zu packen. Nämlich an der Entdeckung, daß dem ehrenden Gedenken an die Vorläuferorganisation in der Truppe keine Grenzen gesetzt scheinen. So wurde am vorigen Freitag an der Helmut-Schmidt-Universität ein Foto des Namenspatrons entfernt, das ihm in der Wehrmachtsuniform im Rang eines Hauptmanns zeigt, mit dieser ausdrücklichen Begründung:

Hintergrund ist eine per E-Mail ergangene Anweisung an Soldaten. Darin werden die Offiziere laut Focus angewiesen, alle „Symbole der NS-Zeit, Wehrmachtsdevotionalien (vom Bajonett bis zum Wehrmachtsstahlhelm), Wehrmachtsbilder, Wehrmachtsattribute, Sinnsprüche mit Vergleichen/Beschreibungen oder Zitaten aus der NS-Zeit, sämtliche Gegenstände (jede Art von Darstellung), welche mit einer Sympathie/Verehrung der Wehrmacht in Verbindung gebracht werden könnten“, umgehend aus den Diensträumen zu entfernen. (FOCUS)

(Da die Kragenspiegel der Uniform unabdingbarer Bestandteil eben dieser Uniform sind, bleibt eigentlich nur der Schluß übrig, daß Schmidt selbst hier unter diese Art von Gegenständen subsumiert worden ist.) Der Name "Helmut-Schmidt-Universität" scheint unter diesen Auspizien freilich gleichfalls suspekt. Schon aus Vorsichtsgründen: gestern erging von der Hardthöhe der Erlaß, die Benennung von Kasernen und Stützpunkten nach bräunlich inkriminierten Vorzeitgenossen stante pede zu beenden. Der Netztagebuchführer ... Entschuldigung: Bloggerkollega Alexander unterbreitete daraufhin den Vorschlag, man möchte diese Hochschule doch bitte nach einem prominenten Militär (zu soviel Traditionspflege sollte man sich auch heute noch überwinden können) zu umzubenennen, der Homosexueller gewesen ist, ein Opfer der Nazis wurde und nachweislich an den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs nicht beteiligt: sie möge doch bitte hinfort Ernst-Röhm-Universität heißen.

Man mißverstehe dies nicht: bei solchen Aktionen handelt es sich keineswegs um Allotria, Alfanzerei oder den freidrehenden Aktionismus einer überforderten Ministrix, die damit vom flächendeckenden Versagen unserer Sicherheitsbehörden, der Bundeswehrführung und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abzulenken beliebt. Vielmehr zeigt sich hier das Beherzigen eines jahrtausendealten Prinzips, Mißständen im Politischen wie Gesellschaftlichen an der Radix, der Wurzel, beizukommen. Es handelt sich um die Erkenntnis, daß ohne die richtigen Worte - und Namen sind nun einmal die ersten, wichtigsten Worte, die mit einer Person, und damit ihren Haltungen, Einstellungen und der Paßgenauigkeit in den Teletubby-Kosmos des "Deutschland rettet die ganze Welt vor der bösen Natur des Menschengeschlechts" verbunden werden - daß ohne die richtigen Worte also alles Bemühen vergebens ist. Formuliert hat dieses Prinzip der berühmteste chinesische Denker und Staatsphilosoph, Meister Kong, im Westen seit dem 18. Jahrhundert in der latinisierten Form seines Namens, Konfuzius bekannt, in seinen "Gesprächen" oder "Analekten", deren Abfassung traditionellerweise dem frühen 5. Jahrhundert vor unserer Zeitwende zugeschrieben wird.  孔子 also spricht im 13. Kapitel des 論語 (lúnyǔ) dies:

子曰:「必也正名乎!」子路曰:「有是哉,子之迂也!奚其正?」子曰:「野哉由也!君子於其所不知,蓋闕如也。名不正,則言不順;言不順,則事不成;事不成,則禮樂不興;禮樂不興,則刑罰不中;刑罰不中,則民無所措手足。故君子名之必可言也,言之必可行也。君子於其言,無所苟而已矣。」

