27. Juni 2007

Gedanken zu Frankreich (15): Welche Kultur! Was für eine nationale Würde!

Frankreich liegt in Vielem hinter Deutschland zurück.

Deutschland ist weniger bürokratisch, ungleich weniger klassenkämpferisch als Frankreich. Wir Deutsche haben uns inzwischen entschlossen, die Globalisierung als Herausforderung zu sehen und nicht als Heimsuchung.

Vielleicht schafft es Präsident Sarkozy, das auch den Franzosen nahezubringen; aber sie sind nun mal seit der Zeit des Merkantilismus mehr auf Schutz als auf Konkurrenz eingestimmt. Frankreich zu liberalisieren - das ist eine Herkules- Aufgabe.

Deutschland hat einen weit stärkeren, selbstbewußteren Mittelstand als Frankreich. "On se défend", das ist das Motto des französischen Mittelstands; man verteidigt sich. "Das wollen wir doch mal sehen" das des deutschen.

Kurz, wir Deutsche sind ungleich liberaler als Frankreich, also in fast allen Bereichen erfolgreicher. Wir sind amerikanisiert, das ist unsere Stärke.



Aber es gibt Bereiche, in denen wir hinter Frankreich zurück sind; wo wir Frankreich bewundern sollten.

Nun gut, die Küche, das savoir vivre. Klischees. Auch zweifelhaft. In Baden ißt man nicht schlechter als im Elsaß.

Aber in zwei Bereichen sind die Franzosen uns wirklich gewaltig überlegen: In der Kultiviertheit und in der nationalen Würde.



Ich war in Paris, als sich die Passation des Pouvoirs vollzog, die Übertragung der Gewalten von Chirac auf Sarkozy. Welche Würde, welche Feierlichkeit!

Und heute nun die Eröffnungssitzung des Parlaments. LCP hat sie übertragen.

Es gab einige Eigenheiten, die vielleicht auch die deutschen Parlamentarier übernehmen sollten. Zum Beispiel wurde die Wahlkommission zur Wahl des neuen Parlaments- Präsidenten vom Alterspräsidenten per Verlosung ermittelt; zum Beispiel wurde - das finde ich sehr hübsch - das Los gezogen, um zu entscheiden, bei welchem Buchstaben die namentliche Abstimmung beginnen würde.

Aber was mich beeindruckt hat - und was der Anlaß für diesen Beitrag ist -, das war die Rede des Alterspräsidenten Loic Bouvard. Ein Mann, der als Fünfzehnjähriger noch in der Résistance gekämpft hat, ein überzeugter Liberal- Konservativer, der seit Jahrzehnten in die Nationalversammlung gewählt wird.

In seiner Rede hat er natürlich große Franzosen zitiert - und ausführlich Robert Musil!

Kann man sich einen deutschen Alterspräsidenten vorstellen, der so gebildet ist, daß er, sagen wir Paul Valéry zitiert? Und der dabei voraussetzen kann, daß die Abgeordneten wissen, von wem er spricht?

Voilà la grandeur de la Grande Nation!

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