9. Juni 2007

Angela Merkel - die preußische Kanzlerin

Von den vier großen Kanzlern der Bundesrepublik Deutschland waren zwei - Konrad Adenauer und Helmut Kohl - Katholiken aus den Gegenden am Rhein. Die anderen beiden - Willy Brandt und Helmut Schmidt - waren Hanseaten; der eine ein Lübecker, der andere ein unverwechselbarer Hamburger.

Zufall, gewiß. Ebenso, wie es Zufall ist, daß die beiden Unbedeutenderen unter den Kanzlern - Ludwig Erhard und Kurt- Georg Kiesinger - aus dem Südwesten kamen.

Und daß der einzige, der zu keinem Zeitpunkt den Anforderungen des Amts gerecht wurde - Gerhard Schröder -, ein Westfale oder Niedersachse war.

Aber wenn es auch Zufall gewesen sein mag - die Art, wie diese Kanzler ihr Amt führten, wurde wohl schon von ihrer Herkunft geprägt. Jedenfalls bei den Bedeutenden.



Die Kanzlerin Merkel nun ist eine Preußin. Und sie ist das so eindeutig, so überzeugend, so sehr von ihrer Herkunft geprägt, wie Brandt und Schmidt kühl- korrekte Hanseaten waren, wie Adenauer und Kohl rheinische Schlitzohren waren, die lebten und leben ließen.

Mit Angela Merkel ist das Preußentum - endlich - in die deutsche Politik zurückgekehrt.

Das Preußentum, dem wir so viel zu verdanken haben. Preußen war im 18. Jahrhundert der einzige deutsche Staat, in dem die Aufklärung wirklich Fuß gefaßt hatte. Es war immer ein Hort der Freiheit, des Anstands, des Fortschritts.

Und der Nüchternheit, der Pflichterfüllung, der Schnörkellosigkeit.

Theodor Fontane hat diesen Charakter Preußens wunderbar beschrieben. Von "Vor dem Sturm", das das Preußen vor den Freiheitskriegen in einem breiten Panorama schildert, bis zum "Stechlin", das dem Preußen der Zeit Fontanes ein unvergeßliches Denkmal setzt.

Von seinem ersten bis zu seinem letzten Roman war Preußen das Thema Fontanes - des Nachfahren von Hugenotten, des Apothekers, der nicht zur preußischen Oberschicht gehörte, wie beispielswiese Kleist. Der sie aber umso mehr schätzte und - aus Zuneigung - kritisierte.



Ich gebe zu, daß ich diese Kanzlerin sehr schätze, daß ich sie folglich vielleicht zu positiv sehe. Ich schätze ihre Intelligenz, ihre gedankliche Klarheit, ihren Realitätssinn, ihren preußischen Fleiß, ihre preußische Geradelinigkeit.

Sie ist das Gegenteil dessen, was die meisten Menschen an "den Politikern" kritisieren.

Gewiß wäre es ein wenig übereilt, sie schon jetzt in einem Atemzug mit Bismarck zu nennen - aber viele seiner Eigenschaften hat sie. Diese Mischung aus Zielgerichtetheit, Fairness, politischem Geschick.

In der Außenpolitik den Sinn für Gleichgewicht, für Interessenausgleich; diese Bereitschaft, als ehrlicher Makler zu wirken.