18. April 2009

Zettels Meckerecke: Voodoo-Politik. Kinderpornographie, Reichensteuer etc. Statt wirksam zu handeln, werden "Zeichen gesetzt"

Zu unserem archaischen Erbe gehört das Denken in Symbolen. Vor der Entwicklung der Technik war die Möglichkeit von Menschen, ihre Umwelt real zu beeinflussen, äußerst begrenzt. Man ging nolens volens den Weg der Symbolik. Die Tiere, die man zu erjagen trachtete, wurden an die Wände der Höhle gemalt und beschworen. Im Regentanz wurde dargestellt, wie es regnet.

Manches davon hat sich bis heute erhalten. In rumänischen Dörfern wird noch Paparuda, die Regengöttin beschworen. Ein junges Mädchen bewegt sich tanzend von Haus zu Haus und wird von den Einwohnern mit Wasser bespritzt.

In der Karibik ist derlei symbolisches Handeln als Voodoo noch immer weit verbreitet. Manches gelangt in zivilisiertere Gegenden. Im Vor- Wahlkampf zur Präsidentschaft im vergangenen Jahr wurde in den USA ein Hillary Clinton Voodoo Kit vertrieben, bestehend aus einer Clinton- Puppe, einer Nadel und einer Sammlung geeigneter Verwünschungen.



Womit wir beim Thema sind. Denn auch der jetzt anlaufende Wahlkampf in Deutschland trägt unverkennbar Züge von Voodoo. Mit einem Tamtam wie auf der Bambula werden Handlungen angekündigt, deren Wirksamkeit höchst fragwürdig, deren Symbolwert aber umso größer ist.

Die SPD tut sich dabei besonders hervor, indem sie so ungefähr alles an symbolischem Klassenkampf wieder aus der Mottenkiste holt, was sich im Bereich des Steuerrechts finden oder vielmehr zurechtschustern läßt: Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer, Reichensteuer, Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Erhöhung des Spitzensteuersatzes.

Ob irgend etwas davon dem Fiskus mehr als allenfalls ein paar Milliarden bringt, weiß niemand. (Bekanntlich führen Steuererhöhungen, da sie die Wirtschaftsstätigkeit bremsen, keineswegs automatisch zu höheren Staatseinnahmen). Vor allem aber liegt auf der Hand, daß die SPD, sollte sie es denn nach dem 27. September in die Regierung schaffen, mit einem Partner wird regieren müssen, der das alles gar nicht zuläßt; sei es die CDU in einer neuen Großen Koalition, sei es - wahrscheinlicher - die FDP in einer Ampel.

Aber man kann ja einmal Voodoo treiben. Die Wirkung solchen Mummenschanzes ist ja nie, daß die Wirklichkeit beeinflußt wird; sondern man will Menschen manipulieren. Das beherrschen diejenigen, die den Wahlkamf der SPD vorbereitet haben und die ihn jetzt steuern, offenbar bestens. Viel besser jedenfalls als die Union.



Aber auch die Union verzichtet keineswegs auf Voodoo- Politik. Ein Beispiel ist die Sperrung des Internet für Kinderpornografie. Man kann, wie zum Beispiel hier nachzulesen, die Sperre leicht umgehen. Konsumenten, die wirklich an solchen Dingen interessiert sind, werden sie sich auch weiter zu beschaffen wissen. Darüber hinaus wird Kinderpornografie bereits jetzt immer weniger über das Internet verbreitet, sondern postalisch über CDs.

Ohnehin ist ganz unwahrscheinlich, daß kriminellen Kinderschändern dadurch das Handwerk gelegt werden kann, daß man ihren Umsatz in Deutschland, wenn denn die Sperren greifen sollten, geringfügig reduziert. Sie haben genug Märkte, und der Profit ist so riesig, daß ihnen eine solche Umsatz- Einbuße wenig ausmachen würde. "Gut gemeint, aber wirkungslos", war gestern ein Kommentar des Stellvertretenden Chefredakteurs der "Süddeutschen Zeitung" Bernd Graff überschrieben.

Für diesen Schlag ins Wasser wird jetzt die Zensurfreiheit des Internet geopfert. Es wird eine Schwarze Liste des BKA angelegt, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sein wird, deren Angemessenheit also nicht kontrolliert werden kann. Es wird ein technisches Instrumentarium geschaffen, das leicht auch zur Zensur in anderen Bereichen eingesetzt werden kann.

Voodoo also. Denn so wenig mit diesem Mittel der Sperrung das angestrebte Ziel eines erfolgreichen Kampfs gegen den Mißbrauch von Kindern zu Pornografie erreicht wird, so hoch ist doch andererseits sein Symbolwert. Entschlossen tritt die Ministerin von der Leyen vor die Presse, die leibhaftigere Beschützerin der Kinder. Die Ritterin gegen Tod und Teufel. Die freilich eher eine Kämpferin gegen Windmühlenflügel ist.



Sie wenden, lieber Leser, ein, so seien nun mal die Menschen; mundus vult decipitur? Sie geben zu bedenken, in der Politik zähle schließlich stets die Symbolik, schon ganz und gar im Wahlkampf?

Ja, gewiß. Recht haben Sie mit diesen Einwänden. Ganz und gar Recht. Nur - warum sollte ich es mir verkneifen, über Dummheit und Scheinheiligkeit zu meckern, nur weil es sie schon immer gegeben hat?



Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Meister Petz.