24. November 2012

Die Energiewende, die Erziehung unserer Menschen und der Traum des Wolfgang Harich

In einer Marktwirtschaft wird das produziert, was der Konsument nachfragt. In einer Mangelwirtschaft sucht der planende Staat "seine Menschen" so zu erziehen, daß sie ihr Konsumverhalten an das jeweilige, in der Regel unzureichende Angebot anpassen.

Mit der "Energiewende" hat Deutschland den Schritt in die Mangelwirtschaft und damit die Planwirtschaft getan. Wer teure Formen der Energieerzeugung an die Stelle von billigen setzen will; wer auf Energien "umsteigen" will, die unabhängig von der Nachfrage je nach Laune der Natur erzeugt werden, der kann das nicht innerhalb einer Marktwirtschaft tun.

Ihre Mechanismen geben das nicht her. Mit dem "Ausstieg aus der Atomenergie" wurde im Juni 2011 zugleich der Ausstieg aus der Marktwirtschaft im Energiesektor beschlossen (siehe "Ich muß aufpassen, daß Erhard sich nicht wegdreht". Die Energiewende und das Dilemma der FDP. Erinnerung an die Rede Frank Schäfflers vom 30. Juni 2011; ZR vom 9. 11. 2012).

Der Staat, der die Steuerung der Wirtschaft in diesem Sektor an sich zieht, kann es dem Konsumenten nicht freistellen, wie bisher gemäß seinen Bedürfnissen zu entscheiden, was er wann an Energie verbrauchen will. Er muß vielmehr seine Menschen so erziehen, daß sie dann Energie verbrauchen, wenn sie die launische Natur gerade reichlich liefert. Er muß sie erziehen, sich zu bescheiden, wenn die Natur gerade zu wenig Energie liefert.

Wie das funktionieren könnte, das konnte man am Montag bei Heise Online lesen.

In Spanien hat ein Forschungsverbund unter Leitung von Wissenschaftlern der Universität Carlos III in Madrid ein System zur Steuerung des Stromverbrauchs entwickelt:
Kern des Systems ist die Überwachung und Steuerung einzelner Stromverbraucher in den Haushalten und die Vernetzung mit den Leistungsdaten nahegelegener Kleinsterzeuger wie Solar- oder Windkraftanlagen. (...) Das System informiert die Nutzer über den Verbrauch einzelner Geräte, um diejenigen mit dem höchsten Energiebedarf zu identifizieren. Daraus entwickelt es Vorschläge, wie die Verbraucher ihre Verhaltensweisen ändern und die Stromrechnung senken können.
Wird zu wenig Strom produziert, dann sollen die Leute zum Beispiel weniger heizen. "Dabei ändere sich die Temperatur um ein paar wenige Grad". Auch muß man ja nicht dann waschen und spülen, wenn gerade die Sonne nicht scheint und die Windräder ruhen. Das "ließe sich verschieben".



Gelernte DDR-Bürger werden mit dieser schönen neuen Welt gewiß besser zurückkommen als diejenigen von uns, die in einer freien Wirtschaft aufgewachsen sind.

Einige von den in Dialektischem Materialismus Gebildeten werden sich dazu vielleicht an Wolfgang Harich erinnern. Die Titelvignette zeigt den damals 33jährigen Professor der Philosophie auf einer Tagung in Weimar im Oktober 1956. Sechs Wochen später wurde er verhaftet, weil er Reformen im System der DDR verlangt hatte. Als die Verhaftung im Dezember 1956 im Westen bekannt wurde, widmete der "Spiegel" Harich eine Titelgeschichte.

Wenn Sie ZR schon länger lesen, dann wissen Sie, daß ich Harich für einen der großen kommunistischen Theoretiker halte; einen, der erkannt hat, daß der Sozialismus des 21. Jahrhunderts nur noch mit dem Druckmittel der Ökologie legitimiert und durchgesetzt werden kann.

Die Ökologie wurde Harichs Thema, nachdem er 1964 aus der Haft entlassen worden war. Die Ergebnisse seines Nachdenkens hat er u.a. in dem Buch "Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der 'Club of Rome'" (1975) dargelegt. Auf dieses Buch und die Hellsichtigkeit, mit der Harich die Entwicklung hin zur ökologischen Planwirtschaft vorher­gesehen hat, bin ich immer einmal wieder eingegangen, beispielsweise hier:

  • Überlegungen zur Freiheit (3): Wolfgang Harich und die Öko-Diktatur; ZR vom 16. 3. 2007

  • Rückblick: Wolfgang Harichs Aktualität; ZR vom 6. 4. 2007

  • Deutschland im Öko-Würgegriff (1): Ein ganz normales Wochenende; ZR vom 26. 11. 2007

  • Deutschland im Öko-Würgegriff (20): "Hilft nur die Öko-Diktatur?" Über einen Aufsatz in der einst liberalen "Zeit"; ZR vom 6. 12. 2009

  • Zitat des Tages: "Wie bringt man es den Menschen bei?" Über "geschickte Psychologie" und die Machtphantasien von Intellektuellen; ZR vom 25. 12. 2009
  • Am ausführlichsten sind die Ideen Harichs im ersten dieser Artikel beschrieben; dort finden Sie auch dieses prophetische Zitat aus seinem Buch von 1975:
    Unserem Programm der Bedürfnisbefriedigung müssen wir, mit dem Vorsatz, es in ökologisch verantwortbaren Grenzen zu halten, eine differenzierende kritische Bestandsaufnahme all der Bedürfnisse vorausschicken, die sich im Verlauf des Geschichtsprozesses beim Menschen herausgebildet haben (...) Wobei es dann selektiv zu unterscheiden gilt zwischen solchen Bedürfnissen, die beizubehalten, als Kulturerbe zu pflegen, ja gegebenenfalls erst zu erwecken bzw. noch zu steigern sind, und anderen, die den Menschen abzugewöhnen sein werden - soweit möglich, mittels Umerziehung und aufklärender Überzeugung, doch, falls nötig, auch durch rigorose Unterdrückungsmaßnahmen, etwa durch Stillegung ganzer Produktionszweige, begleitet von gesetzlich verfügten Massen- Entzieh­ungs­kuren.
    In eine solche "Entziehungskur" hat uns der Bundestag mit seinem Gesetz zur "Energiewende" vom 30. Juni 2011 geschickt.
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Wolfgang Harich 1956. Bundesarchiv, Bild 183-40377-0007 / Wittig / CC-BY-SA; unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany-Lizens freigegeben. Bearbeitet. Mit Dank an Thomas Pauli.