Es handelt sich bei dieser Passage um die bekannte "Richtigstellung der Begriffe". Der deutsche Sinologe Richard Wilhelm hat den Passus vor gut 90 Jahren wie folgt übersetzt:

Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeiht Moral und Kunst nicht; gedeiht Moral und Kunst nicht, so treffen die Strafen nicht; treffen die Strafen nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen. Darum sorge der Edle, daß er seine Begriffe unter allen Umständen zu Worte bringen kann und seine Worte unter allen Umständen zu Taten machen kann. Der Edle duldet nicht, daß in seinen Worten irgend etwas in Unordnung ist. Das ist es, worauf alles ankommt.

Dieses Zitat ist ein von vieren aus dem Chinesischen, die es ins kollektive Kulturgedächtins des Westens geschafft haben. Die anderen drei sind Laozis "Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt" 千里之行,始於足下 (Qiān lǐ zhī xíng, shǐ yú zúxià, wörtlich übersetzt: "Eine Reise von tausend Meilen beginnt unter deinem Fuß"), das Mao Zedong zugeschriebene "es ist egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist; Hauptsache, sie fängt Mäuse"(bùguǎn bái māo hēi māo, huì zhuō lǎoshǔ jiùshì hǎo māo), dessen erste konkrete, wenn auch nicht sicher nachgewiesen Verwendung Maos Nachfolger und Reformer Deng Xiaoping in einer Rede vom Juni 1982 zugeschrieben wird, und das definitiv von Deng 1979 ausgegebene Motto seiner Reformen "Reichwerden ist großartig!" 致富光荣 (zhìfù guāngróng).

(Zweierlei Dinge ließen sich an dieser Stelle einwenden: zum einen, daß der rigorose Dirigismus der Konfuzianismus, seine absolute Staatshörigkeit, die Bekämpfung aller individuellen Impulse, sein Bestehen auf der Anwendung einmal als gültig festgelegter Prinzipien, der Nachweis der Befähigung von Staatsbeamten durch das stumpfe Auswendiglernen dieser Prinzipien, die rigorose Ausblendung aller empirischen Erfahrung und die Perhorreszierung aller Neugierde, die beklemmenden Strikturen des erlaubten Sozialverhaltens, daß all das die Lehre des Konfuzianismus zum größten Unglück hat werden lassen, das dem chinesischen Volk je widerfahren ist. Aber wie die im Westen ebenso fatale Rolle Platos, auf die Karl Popper in The Open Society and Its Enemies eindrücksvoll hingewiesen hat, nicht dazu führen kann, ihn aus der Philosophie- und Ideengeschichte zu streichen, ohne sie zur Unkenntlichkeit zu enstellen, so gilt ein Gleiches für Kong-ze. Zum anderen: der Einwand, dieser Former des klassisch chinesischen mentalen Kosmos sei ja für uns unbedeutend. Mitnichten. Aus dem eben Gesagten solle klar erhellen, daß unsere politischen Parteien, besonders aber die Grünen, in ihrem Rigorismus, ihrem allumfassenden Gängelungsanspruch, in ihrem Anspruch auf Sprachregelung und ihrer absoluten Staatsgläubigkeit Konfuzianische Unternehmungen reinsten Wassers darstellen.)  
  
In diesem Sinne ist es nur zu begrüßen daß Frau von der Leyen beschlossen hat, das Unheil, das der Truppe durch falsche Worte droht, an der richtigen Stelle zu bekämpfen. Nämlich an den Liedern, den Soldatenliedern, mit ihren so oft alten und keineswegs zeitgemäßen und aller politischen Korrektheit hohnsprechenden Texten.

