2. April 2009

Arabische Fantasia. Bericht über die Konferenz der Arabischen Liga in Doha. Bizarre Arabesken

Als die Kinder noch bescheidener waren als heute, hatten sie Freude an kleinen, bunten Bildern, die diversen Produkten beigelegt waren - Margarine beispielsweise, Zigaretten.

Man sammelte diese Bilder, und wenn man diejenigen zu einem Thema so einigermaßen beieinander hatte, dann wünschte man sich von den Eltern ein Album, in das man jedes an der vorgesehenen Stelle einkleben konnte.

Man lernte dadurch etwas über die Geschichte, über die Natur, über die Welt überhaupt.

Eines dieser Bilder, an das ich mich noch gut erinnere, hieß "Arabische Fantasia". Es war vermutlich dem Gemälde von Eugène Delacroix nachempfunden, das ich für die Titelvignette verwendet habe. Als Erläuterung erfuhr man, daß bei den Arabern Reiterspiele beliebt sind, bei denen viel in die Luft geschossen, überhaupt viel Tamtam gemacht wird, ohne daß aber wirklich etwas passiert.

Auch Karl May beschreibt dergleichen; seinem einzigen Theaterstück "Babel und Bibel" hat er den Untertitel "Arabische Fantasia" gegeben.

Für Karl May wurde der Araber als solcher durch "seinen" Halef verkörpert, jenen kleinen, treuen und mutigen Gefährten, der freilich aufschnitt, was das Zeug hielt und der, wenn er nicht gerade kämpfen mußte, in einer Welt verstiegener Träume lebte. Arabische Fantasia eben.



An diese Arabische Fantasia habe ich mich erinnert, als ich bei Recherchen zu einem anderen Thema auf einen ausführlichen Bericht über die Gipfel- Konferenz arabischer Staatsmänner in Doha gestoßen bin, die am Montag zu Ende ging.

Über den Aufritt des libyschen Präsidenten Muammar al-Gaddafi heißt es zum Beispiel:
The Libyan leader disrupted the summit's opening session by taking a microphone, saying that he was the king of kings of Africa and the imam (leader) of Muslims, before walking out of the hall.

Der Führer Libyens störte die Eröffnungssitzung des Gipfels, indem er sich ein Mikrofon nahm und sagte, daß er der König der Könige Afrikas und der Imam (Führer) der Moslems sei. Dann verließ er den Saal.
Bizarr? Längst nicht so bizarr wie das, was sonst noch auf dieser Konferenz gesagt und beschlossen wurde.

Da ist zum Beispiel die Sache mit Omar al-Bashir. Er ist Präsident des Sudan, und seit dem 4. März wird er wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit mit Internationalem Haftbefehl gesucht.

Wie reagierten die versammelten arabischen Staatsmänner darauf? Sie schrieben in das Schlußdokument: "We reiterate our solidarity with Sudan and our rejection of the measure of the .... International Criminal Court against His Excellency", man erneuere die Solidarität mit dem Sudan und weise die Maßnahme gegen Seine Exzellenz zurück.

Bashir dankte und versprach: "We will spare no effort in establishing peace and security in every corner of Sudan"; man werde keine Anstrengung scheuen, Frieden und Sicherheit in jeder Ecke des Sudan wieder herzustellen.

Das wollen wir ihm gern glauben, dem Omar al-Bashir, und die Mittel, die er bei diesen Friedens- Missionen einsetzt, sind bekannt.

Sind sie also etwa mit Kriegsverbrechen einverstanden, die Führer der arabischen Welt? Keineswegs. Aus dem verlinkten Artikel des Informations- Dienstes MENAFN:
The summit's final communiqué, which was read out by Arab League Secretary- General Amr Moussa, stressed the need to bring Israeli leaders to justice for alleged war crimes committed during Israel's 22-day offensive in the Gaza Strip.

