(Sidney H. Sime: "I Wish I Knew More About the Way of Queens")
Für Shard, den Piratenkapitän, war die Lage allmählich zu brenzlich geworden, auf allen Weltmeeren, die er befahren hatte. Die Häfen Spaniens blieben ihm verschlossen; in San Domingo war er kein Unbekannter mehr; in Syrakus nickten sich die Leute wissend zu, wenn sie seiner ansichtig wurden; die Könige beider Sizilien versagten sich das Lächeln, wenn ihre Rede auf ihn kam, und in allen Hauptstädten war ein hoher Preis auf seinen Kopf ausgesetzt worden mit seinem Konterfei auf den Steckbriefen - und keines dieser Porträts war schmeichelhaft. Und so war Käpt'n Shard zu dem Entschluß gekommen, daß es an der Zeit war, seinen Männern sein Geheimnis zu verraten.
Er rief sie zusammen, als sie eines Nachts vor Teneriffa auf Reede lagen. Er gab freimütig zu, daß es so einige Dinge gab, die der Erklärung bedurften: die Kronen, die die Prinzen von Aragon an ihre Neffen, die Könige beider Amerikas, gesandt hatten, hatten, hatten dero durchlauchtige Majstäten nie erreicht. Was war mit Kapitän Stobbuds Augen geschehen? Wer hatte die Küstenstädte Patagoniens gebrandschatzt? Warum hatte ein Schiff wie das ihre Perlen als Fracht geladen? Warum war das Deck so häufig rutschig vor Blut, und wofür brauchte man so viele Kanonen? Wo waren die Nancy, die Lärche und die Margaret Bell geblieben? Solche Fragen, gab er zu, könnten dem einen oder anderen Neugierigen durchaus in den Sinn kommen, und falls solche Leute mit den Gebräuchen des See unvertraut wären, könnten sich daraus knifflige rechtliche Fragen ergeben. Und Bloody Bill (wie Mr. Gagg von einigen Unverfrorenen genannt wurde) blickte zum Himmel empor und bemerkte, daß es eine stürmische Nacht war und das Wetter ganz dazu geeignet war, ein paar solcher Kandidaten an der nächsten Rah zu hängen. Und einige der Anwesenden rieben sich nachdenklich den Nacken, während Käpt'n Shard ihnen seinen Plan darlegte. Er erklärte, daß die Zeit gekommen wäre, um die Verzweifelte Lärche aufzugeben; sie war den Kriegsmarinen von vier Königreichen allzugut bekannt, und eine fünfte war gerade dabei, sie auf ihre Liste zu setzen, und es würde nicht dabei bleiben. (In Wahrheit gab es noch mehr Kapitäne, die nach ihrer hübschen schwarzen Flagge mit dem schmucken Totenschädel und den gekreuzten gelben Knochen Ausschau hielten.) Er kannte einen kleinen Archipel, auf der anderen Seite des Sargassomeers; es mochten an die dreißig Inseln sein, die üblichen, unbewohnten Eilande; aber eine davon war eine schwimmende Insel. Er war vor vielen Jahren dort vorbeigekommen und war an Land gegangen, aber er hatte nie einer Seele davon erzählt, aber er hatte die Insel mit seiner Ankerkette am Meeresboden verankert und die Sache als sein größtes Geheimnis für sich behalten. Er hatte beschlossen, sich dort zur Ruhe zu setzen, wenn es ihm nicht mehr möglich war, sein Leben auf ehrliche Seeräuberweise zu fristen, nachdem er sich ein Weib genommen hatte. Als er auf die Insel stieß, trieb sie langsam vor dem Wind, der durch die Baumkronen blies; aber wenn die Ankerkette nicht durchgerostet war, sollte sich noch dort liegen, und sie würden sich ein Steuerruder zimmern und Kabinen im Inselboden ausheben und des Nachts Segel zwischen den Bäumen hissen und Kurs setzen, wohin immer es ihnen beliebte.
Und die Piraten stimmten begeistert zu, denn ihnen stand ganz der Sinn danach, wieder Fuß auf festen Boden zu setzen, und vorzugsweise auf Boden, bei dem keine Gefahr drohte, daß ihnen den Henker ihn nicht im Handumdrehen unter den Füßen wegziehen würde; sie waren allesamt furchtlose Männer, aber es war trotzdem nicht gut für die Nerven, wenn so viele Schifflaternen im Dunkel Kurs auf sie hielten. Sogar in diesem Moment...! Aber das Schiff änderte den Kurs und verschwand wieder im Nebel.
