In der alten Taverne am Hafen, in der Matrosen Gesellschaft finden, wurde es langsam dunkel. Ich hatte die Kneipe seit einigen Tagen aufgesucht, in der Hoffnung, von den Seeleuten, die da über ihren Wienen aus fernen Ländern saßen, Näheres über ein Gerücht zu erfahren, das ich aufgeschnappt hatte und das besagte, daß irgendwo in den Weiten der Südsee noch eine alte, aufgegebene Flotte spanischer Schatzgaleonen gesichtet worden sein sollte.
Auch an jenem Abend erfuhr ich darüber nichts Neues. Die Stimmung war gedämpft, die Matrosen redeten nicht viel, und ich wollte gerade gehen, als ein Seemann, der Ohrringe aus purem Gold trug, den Kopf hob, seinen Blick auf die Wand vor sich richtete und anfing, mit lauter Stimme seine Geschichte zu erzählen:
(Während er sprach, brach draußen ein Platzregen los und schlug prasselnd gegen die Butzenscheiben. Seine Stimme übertönte den Lärm mühelos. Je dunkler es wurde, desto klarer funkelten seine Augen.)
"Wir waren auf einem Schiff, das noch auf die alte Art getakelt war, und wir liefen seltsame Inseln an. Keiner von uns hatte je zuvor solche Inseln gesehen.
"Jeder von uns haßte den Kapitän, und er seinerseits haßte jeden von uns. Man muß es ihm lassen: da war er gerecht. Er verabscheute uns alle in gleichem Maß. Und er redete kein einziges Wort mit uns, außer wenn es abends dunkel wurde - dann ging er manchmal an Deck auf und ab und sprach zu denen, die er tagsüber an der Rah hatte hängen lassen.
"Uns war schon nach Meuterei zumute, aber der Kapitän war der einzige an Bord, der Pistolen hatte. Eine bewahrte er unter dem Kopfkissen auf und die andere hette er immer in Reichweite. Die Inseln, die wir anliefen, machten einen finsteren Eindruck. Sie waren klein und eben, als wenn sie gerade erst auf dem Meer aufgetaucht wären, und hatten keinen Sandstrand oder Felsufer wie anständige Inseln; das Gras ging direkt bis zum Wasser runter. Und etwas weiter landeinwärts standen Katen, deren Anblick uns durchaus nicht gefiel. Sie hatten Schilfdächer, die fast bis auf den Boden reichten, und an den Ecken merkwürdig nach oben gebogen waren, und in den niedrigen Wänden darunter saßen winzige Fenster mit dicken dunklen Scheiben, durch die man nichts erkennen konnte. Niemand war zu sehen, weder Mensch noch Tier, wir wußten also nicht, was hier für Leute lebten. Aber der Kapitän wußte es. Er ging an Land und verschwand in einer der Hütten, und drinnen wurde eine Lampe angezündet und das Ganze sah ziemlich finster aus.
(Sidney H. Sime: "Little cottages ... whose looks we did not like.")
"Als er zurück an Bord kam, war es schon stockfinster, und er wünschte den Männern, die an der Rah baumelten, fröhlich gute Nacht und schaute uns in einer Art und Weise an, die den armen alten Bill das Fürchten lehrte.
"Am nächsten Tag wurde uns klar, daß er den Trick gelernt hatte, wie er uns verfluchen konnte. Er fand ein paar von uns in der Hängematte vor, einer davon war der arme alte Bill, und er zeigte mit dem Finger auf uns und verwünschte uns, daß unsere Seelen die ganze Nacht über oben auf der Mastspitze hocken sollten. Und im Handumdrehen hockte die Seele vom armen alten Bill da oben auf dem Mast und mußte die Sterne angucken und fror Stein und Bein.
"Danach war uns so richtig nach Meuterei, aber der Kapitän kam uns auf die Schliche und zeigten wieder mit dem Finger auf uns, und diesmal mußten die Seelen des armen alten Bills und der übrigen Mannschaft hinter dem Schiff her durchs kalte Wasser schwimmen, obwohl sie selbst noch auf dem Deck liegen blieben.
"Der Schiffsjunge entdeckte schließlich, daß der Kapitän uns nicht verwünschen konnte, wenn er betrunken war. Schießen konnte er freilich noch so gut wie immer.
"Danach war es nur noch eine Frage der Zeit, und daß sich zwei von uns aufopfern mußten, wenn es soweit war. Ein paar von uns waren Halsabschneider und wollten den Kapitän umbringen, aber der arme alte Bill meinte, wir sollten uns eine einsame Insel suchen, weit weg von allen Schiffsrouten, und ihn dort mit Vorräten für ein Jahr lassen. Wir hörten uns das an, und entschieden uns dafür, den Kapitän auszusetzen, sobald wir ihn erwischt hatten.