In dem Abschlußkommuniqué, das vom Generalsekretär der Arabischen Liga, General Amr Moussa, verlesen wurde, wird die Notwendigkeit betont, Führer Israels wegen der Anschuldigung von Kriegsverbrechen, die während der 22tägigen Offensive im Gaza-Streifen begangen wurden, vor Gericht zu bringen.
Am schönsten, am Fantasia- haftesten aber ist die Sache mit den Komoren.

Deren Präsident Ahmed Abdullah Sambi war nämlich auch da. Und er drängte die versammelten Führer, sich gegen das zu stellen, was jetzt in Mayotte stattfindet.

Mayotte? Vermutlich haben Sie den Namen dieser Inselgruppe noch nie gehört; so wenig, wie ich bis gestern. Sie gehört geografisch zu den Komoren, hat es aber in zwei Abstimmungen 1974 und 1976 abgelehnt, sich dem Staat "Komoren" anzuschließen.

Seither hatte Mayotte einen speziellen Status, den einer collectivité départementale. Am Sonntag nun haben die Einwohner abgestimmt, ob sie ein normales franzöisches département werden wollen; also so französisch wie, sagen wir, die départements Moselle oder Var. 95,2 Prozent der Abstimmenden wollten das.

Wie reagierte der Präsident Ahmed Abdullah Sambi auf dieses ja immerhin recht eindeutige Votum?
Comoros President Ahmed Abdullah Sambi urged fellow Arab leaders to reject the vote by residents of the Indian Ocean island of Mayotte to become a part of France. (...) "The island of Mayotte is an occupied Arab territory and all measures by the occupation state are illegal," Sambi told the summit. He urged Arab leaders to voice "solidarity with the people of the island of Comoros in their legitimate, legal sovereign right to recover the island of Mayotte".

Der Präsident der Komoren, Ahmed Abdullah Sambi, drängte bei den anderen arabischen Führern darauf, das Votum der Einwohner der Insel Mayotte im Indischen Ozean zurückzuweisen, ein Teil Frankreichs zu werden. (...) "Die Insel Mayotte ist besetzes arabische Territorium, und alle Maßnahmen der Besatzungsmacht sind illegal", erklärte Sambi gegenüber dem Gipfel. Er forderte dringend von den arabischen Führern, "Solidarität mit den Menschen der Komoren zu üben, was ihr legitimes, legales Souveränitätsrecht angeht, die Insel Mayotte zurück zu gewinnen".



So viel zur arabischen Fantasia von der Wiedergewinnung einer Inselgruppe, deren Einwohner glücklich sind, endlich vollberechtigte Franzosen zu sein; jedenfalls das verbriefte Recht zu haben, daß sie das bis 2011 sein werden.

Ja, aber gibt es in der arabischen Welt denn nicht auch Staatsmänner, die sich wie Erwachsene benehmen und nicht wie Hadschi Halef Omar ben Hadschi Abul Abbas ibn Hadschi Dawud al Gossarah?

Vermutlich gibt es sie. Aber in einer Welt der Fantasia agieren sie im Hintergrund, oder sie passen sich rhetorisch an.

Vom ägyptischen Staatspräsidenten Mubarak ist in dem Bericht gar nicht die Rede, auch nicht von den Führern der Staaten des Maghreb oder vom jordanischen König.

Und vom "Custodian of the Two Holy Mosques King Abdullah", dem Wächter der beiden Heiligen Moscheen, König Abdullah von Saudi- Arabien, wird nur berichtet, daß er sich zu einem Gespräch mit dem Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani, und mit Oberst Gaddafi traf.

Thema des Gesprächs war laut der saudischen Nachrichtenargentur "the importance of clearing the Arab atmosphere and achieving Arab reconciliation"; die Bedeutung einer Reinigung der arabischen Atmosphäre und des Erreichens einer Versöhnung der Araber.

Auch so eine Fantasia, seit Jahrhunderten.



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