Käpt'n Shard erklärte ihnen, daß sie zunächst genügend Vorräte erbeuten müßten - und was ihn anging, so hatte er sich vorgenommen, zu heiraten, bevor er das Piratenleben aufgab. Es war sein Plan, einen letzten Kampf auszufechten, bevor sie ihr Schiff aufgaben und die Küstenstadt Bombasharna zu plündern und Schätze und Vorräte zu rauben, die für einige Jahre ausreichen sollten. Er würde die Königin des Südens entführen und sie zur Frau nehmen. Und wieder brachen die Piraten in Jubel aus, denn sie waren oft an Bombasharna vorübergesegelt und hatten seinen Reichtum mit neidischen Augen gesehen.
Und so setzten sie die Segel, wechselten oft den Kurs, wichen den verdächtigen Lichtern ferner Schiffe aus, bis der Morgen anbrach und segelten den ganzen Tag hindurch nach Süden. Am Abend tauchten die silbernen Türme Bombasharnas, des Stolz des Südens, über der Kimmung auf. Und selbst aus dieser Ferne konnten sie den Palast der Königin des Südens ausmachen, mit seinen zahllosen Fenstern, die auf die See hinausgingen und die hell glänzten, weil die letzten Strahlen des Sonnenuntergangs die Scheiben aufblitzen ließen, und weil die Dienstmädchen von Saal zu Saal gingen und die Kerzen anzündeten, und der Palast aus der Ferne wie eine Perle wirkte, die noch glänzend und feucht vom Meer in ihrer Perlmuttschale ruht.
So lag er an diesem Abend vor Käpt'n Shard und seinen Leuten, fern über dem Wasser, und sie dachten an die Gerüchte, die besagten, daß Bombasharna die schönste von allen Städten war, die an den Küsten der Weltmeere zu finden waren, und daß dieser Palast die Stadt an Prunk und Glanz noch übertraf. Aber für die Königin des Südens kannten diese Gerüchte keinen Vergleich. Dann brach die Nacht an und verbarg die silbernen Türme, und Shard fuhr vorsichtig weiter, bis das Piratenschiff um Mitternacht dicht unter den Bastionen lag, die zum Meer hinausgehen.
Und zu der Stunde, in der Kranke den Geist aufgeben, und die Wachen auf ihren Rundgängen ihre Waffen mit einem festeren Griff packen, genau eine halbe Stunde vor der ersten Dämmerung, landete Shard mit zwei Ruderbooten, die mit umwickelten Rudern gepullt wurden und seiner halben Mannschaft unterhalb der Stadtmauer. Sie waren durchs Palasttor gestürmt, bevor der Alarm erklang, und bei der ersten Fanfare eröffneten Shards Kanoniere an Bord das Kanonenfeuer auf die Stadt, und noch bevor die überraschte und schlaftrunkene Wache begriffen hatte, ob die Gefahr nun von Land oder See aus drohte, hatte Shard die Königin des Südens bereits in seine Gewalt gebracht. Sie hätten den ganzen Tag hindurch die silberne Küstenstadt geplündert, aber der Tagesanbruch enthüllte verdächtige Segel am Horizont. Deshalb zogen sich der Käpt'n und seine Königin sofort zum Strand zurück und machten sich in Eile auf und segelten mit dem, was sie an Beute zusammengerafft hatten, davon, und mit weniger Männern, als sie gelandet waren, denn sie hatten sich den Rückweg schwer erkämpfen müssen. Den ganzen Tag über verfluchten sie die Schiffe, die hinter ihnen beständig näherkamen. Zuerst waren es sechs von ihnen, und in der kommenden Nacht gelang es ihnen, sie bis auf zwei abzuhängen, aber diese beiden blieben auf ihrer Spur, und jedes hatte mehr Kanonen an Bord als die Verzweifelte Lärche. In der folgenden Nacht steuerte Shard einen Zickzackkurs, und die beiden Schiffe trennten sich; nur eines blieb in Sichtweite, und verfolgte ihn weiter, als am nächsten Morgen die Inselgruppe in Sicht kam, die Shards großes Geheimnis darstellte.
Shard sah ein, daß es zum Kampf kommen mußte, und er verlief nicht gut für sie, und dennoch war dies Shard nicht unrecht, denn Shard hatte mehr Männer bei sich, als er auf seiner Insel benötigte. Und sie entschieden den Kampf für sich, ehe ein weiteres Segel über dem Horizont auftauchte und Shard versenkte alle Trümmer und alle Spuren, die ihn belasten konnten. Und in der folgenden Nacht erreichten sie die Inseln in der Nähe des Sargassomeers.