Besonders in der Kritik stehen in dem Liederbuch "Kameraden singt!" Stücke wie "Schwarzbraun ist die Haselnuss", das "Panzerlied" oder "Das Westerwaldlied". Sie wurden dem Ministerium zufolge in der NS-Zeit und während des Zweiten Weltkriegs als Ausdruck nationalsozialistischer Überhöhung missbraucht. Zudem finden sich in dem Liederbuch Kompositionen und Texte von NS-Ideologen. (Spiegel-Online, vom 12.05.2017)

Nun wurde während der NS-Zeit auch das Lied von der "Loreley" als Ausdruck "typisch deutscher Haltung" oft und viel gespielt und gesungen - und entgegen verbreiteter Folklore nicht mit dem Zusatz "unbekannter Verfasser" - aber Henry Heine (und Johann Wolfgang von Goethe oder Joseph von Eichendorff, denen die NS-Ideologen gleiches widerfahren lassen wollten) werden die fällige Inkriminierung als Steigbügelhalter des Ungeists im Elysium wohl als Kehrseite ein- und derselben Geisteshaltung unter umgekehrtem Vorzeichen verbuchen.

Annoch: es bleibt die Frage: welche Lieder sollen denn nun, ohne daß ein Schatten des Verdachts auf die Ausübenden fällt, gesungen werden? Der Austausch der Uniformen allein, so lobenswert etwa ein solcher Schritt wäre (um eine schriftliche Order meines alten Hauptmanns aus dem 30-jährigen Krieg - Entschuldigung: von vor fast 30 Jahren und mehreren Kriegen zu zitieren: "Soldaten müssen wie Soldaten aussehen, damit sie sich wie Soldaten fühlen"), wird wohl nicht hinreichen. Ein Beispiel bieten die Paradeuniformen, mit denen die weiblichen Rekruten der Reservistenbataillone der Volksbefreiungsarmee (wir verbleiben im chinesischen Bereich) seit 2008 ihre öffentlichen Auftritte absolvieren:



Nein: das sieht zu sehr nach Militär und Drill, nach Einsatz und Gehorsam aus - alles Dinge, die die bunteste aller Wehren gottlob weit hinter sich gelassen hat. Um beim Liedgut zu verbleiben: Nicht der "eigentliche Geist", die Bedeutung, die sie zu ihrer Entstehungszeit hatten, sind selbstredend wichtig, sondern ob sie sich zum entschlossenen Mißverständnis hergeben. "Schwarzbraun ist die Haselnuss" mag Anfang des 19. Jahrhunderts niedergeschrieben worden sein, weit vor der Belegung der Farbe durch die Totengräber der ersten deutschen Republik (so wenig wie sich auch hinter Alexander von Ungern-Sternbergs "Braunen Märchen" von 1855 anrüchige Propaganda verbirgt): aber wer, wie heißt es doch "mit Inbrunst" ("Brunst": oh je ob dieses Worts) singt "SchwarzBRAUN bin auch ich": da weiß man schon. Freilich könnte man die Melodie beibehalten; leichte Variierungen des Textes dürften eine suspekte piéce in eine treffliche hommage an die Frau Minstrix verwandeln: "Nix braun ist die Kokosnuss / Nimmer braun auch ich /: Wie hohl kann so ein Mädel sein? / Gerade so wie ich!" (Die botanische Ignoranz gehört dabei zur unverbrüchlichen Leitkultur des Volkslieds: "O Tannenbaum / wie grün sind deine Blätter.")

Wie also dem beikommen? Liedersingen beim Marsch hat ja, wie oben ersichtlich, in Ermangelung einer Militärkapelle, letztlich einen praktisch-faktischen Sinn: die Marschzahl vorzugeben und die dicht gestaffelt marschierenden Rekruten nicht über die Beine der anderen stolpern zu lassen. Das zum Klischee des Soldatischen geronnene "Links Zwo Drei Vier" dient dem gleichen Zweck.

