18. November 2012

Marginalie: Plädoyer für eine Privatisierung des Schulwesens

Es gibt keinen rationalen Grund dafür, daß Schulen nur oder daß sie überwiegend vom Staat betrieben werden sollten; so wenig, wie der Staat ein Monopol darauf haben sollte, Autos zu bauen, Brötchen zu backen oder Juwelen herzustellen.

Der Staat baut am besten überhaupt keine Autos und stellt keine Juwelen her; warum sollte er? Vielleicht sollte der Staat auch überhaupt keine Schulen betreiben. Auch hier kann man fragen, ob das Private nicht besser und billiger können.

Es gibt historische Gründe dafür, daß Schulen in staatlicher Regie betrieben werden; wenn auch bis ins 19. Jahrhundert diejenigen, die es sich leisten konnten, den Privatunterricht für ihre Kinder bevorzugten, sei es durch Hauslehrer, sei es in Privatschulen. Der Staat sprang dort ein, wo Eltern sich das nicht leisten konnten.

Der Gedanke der Gleichheit trug wesentlich dazu bei, daß der Staat das Schulwesen immer mehr an sich zog; ganz besonders in Deutschland seit Beginn des 19., teilweise auch schon im 18. Jahrhundert. Auch der Bedarf des Militärs an tüchtigen Rekruten spielte eine Rolle.

Das Grundgesetz freilich sieht keineswegs ein durchgängig staatliches Schulwesen vor:
Artikel 7

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (...)

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemein­schafts­schule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungs­schule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.
Dies ist die aktuelle Formulierung des Artikels 7, wie man sie auf der WebSite des Deutschen Bundestags findet; mit dem überholten Begriff der "Volksschule", also Grund- und Hauptschule.

Nur für die "Volksschule" sieht also der Artikel 7 des Grundgesetzes eine Privilegierung des Staats vor; ansonsten hat er, so sagt es Absatz 1, nur die Aufsicht über das Schulwesen. Faktisch aber betreibt er es auch zu einem großen Teil. Das Grundgesetz würde es auch erlauben, daß weiterführende Schulen im Regelfall Privatschulen sind.



Das Thema Privatschulen dürfte künftig zunehmend virulent werden. Denn das Schulwesen in Deutschland ist dabei, sich gewissermaßen vom Anbietermarkt in einen Nachfragemarkt zu verwandeln.

Seit der Nachkriegszeit war beklagt worden, daß es zu wenige Lehrer, folglich zu große Klassen gebe. Der Geburtenrückgang hat das obsolet gemacht: Zunehmend ist zu beklagen, daß es zu wenige Schüler gibt; zu wenige Schüler, um auch nur alle jetzigen staatlichen Schulen weiter betreiben zu können.

Schulen müssen geschlossen werden; oft zum Unmut der Eltern. Im Main-Kinzig-Kreis wurde, wie die "Frankfurter Rundschau" berichtete, im Mai dieses Jahres der Schuldezernent Zach (Bündnis 90/Die Grünen) sogar tätlich angegriffen, weil in diesem Landkreis Schulen geschlossen werden sollen. Die Grundschule in dem Ort Sinntal-Züntersbach beispielsweise hat derzeit noch genau 16 Schüler.

So wird es sich auch bei den weiterführenden Schulen entwickeln. Und damit wandelt sich auch die Sicht des Staats auf die Privatschulen: War man in Zeiten des Lehrermangels und der zu großen Klassen froh, daß sie einen Teil der Schüler aufnahmen, so erscheinen sie jetzt immer mehr als eine gefährliche Konkurrenz.

Wie weit das schon geht, das zeigt der Artikel, der mich zu dieser Marginalie veranlaßt hat. In "Zeit-Online" berichtete vorgestern Hellmuth Vensky über die Jahrestagung des Verbands deutscher Privatschulverbände in Wiesbaden:
"Das Imperium schlägt zurück": So drastisch beschreiben Privatschulen das Verhalten der Kultus­behörden. Eltern oder Lehrer, die eine neue Schule gründen wollten, sähen sich einer "massiven Verhinderungskampagne" ausgesetzt, sagte Michael Büchler, Präsident des Verbandes deutscher Privatschulverbände (VDP), während der Jahrestagung in Wiesbaden.

Als Grund vermutet der VDP wachsenden Konkurrenz­druck angesichts sinkender Schülerzahlen. (...) Die Schulämter erließen immer neue Vorschriften, verlangten hohe Gebühren für Verwaltungsakte und knauserten mit der Finanzierung.
Wenn das so ist, dann ist es ein Skandal.

Was die Finanzierung angeht, so erhalten private Ersatzschulen (nicht aber die sich selbst finanzierenden privaten Ergänzungsschulen) zwar staatliche Zuschüsse; aber sie kommen den Fiskus immer noch billiger als staatliche Schulen. Gerade fiskalische Argumente sprechen also für mehr Privatschulen.

Ansonsten wäre es - wenn es stimmt - ein unhaltbarer Zustand, wenn Schulämter ihre Aufgabe, über die Qualität des Unterrichts in Privatschulen zu wachen, gewissermaßen je nach Marktlage und im Interesse des Staats wahrnehmen würden; wenn sie als Aufsichtsbehörde zugleich in der Rolle einer Partei in Erscheinung träten, welche die Interessen der staatlichen Schulen gegenüber den Privatschulen im Auge hat.



Auch dieses wäre wieder einmal ein Thema für eine liberale Partei, die ihren Liberalismus ernst nimmt. Die FDP ist zu dieser Legislaturperiode als Steuersenkungspartei angetreten. Wo an staatlichen Ausgaben gespart werden soll, hat sie freilich nie so recht deutlich machen können. Ein Abbau des staatlichen Schulwesens zugunsten von Privatschulen wäre eine der vielen Möglichkeiten, Steuersenkungen nicht nur zu fordern, sondern auch zu zeigen, daß sie möglich sind.

Warum nicht das Schulwesen nach und nach privatisieren; so, wie die Post und die Bahn privatisiert wurden? Es würde den Steuerzahler entlasten; es würde die so oft beschworene Vielfalt erhöhen. In einer Zeit zunehmender Ideologisierung unserer Gesellschaft wäre dies ein wirksames Mittel gegen Einheitsdenken.

Natürlich muß der Staat die Aufsicht über das Schulwesen behalten. Er hat ja auch die Lebensmittelaufsicht, ohne selbst in großem Stil Lebensmittel herzustellen. Der Staat wacht ebenso darüber, daß es in den Gaststätten hygienisch zugeht. Aber deshalb muß er ja keinen staatliche Gastronomie betreiben
Zettel



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