Lange vor dem ersten Tageslicht hielten die Überlebenden Ausschau übers Meer, und als es hell wurde, lag die Insel vor ihnen, nicht größer als zwei Schiffe zusammen, und zerrte an ihrer Ankerkette, während der Wind durch die Baumkronen pfiff.
Sie landeten und hoben Kabinen im Boden aus und winschten den Anker aus der Tiefe des Meeres und hatten ihre Insel bald seeklar gemacht. Die Verzweifelte Lärche aber ließen sie unbemannt unter vollen Segeln aufs Meer hinaus laufen, auf dem Schiffe aus mehr Nationen und Königreichen auf sie warteten, als Sharp ahnte und wo sie alsbald von einem spanischen Admiral aufgebracht wurde, der keinen aus jener berüchtigten Mannschaft an Bord fand, den er an der nächsten Rah hängen konnte, und dem dies den Rest seines Lebens vergällte.
Shard kredenzte der Königin des Südens die herrlichsten alten Weine der Provence, und schenkte ihr als Schmuck indische Edelsteine und Juwelen, die aus Galeonen geraubt worden waren, die mit ihrer Schatzfracht auf dem Weg nach Madrid unterwegs waren, und ließ einen Tisch für sie decken, damit sie im Sonnenschein speisen konnte und ließ ihr in der Kabine Ständchen vom dem am wenigsten heiseren unter seinen Matrosen darbringen. Trotzdem blieb sie schlechter Laune und war ihm nicht zugetan, und spät am Abend konnten seine Leute oft hören, wie er vor sich hin brummte, daß er gern wüßte, was Königinnen wertschätzen. So lebten sie Jahr um Jahr, die Piraten zechten und spielten in der Kabine, Käpt'n Shard versuchte die Königin des Südens aufzuheitern, und sie ihrerseits konnte Bombasharna niemals ganz vergessen. Wenn ihre Vorräte zur Neige gingen, hißten sie Segel an den Bäumen, und solange kein Schiff in Sicht kam, fuhren sie hart am Wind und die Wellen brachen sich am Strand der Insel; aber sobald sie ein Schiff sichteten, wurden die Segel eingeholt und die Insel war nur noch eine Schäre, die auf keiner Seekarte verzeichnet war.
Zumeist segelten sie bei Nacht, manchmal ankerten sie vor Küstenstädten, mitunter fuhren sie Flußmündungen hinauf und machten sogar am Festland fest, wo sie die umliegenden Städte plünderten und wieder auf See hinaus flüchteten. Und wenn ein Schiff des Nachts Schiffbruch an ihrer Insel erlitt, dann war es ihnen nur recht. Ihre Fertigkeiten im Navigieren und in der Kunst, sich zu verbergen, war beispiellos, denn ihnen war klar, daß jede Nachricht davon, was aus der Mannschaft der Verzweifelten Lärche geworden war, die Häscher und Henker sofort in jeden Hafen locken würde.
Soweit uns bekannt ist, hat sie nie jemand entdeckt oder ihre Insel für sich in Besitz genommen, aber es entstand ein Gerücht, das von Hafen zu Hafen ging und sich bis zum heutigen Tag hartnäckig hält, über eine gefährliche Insel, die sich auf keiner Karte findet, irgendwo zwischen Plymouth und Kap Hoorn, die plötzlich selbst auf den sichersten Fahrtrouten auftaucht und an der viele Schiffe gescheitert sind, ohne daß sich je eine Spur von ihrem Untergang findet. Zu Beginn zerbrachen sich einige Leute darüber ein wenig den Kopf, bis ein erfahrener Seemann befand: "Das ist eben eines jener unergründlichen Geheimnisse der See," und damit der Diskussion ein Ende setzte.
Und Käpt'n Shard und die Königin des Südens lebten beinahe glücklich bis auf den heutigen Tag. Nur dann und wann konnten die, die nachts hoch oben in den Bäumen Wache hielten, ihn am Strand sitzen sehen und hören, wie er unglücklich vor sich hin brummte: "Ich wollte, ich wüßte, was Königinnen glücklich macht."