Zum einen böte es sich an, auf Worte ganz zu verzichten. Das würde auch bei der Inklusion jener Neubürger, deren Beherrschung des Deutschen, aber eben auch der lingua franca des Englischen, weitab von jeder Praxistauglichkeit zu verorten ist. (Laut einem Bericht vom März scheitern etwa in Berlin mittlerweile ein Drittel der Anwärter für den Polizeidienst an dieser Hürde.) Daß ein gepfiffenes Lied hervorragend geeignet ist, einen Marschtakt vorzugeben, dafür gibt es ein Beispiel, das älteren Kinogängern sofort präsent sein dürfte: nämlich der "Colonel Bogey-Marsch" aus der Eingangssequenz der "Brücke am Kwai", 1957 unter der Regie von David Lean entstanden:



Dieses Stück, dessen Melodie 1914 von Leutnant J. F. Ricketts komponiert wurde, wurde erst am Anfang des Zweiten Weltkriegs sowohl in den britischen wie amerikanischen Streitkräften popular: der Grund war ein Text, der ihm unterlegt wurde, der in verschiedenen Versionen existiert, dessen Stoßrichtung aber eine nachgerade Böhmermannhafte Verhöhnung diverser Nazigrößen darstellte. Die bekannteste Version lautet:

Hitler has only got one ball
Göring has got two but they're small
Himmler has something sim'lar
But poor old Goebbels has no balls at all

Eine weitere Textvariante ging so:

Hitler has only got one ball
The other is in the Albert Hall
His mother, the dirty bugger
Cut it off when he was small

Bei der gepfiffenen Filmversion handelt es sich übrigens um eine Nachsynchronisation. Am Drehort sangen die Komparsen den Text (schon um sich damit bei Laune zu halten), die Strikturen des Erlaubten im Kino der 50er Jahre führten zu der anschließenden Selbstentschärfung. Die Veteranen kannten den Text sowieso.

Zumindest wird man diesem Stück nur schwer einen Hang zu "Nazi-Devotionalien" (trotz seines Focus auf das, was mitunter "Kronjuwelen" genannt wird) zuschreiben können. Auch das Fatum, daß das von den britischen Soldaten während dieses Auslandseinsatzes im Dschungel errichtete Werk, die titelgebende Brücke, am Ende des Films in die Luft gesprengt wird, dürfte Soldaten, die "unsere Werte am Hindukusch verteidigen", als ein treffliches Symbol ihres Tuns erscheinen.

Nun macht eine Schwalbe noch keinen Sommer, und Sänger, die nur über ein einziges Lied im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben sind, von Shuggy Otis ("Aht Uh Mi Hed") bis Sam the Sham and the Pharaohs ("Woolly Bully"), gelten nicht als Klassiker, sondern als One-Hit-Wonder, als Kuriosum. Zudem: erinnert "Pfeifen" nicht fatal an Ilse Werner? Für ein textlastiges Lied, der Trend geht zum Zweitlied, bietet sich das ganz im Eingang eingebundene Stück, in seinem Niveau Truppe und Chefin höchst adäquat:

Zwei, drei, vier 
marschieren wir. 
schnellen Lauf, 
Berg hinauf,
oben dann 
alle Mann 
schaun mit List 
wo Feind ist. 
General auf einmal 
schreit hurra Feind ist da 
Blechbüchsen roll, roll, roll. 

