7. April 2009

Kurioses, kurz kommentiert: Warum gibt es in Köln fünfmal so viele Wohnungseinbrüche wie in München? Im "Zeit-Magazin" hat jemand eine Idee

Das "Zeit-Magazin" hat eine hübsche Rubrik namens "Deutschlandkarte". Auf einer Karte der Bundesrepublik werden statistische Daten visualisiert; etwa die Zahl der Schützenvereine in den einzelnen Regionen und Städten, die Zahl der aus der Stadtbibliothek entliehenen Bücher pro Einwohner oder, sagen wir, die Zahl der Fahrräder.

Im aktuellen Heft 15/2009 sind es die Zahlen der Wohnungseinbrüche, die auf einer solchen Karte dargestellt sind.

An der Spitze der Großstädte liegen u.a. Köln und Hamburg; am unteren Ende Städte wie Stuttgart und München. Genaue Zahlenwerte sind nicht angegeben; ich habe sie aber einmal für Köln und Stuttgart aus der Polizeilichen Kriminalstatistik herausgesucht: Im Jahr 2007 - das sind die aktuellsten Zahlen - kamen in Köln 428 Wohnungseinbrüche auf 100.000 Einwohner, womit die Stadt bundesweit an der Spitze liegt. In München waren es 87.

Zu den "Deutschlandkarten" gibt es jeweils ein paar erklärende Sätze. Und was diesmal deren Autor, Matthias Stolz, sich ausgedacht hat, das erscheint mir kurios genug, um es kurz zu kommentieren.

Warum gibt es in Köln fast fünfmal so viele Einbrüche pro Einwohner wie in München? Stolz bietet dafür diese Erklärung an: "Eingebrochen wird dort, wo viel Reichtum und Armut an einem Ort zusammenkommen, man könnte auch sagen: wo die Einkommensschere ... besonders weit aufgeht."



Eine bemerkenswerte Erklärung. Bemerkenswert erstens, weil sie repräsentativ ist für die seltsame, aber weit verbreitete Theorie der Kriminalität, die sich dahinter verbirgt: Verbrecher begehen ihre Taten, weil sie arm sind. Sie holen sich unter Bruch der Gesetze bei den Reichen das, was ihnen legal verwehrt wird.

Das ist ein offenbar unausrottbarer Mythos.

Natürlich gibt es Kriminalität, die aus Armut entsteht - Mundraub zum Beispiel; die Nachkriegskriminalität, als viele stahlen oder Schwarzmarkt- Geschäfte machten, damit ihre Familie überleben konnte.

Die Regel aber war Armutskriminalität nie; und schon gar nicht ist sie es heute in einem reichen Land wie Deutschland, in dem jedem die Sozialhilfe ein anständiges Leben ermöglicht. Aber der Mythos lebt und lebt und lebt.

Bemerkenswert ist zweitens, wie dieser Mythos dem Autor Matthias Stolz offenbar den Blick für das Offensichtliche verstellt: Nicht hungernde Arme verüben Einbrüche, sondern ganz überwiegend Berufsverbrecher und organisierte Banden.

Aus einem Bericht der "Welt" zum Anstieg der Zahl der Wohnungseinbrüche in Hamburg im Jahr 2008:
Die Zahl der Wohnungseinbrüche stieg um 1099 auf jetzt 6811. (...) "Wir hatten es vor allem mit reisenden Tätern zu tun", sagt ein Beamter. Dabei handelte es sich häufig um Rumänen oder Bulgaren, bei denen eine Identitätsfeststellung sehr schwierig ist, weil sie sich oft mit nicht amtlichen Papieren der Roma- und Sinti- Union ausweisen wollen, oder um Chilenen, die professionell in Hamburg auf Einbruchstour gingen.
Wenn Städte wie Köln und Hamburg bei den Einbrüchen an der Spitze liegen und München am unteren Ende der Skala, dann dürfte das also im wesentlichen an Unterschieden im Auftreten solcher Banden liegen.

Warum sie in Hamburg und Köln gern ihrer Tätigkeit nachgehen und in Stuttgart und München offenbar weniger gern - das ist die interessante, das wäre die zu untersuchende Frage.

Mit einer Schere zwischen Arm und Reich hat es jedenfalls exakt nichts zu tun. Und schon gar nicht stimmt, was Matthias Stolz auch noch schreibt: "Einbrecher, das verrät diese Karte, scheuen es wie rechtschaffene Menschen auch, weite Wege zum Arbeitsplatz zurückzulegen". Aus Rumänien, aus Bulgarien, gar aus Chile nach Hamburg und nach Köln - wenn das kein weiter Weg zur Arbeit ist!



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