(Sidney H. Sime: "I Wish I Knew More About the Way of Queens")
Für Shard, den Piratenkapitän, war die Lage allmählich zu brenzlich geworden, auf allen Weltmeeren, die er befahren hatte. Die Häfen Spaniens blieben ihm verschlossen; in San Domingo war er kein Unbekannter mehr; in Syrakus nickten sich die Leute wissend zu, wenn sie seiner ansichtig wurden; die Könige beider Sizilien versagten sich das Lächeln, wenn ihre Rede auf ihn kam, und in allen Hauptstädten war ein hoher Preis auf seinen Kopf ausgesetzt worden mit seinem Konterfei auf den Steckbriefen - und keines dieser Porträts war schmeichelhaft. Und so war Käpt'n Shard zu dem Entschluß gekommen, daß es an der Zeit war, seinen Männern sein Geheimnis zu verraten.
Er rief sie zusammen, als sie eines Nachts vor Teneriffa auf Reede lagen. Er gab freimütig zu, daß es so einige Dinge gab, die der Erklärung bedurften: die Kronen, die die Prinzen von Aragon an ihre Neffen, die Könige beider Amerikas, gesandt hatten, hatten, hatten dero durchlauchtige Majstäten nie erreicht. Was war mit Kapitän Stobbuds Augen geschehen? Wer hatte die Küstenstädte Patagoniens gebrandschatzt? Warum hatte ein Schiff wie das ihre Perlen als Fracht geladen? Warum war das Deck so häufig rutschig vor Blut, und wofür brauchte man so viele Kanonen? Wo waren die Nancy, die Lärche und die Margaret Bell geblieben? Solche Fragen, gab er zu, könnten dem einen oder anderen Neugierigen durchaus in den Sinn kommen, und falls solche Leute mit den Gebräuchen des See unvertraut wären, könnten sich daraus knifflige rechtliche Fragen ergeben. Und Bloody Bill (wie Mr. Gagg von einigen Unverfrorenen genannt wurde) blickte zum Himmel empor und bemerkte, daß es eine stürmische Nacht war und das Wetter ganz dazu geeignet war, ein paar solcher Kandidaten an der nächsten Rah zu hängen. Und einige der Anwesenden rieben sich nachdenklich den Nacken, während Käpt'n Shard ihnen seinen Plan darlegte. Er erklärte, daß die Zeit gekommen wäre, um die Verzweifelte Lärche aufzugeben; sie war den Kriegsmarinen von vier Königreichen allzugut bekannt, und eine fünfte war gerade dabei, sie auf ihre Liste zu setzen, und es würde nicht dabei bleiben. (In Wahrheit gab es noch mehr Kapitäne, die nach ihrer hübschen schwarzen Flagge mit dem schmucken Totenschädel und den gekreuzten gelben Knochen Ausschau hielten.) Er kannte einen kleinen Archipel, auf der anderen Seite des Sargassomeers; es mochten an die dreißig Inseln sein, die üblichen, unbewohnten Eilande; aber eine davon war eine schwimmende Insel. Er war vor vielen Jahren dort vorbeigekommen und war an Land gegangen, aber er hatte nie einer Seele davon erzählt, aber er hatte die Insel mit seiner Ankerkette am Meeresboden verankert und die Sache als sein größtes Geheimnis für sich behalten. Er hatte beschlossen, sich dort zur Ruhe zu setzen, wenn es ihm nicht mehr möglich war, sein Leben auf ehrliche Seeräuberweise zu fristen, nachdem er sich ein Weib genommen hatte. Als er auf die Insel stieß, trieb sie langsam vor dem Wind, der durch die Baumkronen blies; aber wenn die Ankerkette nicht durchgerostet war, sollte sich noch dort liegen, und sie würden sich ein Steuerruder zimmern und Kabinen im Inselboden ausheben und des Nachts Segel zwischen den Bäumen hissen und Kurs setzen, wohin immer es ihnen beliebte.
Und die Piraten stimmten begeistert zu, denn ihnen stand ganz der Sinn danach, wieder Fuß auf festen Boden zu setzen, und vorzugsweise auf Boden, bei dem keine Gefahr drohte, daß ihnen den Henker ihn nicht im Handumdrehen unter den Füßen wegziehen würde; sie waren allesamt furchtlose Männer, aber es war trotzdem nicht gut für die Nerven, wenn so viele Schifflaternen im Dunkel Kurs auf sie hielten. Sogar in diesem Moment...! Aber das Schiff änderte den Kurs und verschwand wieder im Nebel.
