15. April 2009

Obama, der Große Einiger? Er spaltet die US-Nation wie kaum je ein Präsident. Rückblick auf das Chamäleonhafte an Obama

Der Kandidat Barack Obama hat im Wahlkampf eine erstaunliche, eine ganz außergewöhnliche Leistung vollbracht.

Als Senator war Obama einer der Linksaußen des Senats gewesen (Im Jahr 2007 war er sogar der in seinem Abstimmungs- Verhalten am weitesten links stehende aller Senatoren). Der Kandidat aber präsentierte sich als Mann der Mitte, als der Große Einiger der Nation.

Als Obama zum Präsidenten gewählt worden war, sagte er über seinen Sieg:
It's the answer spoken by young and old, rich and poor, Democrat and Republican, black, white, Hispanic, Asian, Native American, gay, straight, disabled and not disabled - Americans who sent a message to the world that we have never been just a collection of individuals or a collection of Red States and Blue States: we are, and always will be, the United States of America.

Er ist die Antwort, gegeben von Jung und Alt, Reich und Arm, Demokraten und Republikanern, Schwarzen, Weißen, Asiaten, amerikanischen Ureinwohnern, Homosexuellen, Heterosexuellen, Behinderten und nicht Behinderten - von Amerikanern, die der Welt die Botschaft sandten, daß wir nie nur einfach eine Ansammlung von Individuen waren, oder eine Ansammlung von roten [republikanischen] und blauen [demokratischen] Staaten: Wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika, und das werden wir immer sein.
Jetzt, da das Ende der ersten hundert Tage seiner Präsidentschaft herannaht, zeichnet sich ab, daß aus dem selbsternannten Großen Einiger der Große Spalter wird.

Oder anders gesagt: Das Chamäleon Obama hatte sich aus dem (nach amerikanischen Maßstäben) ganz links stehenden Senator in einen Kandidaten verwandelt, der sich in der Mitte positionierte; die Arme gleichermaßen nach beiden Seiten ausstreckend, um Stimmen in Empfang zu nehmen. Der Präsident ist jetzt im Begriff, sich in den Linken zurückzuverwandeln. Nicht als der Große Integrator stellt sich Obama jetzt dar, sondern als der Große Transformator, der die amerikanische Gesellschaft nach links rücken will.

Das spüren die Amerikaner. Mit dem Ergebnis, daß die einen ihm weiter begeistert zustimmen, daß die anderen ihn aber zunehmend vehement ablehnen. Vehementer, als die meisten seiner Vorgänger nach drei Monaten im Amt abgelehnt wurden.



Hier können Sie sich den Verlauf der Popularitäts- Daten für Präsident Obama seit seiner Amtseinführung ansehen. Es sind die Antworten auf die Standard- Frage, ob man mit der Amtsführung des Präsidenten einverstanden sei oder nicht.

Die obere Kurve zeigt die "Einverstanden"- Stimmen. Von ungefähr siebzig Prozent ist die Zahl der Einverstandenen in den drei Monaten leicht auf sechzig Prozent gesunken. Die untere, rote Kurve zeigt den Prozentsatz der nicht mit Obamas Amtsführung Einverstandenen. Er hat sich von zehn auf jetzt rund dreißig Prozent erhöht.

Das sind schlechte Werte für eine Zeit so kurz nach der Amtsübernahme; aber sie sind nicht alarmierend. Das wirklich Interessante ist die Verteilung auf Demokraten und Republikaner. Sie hat Anfang dieses Monats das Institut Pew Research analysiert; mit diesem Ergebnis:
For all of his hopes about bipartisanship, Barack Obama has the most polarized early job approval ratings of any president in the past four decades. The 61-point partisan gap in opinions about Obama's job performance is the result of a combination of high Democratic ratings for the president -- 88% job approval among Democrats -- and relatively low approval ratings among Republicans (27%).

Trotz aller seiner Hoffnung auf Unterstützung aus beiden Parteien hat Barack Obama die am meisten polarisierten Beurteilungen am Beginn seiner Amtszeit von allen Präsidenten in den vergangenen vier Jahrzehnten. Der Abstand von 61 Prozentpunkten je nach Parteipräferenz resultiert aus der Kombination hoher Zustimmungswerte für den Präsidenten aus dem demokratischen Lager - 88 Prozent mit der Amtsführung Einverstandene bei den Demokraten - und relativ niedrigen Zustimmungs- Werten bei den Republikanern (27 Prozent).
Die Washington Post hat das am vergangen Sonntag so kommentiert:
There's an old saying that politicians campaign in poetry and govern in prose. Perhaps a better way of putting it in this polarized era is that, while candidates campaign with idealism, presidents govern with realism. Obama, like his predecessors, is learning there is a tradeoff between passing a big, ambitious agenda and producing broad consensus across party lines.

Eine alte Redensart sagt, daß Politiker ihren Wahlkampf mit Poesie bestreiten und mit Prosa regieren. Vielleicht sollte man es in dieser Zeit der Polarisierung besser so formulieren, daß Kandidaten mit Idealismus Wahlkampf machen, Präsidenten aber mit Realismus regieren. Wie seine Vorgänger lernt Obama, daß man zwischen einer großen, anspruchsvollen Agenda und der Herbeiführung eines breiten, parteiübergreifenden Konsensus eine Abwägung vornehmen muß.
Schön gesagt. Sehr vornehm gesagt. Deutlicher hat es im Wall Street Journal vom 8. April Karl Rove ausgedrückt, einstiger Berater von Präsident Bush:
... no presidential hopeful in our lifetime has made bipartisanship more central to his candidacy and few presidents have devoted as many eloquent words to its importance. Yet no president in the past 40 years has done more to polarize America so much, so quickly. Mr. Obama has not come close to living up to his own standards. It took him less than 11 weeks to achieve the very opposite of what he promised. That, in its own regrettable way, is quite an achievement.

... kein Kandidat für die Präsidentschaft hat zu unseren Lebzeiten mehr das Parteiübergreifende ins Zentrum seiner Kandidatur gerückt, und wenige Präsidenten haben dessen Bedeutung so viele eloquente Worte gewidment. Aber dennoch hat kein Präsident in den letzten 40 Jahren mehr dafür getan, Amerika so stark, so schnell zu polarisieren. Obama hat sich seinen eigenen Standards auch nicht annäherend gewachsen gezeigt. Er braucht weniger als 11 Wochen, um das genaue Gegenteil dessen zu erreichen, was er versprochen hatte. Auf eine bedauerliche Art ist das ebenfalls eine Leistung.
In Deutschland freilich scheint Barack Obama noch nicht zu polarisieren. Man hat wohl noch nicht mitbekommen, daß das Chamäleon sich aus dem wahlkämpfenden "Idealisten" in den "Realisten", also den linken Parteipolitiker, zurückverwandelt hat.



Für Kommentare bitte hier klicken. Die Titelvignette zeigt das offizielle Foto von Präsident Obama. Es wurde wenige Stunden vor seinem Amtsantritt von Peter Souza aufgenommen und ist unter Creative Commons Attribution 3.0 Unported License freigegeben.