"Es dauerte drei Tage, bis der Kapitän wieder betrunken war, und den armen alten Bill und die adneren kam es hart an, denn der Kapitän dachte sich jeden Tag neue Teufeleien aus, und immer, wenn er mit seinem Finger auf uns zeigte, mußten unsere Seelen losziehen. Die Fische lernten uns kennen, und die Sterne, und beiden waren es egal, ob wir oben auf dem Mast froren oder durch Wälder von Seetang tauchen mußten - sowohl die Sterne wie die Fische gingen einfach weiter ihren Geschäften nach. An einem Abend, es war nach Sonnenuntergang, und der Mond zeigte sich immer heller am Himmel, legten wir für einen Moment eine Pause ein, weil der Kapitän nicht mehr auf uns achtete und sich statt dessen die Farben am Himmel ansah, und er drehte sich plötzlich um und schickte unsere Seelen zum Mond. Da oben herrschte eisige Nacht, und es gab fürchterliche Berge, die Schatten warfen, und es war still wie im Grab, und die Erde stand am Himmel wie die Klinge einer Sichel. Wir wurden ganz heimwehkrank nach ihr, aber keiner von uns konnte einen Laut von sich geben. Als wir zurückkamen, war es tiefste Nacht, und am nächsten Tag zeigten wir dem Kapitän gegenüber mächtig Respekt. Wir hatten alle Angst, daß er uns zur Hölle wünschen könnte, und niemand wagte das Wort in den Mund zu nehmen, um ihn nicht auf dumme Gedanken zu bringen. Am dritten Abend kam der Schiffsjunge zu uns und berichtete, daß der Kapitän betrunken war. Wir machten uns alle auf den Weg zu seiner Kajüte, und fanden ihn in seiner Koje liegen, und er schoß so gut wie immer. Aber er hatte nur zwei Pistolen, und er hätte nur zwei von uns umgelegt, wenn er nicht noch Joe mit dem Pistolengriff den Schädel eingeschlagen hätte. Wir fesselten ihn, und der arme alte Bill zwängte ihm die Rumbuddel zwischen die Zähne und sorgte dafür, daß er drei Tage lang sturzbetrunken war und uns nicht verfluchen konnte, bis wir ein passendes Plätzchen für ihn gefunden hatten. Und noch vor Sonnenuntergang am zweiten Tag fanden wir eine nette, völlig unbewachsene Insel, weit weg von allen Schiffsrouten, gute hundert Schritt lang und achtzig breit, und wir ruderten ihn mit dem Boot hin und ließen ihm Proviant für ein Jahr da, soviel, wir wir für uns auch an Bord hatten, weil der arme alte Bill fair sein wollte. Als wir absegelten, saß er bequem an einen Felsbrocken gelehnt und sang ein Seemannslied vor sich hin.
In der alten Taverne am Hafen, in der Matrosen Gesellschaft finden, wurde es langsam dunkel. Ich hatte die Kneipe seit einigen Tagen aufgesucht, in der Hoffnung, von den Seeleuten, die da über ihren Wienen aus fernen Ländern saßen, Näheres über ein Gerücht zu erfahren, das ich aufgeschnappt hatte und das besagte, daß irgendwo in den Weiten der Südsee noch eine alte, aufgegebene Flotte spanischer Schatzgaleonen gesichtet worden sein sollte.
Auch an jenem Abend erfuhr ich darüber nichts Neues. Die Stimmung war gedämpft, die Matrosen redeten nicht viel, und ich wollte gerade gehen, als ein Seemann, der Ohrringe aus purem Gold trug, den Kopf hob, seinen Blick auf die Wand vor sich richtete und anfing, mit lauter Stimme seine Geschichte zu erzählen:
(Während er sprach, brach draußen ein Platzregen los und schlug prasselnd gegen die Butzenscheiben. Seine Stimme übertönte den Lärm mühelos. Je dunkler es wurde, desto klarer funkelten seine Augen.)
"Wir waren auf einem Schiff, das noch auf die alte Art getakelt war, und wir liefen seltsame Inseln an. Keiner von uns hatte je zuvor solche Inseln gesehen.
"Jeder von uns haßte den Kapitän, und er seinerseits haßte jeden von uns. Man muß es ihm lassen: da war er gerecht. Er verabscheute uns alle in gleichem Maß. Und er redete kein einziges Wort mit uns, außer wenn es abends dunkel wurde - dann ging er manchmal an Deck auf und ab und sprach zu denen, die er tagsüber an der Rah hatte hängen lassen.
"Uns war schon nach Meuterei zumute, aber der Kapitän war der einzige an Bord, der Pistolen hatte. Eine bewahrte er unter dem Kopfkissen auf und die andere hette er immer in Reichweite. Die Inseln, die wir anliefen, machten einen finsteren Eindruck. Sie waren klein und eben, als wenn sie gerade erst auf dem Meer aufgetaucht wären, und hatten keinen Sandstrand oder Felsufer wie anständige Inseln; das Gras ging direkt bis zum Wasser runter. Und etwas weiter landeinwärts standen Katen, deren Anblick uns durchaus nicht gefiel. Sie hatten Schilfdächer, die fast bis auf den Boden reichten, und an den Ecken merkwürdig nach oben gebogen waren, und in den niedrigen Wänden darunter saßen winzige Fenster mit dicken dunklen Scheiben, durch die man nichts erkennen konnte. Niemand war zu sehen, weder Mensch noch Tier, wir wußten also nicht, was hier für Leute lebten. Aber der Kapitän wußte es. Er ging an Land und verschwand in einer der Hütten, und drinnen wurde eine Lampe angezündet und das Ganze sah ziemlich finster aus.