Käpt'n Shard erklärte ihnen, daß sie zunächst genügend Vorräte erbeuten müßten - und was ihn anging, so hatte er sich vorgenommen, zu heiraten, bevor er das Piratenleben aufgab. Es war sein Plan, einen letzten Kampf auszufechten, bevor sie ihr Schiff aufgaben und die Küstenstadt Bombasharna zu plündern und Schätze und Vorräte zu rauben, die für einige Jahre ausreichen sollten. Er würde die Königin des Südens entführen und sie zur Frau nehmen. Und wieder brachen die Piraten in Jubel aus, denn sie waren oft an Bombasharna vorübergesegelt und hatten seinen Reichtum mit neidischen Augen gesehen.
Und so setzten sie die Segel, wechselten oft den Kurs, wichen den verdächtigen Lichtern ferner Schiffe aus, bis der Morgen anbrach und segelten den ganzen Tag hindurch nach Süden. Am Abend tauchten die silbernen Türme Bombasharnas, des Stolz des Südens, über der Kimmung auf. Und selbst aus dieser Ferne konnten sie den Palast der Königin des Südens ausmachen, mit seinen zahllosen Fenstern, die auf die See hinausgingen und die hell glänzten, weil die letzten Strahlen des Sonnenuntergangs die Scheiben aufblitzen ließen, und weil die Dienstmädchen von Saal zu Saal gingen und die Kerzen anzündeten, und der Palast aus der Ferne wie eine Perle wirkte, die noch glänzend und feucht vom Meer in ihrer Perlmuttschale ruht.
So lag er an diesem Abend vor Käpt'n Shard und seinen Leuten, fern über dem Wasser, und sie dachten an die Gerüchte, die besagten, daß Bombasharna die schönste von allen Städten war, die an den Küsten der Weltmeere zu finden waren, und daß dieser Palast die Stadt an Prunk und Glanz noch übertraf. Aber für die Königin des Südens kannten diese Gerüchte keinen Vergleich. Dann brach die Nacht an und verbarg die silbernen Türme, und Shard fuhr vorsichtig weiter, bis das Piratenschiff um Mitternacht dicht unter den Bastionen lag, die zum Meer hinausgehen.
Und zu der Stunde, in der Kranke den Geist aufgeben, und die Wachen auf ihren Rundgängen ihre Waffen mit einem festeren Griff packen, genau eine halbe Stunde vor der ersten Dämmerung, landete Shard mit zwei Ruderbooten, die mit umwickelten Rudern gepullt wurden und seiner halben Mannschaft unterhalb der Stadtmauer. Sie waren durchs Palasttor gestürmt, bevor der Alarm erklang, und bei der ersten Fanfare eröffneten Shards Kanoniere an Bord das Kanonenfeuer auf die Stadt, und noch bevor die überraschte und schlaftrunkene Wache begriffen hatte, ob die Gefahr nun von Land oder See aus drohte, hatte Shard die Königin des Südens bereits in seine Gewalt gebracht. Sie hätten den ganzen Tag hindurch die silberne Küstenstadt geplündert, aber der Tagesanbruch enthüllte verdächtige Segel am Horizont. Deshalb zogen sich der Käpt'n und seine Königin sofort zum Strand zurück und machten sich in Eile auf und segelten mit dem, was sie an Beute zusammengerafft hatten, davon, und mit weniger Männern, als sie gelandet waren, denn sie hatten sich den Rückweg schwer erkämpfen müssen. Den ganzen Tag über verfluchten sie die Schiffe, die hinter ihnen beständig näherkamen. Zuerst waren es sechs von ihnen, und in der kommenden Nacht gelang es ihnen, sie bis auf zwei abzuhängen, aber diese beiden blieben auf ihrer Spur, und jedes hatte mehr Kanonen an Bord als die Verzweifelte Lärche. In der folgenden Nacht steuerte Shard einen Zickzackkurs, und die beiden Schiffe trennten sich; nur eines blieb in Sichtweite, und verfolgte ihn weiter, als am nächsten Morgen die Inselgruppe in Sicht kam, die Shards großes Geheimnis darstellte.
Shard sah ein, daß es zum Kampf kommen mußte, und er verlief nicht gut für sie, und dennoch war dies Shard nicht unrecht, denn Shard hatte mehr Männer bei sich, als er auf seiner Insel benötigte. Und sie entschieden den Kampf für sich, ehe ein weiteres Segel über dem Horizont auftauchte und Shard versenkte alle Trümmer und alle Spuren, die ihn belasten konnten. Und in der folgenden Nacht erreichten sie die Inseln in der Nähe des Sargassomeers.