Freilich läßt sich auch hier ein Ruch des Militärischen nicht verleugnen. Schon von meinem Hauptmann (in jenem 30-jährigen Krieg) habe ich gelernt, daß die Bundeswehr keine Feinde hat (es war zu Zeiten, als die Mauer noch stund), sondern nur noch Gegner. Ohne Zweifel. Wenn man sich die Umtriebe der politischen Führung und der Medien betrachtet, kommt einem die Wahrheit der englischen Wendung in den Sinn: "with friends like these, who needs enemies?" - wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Deshalb - und hier schließt sich der Kreis zur Bemerkung am Eingang - verbleibt mir als letzter Vorschlag ein Selbstzitat. Obligatorisch sollte nämlich in der Bunteswehr 2.0 (deren Umbenennung in "die Truppe", analog zu: "die Mannschaft" bitte noch in der kommenden Woche erfolgen sollte) das Absingen der neuen Nationalhymne sein, wie erwähnt an dieser Stelle vor 14 Monaten als Vorschlag gebracht. Mir ist kein anderes Stück bekannt, das unsere Militärstrategie, das vorherrschende Niveau und die ideologische Zielvorgabe in solch zutreffender Weise in klare Worte, noch dazu "in leichte Sprache" faßt. Wir kennen es alle:

Die Armeen aus Gummibärchen
die Panzer aus Marzipan
Kriege werden aufgegessen
einfacher Plan
kindlich genial

Gebt den Kindern das Kommando
sie berechnen nicht
was sie tun
Die Welt gehört in Kinderhände
dem Trübsinn ein Ende
wir werden in Grund und Boden gelacht
Kinder an die Macht.

(Notorischen Nörglern sei zugegeben, daß auch hier noch ein gewisser Nachbesserungbedarf besteht. Gummibärchen bestehen bekanntlich zum größten Teil aus Gelatine, und woraus dieses Produkt hergestellt wird, setze ich als bekannt voraus. Nicht, daß dann das gleiche interkulturelle Mißverständnis eintritt, das vor 160 Jahren in Indien zum Sepoy-Aufstand geführt hat.) 



PS: Stichwort "Fähnlein". Die sofortige Assoziation sollte das bekannte Fähnlein Fieselschweif sein, dessen Motto sich auch als Kodex "der Truppe" empfehlen würde ("wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern / in keiner Not uns waschen und Gefahr"). Die Wikipedia weist mich nun auf den Ursprung der Vokabel jenseits des pfadfinderischen Kontexts (der dem Protokollanten nur durch Wes Andersons Moonrise Kingdom geläufig ist) hin: "Ein Fähnlein ist eine Unterformation eines Landsknechtsregiments. Jedes Fähnlein bestand aus mehreren Rotten. Als Einheit umfasste das Fähnlein um die 400 Landsknechte. An der Spitze stand der Hauptmann oder Kapitän. Der Begriff wurde im Militärwesen allmählich durch Kompanie ersetzt." 

Landsknechte! Brandschatzungen, Schwedentrunk, Simplizissimus, Landstörzerin Courage! Welch eine Erleichterung: auch hier dürfte die Gefahr, sich mit verkapselten Memen schwarzbrauner Umtriebe zu infizieren, denkbar gering ausfallen.


Nachtrag, Di., 16.05., 16:45. Forist Emulgator hat auf diese Meldung von heute aufmerksam gemacht, die die putative Terrorzelle um Franco A. betrifft. Wie es scheint, war eine gewisse Skepsis gegenüber dem Gefährdungspotential nicht der schlechteste Ratgeber.

Polizei: Franco A. bereitete keine konkrete Tat vor
Berliner Betroffene, die auf einer "Todesliste" rechtsgerichteter Bundeswehrsoldaten um den Oberleutnant Franco A. standen, waren nach Einschätzung der Polizei nicht wirklich gefährdet. "Konkrete Tatvorbereitungen waren nicht erkennbar", sagte Berlins Polizeipräsident Klaus Kandtim Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. "Da war null Planungsleistung erkennbar."
Kandt verteidigte sich gegen Vorwürfe, die Polizei habe zu wenig für die auf der Liste geführten Menschen getan, räumte aber ein, man habe sich in Gesprächen mit den Betroffenen "vielleicht etwas knapp gehalten".
(RP Online, 16.05.2017, 07:40)



Ulrich Elkmann

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