Lange vor dem ersten Tageslicht hielten die Überlebenden Ausschau übers Meer, und als es hell wurde, lag die Insel vor ihnen, nicht größer als zwei Schiffe zusammen, und zerrte an ihrer Ankerkette, während der Wind durch die Baumkronen pfiff.
Sie landeten und hoben Kabinen im Boden aus und winschten den Anker aus der Tiefe des Meeres und hatten ihre Insel bald seeklar gemacht. Die Verzweifelte Lärche aber ließen sie unbemannt unter vollen Segeln aufs Meer hinaus laufen, auf dem Schiffe aus mehr Nationen und Königreichen auf sie warteten, als Sharp ahnte und wo sie alsbald von einem spanischen Admiral aufgebracht wurde, der keinen aus jener berüchtigten Mannschaft an Bord fand, den er an der nächsten Rah hängen konnte, und dem dies den Rest seines Lebens vergällte.
Shard kredenzte der Königin des Südens die herrlichsten alten Weine der Provence, und schenkte ihr als Schmuck indische Edelsteine und Juwelen, die aus Galeonen geraubt worden waren, die mit ihrer Schatzfracht auf dem Weg nach Madrid unterwegs waren, und ließ einen Tisch für sie decken, damit sie im Sonnenschein speisen konnte und ließ ihr in der Kabine Ständchen vom dem am wenigsten heiseren unter seinen Matrosen darbringen. Trotzdem blieb sie schlechter Laune und war ihm nicht zugetan, und spät am Abend konnten seine Leute oft hören, wie er vor sich hin brummte, daß er gern wüßte, was Königinnen wertschätzen. So lebten sie Jahr um Jahr, die Piraten zechten und spielten in der Kabine, Käpt'n Shard versuchte die Königin des Südens aufzuheitern, und sie ihrerseits konnte Bombasharna niemals ganz vergessen. Wenn ihre Vorräte zur Neige gingen, hißten sie Segel an den Bäumen, und solange kein Schiff in Sicht kam, fuhren sie hart am Wind und die Wellen brachen sich am Strand der Insel; aber sobald sie ein Schiff sichteten, wurden die Segel eingeholt und die Insel war nur noch eine Schäre, die auf keiner Seekarte verzeichnet war.
Zumeist segelten sie bei Nacht, manchmal ankerten sie vor Küstenstädten, mitunter fuhren sie Flußmündungen hinauf und machten sogar am Festland fest, wo sie die umliegenden Städte plünderten und wieder auf See hinaus flüchteten. Und wenn ein Schiff des Nachts Schiffbruch an ihrer Insel erlitt, dann war es ihnen nur recht. Ihre Fertigkeiten im Navigieren und in der Kunst, sich zu verbergen, war beispiellos, denn ihnen war klar, daß jede Nachricht davon, was aus der Mannschaft der Verzweifelten Lärche geworden war, die Häscher und Henker sofort in jeden Hafen locken würde.
Soweit uns bekannt ist, hat sie nie jemand entdeckt oder ihre Insel für sich in Besitz genommen, aber es entstand ein Gerücht, das von Hafen zu Hafen ging und sich bis zum heutigen Tag hartnäckig hält, über eine gefährliche Insel, die sich auf keiner Karte findet, irgendwo zwischen Plymouth und Kap Hoorn, die plötzlich selbst auf den sichersten Fahrtrouten auftaucht und an der viele Schiffe gescheitert sind, ohne daß sich je eine Spur von ihrem Untergang findet. Zu Beginn zerbrachen sich einige Leute darüber ein wenig den Kopf, bis ein erfahrener Seemann befand: "Das ist eben eines jener unergründlichen Geheimnisse der See," und damit der Diskussion ein Ende setzte.
Und Käpt'n Shard und die Königin des Südens lebten beinahe glücklich bis auf den heutigen Tag. Nur dann und wann konnten die, die nachts hoch oben in den Bäumen Wache hielten, ihn am Strand sitzen sehen und hören, wie er unglücklich vor sich hin brummte: "Ich wollte, ich wüßte, was Königinnen glücklich macht."
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"The Loot of Bombarsharna" erschien zuerst in The Sketch in der Ausgabe vom 28. Dezember 1910 und in Buchform im November 1912 in The Book of Wonder bei William Heinemann in London. Die bislang einzige Übertragung ins Deutsche (als "Die geraubte Insel") findet sich in der ersten Übersetzung von Dunsany-Texten überhaupt, die von Emmerich Reeck besorgt wurde und 1924 beim Verlag Rütten & Loening in Frankfurt am Main unter dem Titel Die Seele am Galgen erschienen ist.
U.E.
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