(Sidney H. Sime: "Little cottages ... whose looks we did not like.")
"Als er zurück an Bord kam, war es schon stockfinster, und er wünschte den Männern, die an der Rah baumelten, fröhlich gute Nacht und schaute uns in einer Art und Weise an, die den armen alten Bill das Fürchten lehrte.
"Am nächsten Tag wurde uns klar, daß er den Trick gelernt hatte, wie er uns verfluchen konnte. Er fand ein paar von uns in der Hängematte vor, einer davon war der arme alte Bill, und er zeigte mit dem Finger auf uns und verwünschte uns, daß unsere Seelen die ganze Nacht über oben auf der Mastspitze hocken sollten. Und im Handumdrehen hockte die Seele vom armen alten Bill da oben auf dem Mast und mußte die Sterne angucken und fror Stein und Bein.
"Danach war uns so richtig nach Meuterei, aber der Kapitän kam uns auf die Schliche und zeigten wieder mit dem Finger auf uns, und diesmal mußten die Seelen des armen alten Bills und der übrigen Mannschaft hinter dem Schiff her durchs kalte Wasser schwimmen, obwohl sie selbst noch auf dem Deck liegen blieben.
"Der Schiffsjunge entdeckte schließlich, daß der Kapitän uns nicht verwünschen konnte, wenn er betrunken war. Schießen konnte er freilich noch so gut wie immer.
"Danach war es nur noch eine Frage der Zeit, und daß sich zwei von uns aufopfern mußten, wenn es soweit war. Ein paar von uns waren Halsabschneider und wollten den Kapitän umbringen, aber der arme alte Bill meinte, wir sollten uns eine einsame Insel suchen, weit weg von allen Schiffsrouten, und ihn dort mit Vorräten für ein Jahr lassen. Wir hörten uns das an, und entschieden uns dafür, den Kapitän auszusetzen, sobald wir ihn erwischt hatten.
"Es dauerte drei Tage, bis der Kapitän wieder betrunken war, und den armen alten Bill und die adneren kam es hart an, denn der Kapitän dachte sich jeden Tag neue Teufeleien aus, und immer, wenn er mit seinem Finger auf uns zeigte, mußten unsere Seelen losziehen. Die Fische lernten uns kennen, und die Sterne, und beiden waren es egal, ob wir oben auf dem Mast froren oder durch Wälder von Seetang tauchen mußten - sowohl die Sterne wie die Fische gingen einfach weiter ihren Geschäften nach. An einem Abend, es war nach Sonnenuntergang, und der Mond zeigte sich immer heller am Himmel, legten wir für einen Moment eine Pause ein, weil der Kapitän nicht mehr auf uns achtete und sich statt dessen die Farben am Himmel ansah, und er drehte sich plötzlich um und schickte unsere Seelen zum Mond. Da oben herrschte eisige Nacht, und es gab fürchterliche Berge, die Schatten warfen, und es war still wie im Grab, und die Erde stand am Himmel wie die Klinge einer Sichel. Wir wurden ganz heimwehkrank nach ihr, aber keiner von uns konnte einen Laut von sich geben. Als wir zurückkamen, war es tiefste Nacht, und am nächsten Tag zeigten wir dem Kapitän gegenüber mächtig Respekt. Wir hatten alle Angst, daß er uns zur Hölle wünschen könnte, und niemand wagte das Wort in den Mund zu nehmen, um ihn nicht auf dumme Gedanken zu bringen. Am dritten Abend kam der Schiffsjunge zu uns und berichtete, daß der Kapitän betrunken war. Wir machten uns alle auf den Weg zu seiner Kajüte, und fanden ihn in seiner Koje liegen, und er schoß so gut wie immer. Aber er hatte nur zwei Pistolen, und er hätte nur zwei von uns umgelegt, wenn er nicht noch Joe mit dem Pistolengriff den Schädel eingeschlagen hätte. Wir fesselten ihn, und der arme alte Bill zwängte ihm die Rumbuddel zwischen die Zähne und sorgte dafür, daß er drei Tage lang sturzbetrunken war und uns nicht verfluchen konnte, bis wir ein passendes Plätzchen für ihn gefunden hatten. Und noch vor Sonnenuntergang am zweiten Tag fanden wir eine nette, völlig unbewachsene Insel, weit weg von allen Schiffsrouten, gute hundert Schritt lang und achtzig breit, und wir ruderten ihn mit dem Boot hin und ließen ihm Proviant für ein Jahr da, soviel, wir wir für uns auch an Bord hatten, weil der arme alte Bill fair sein wollte. Als wir absegelten, saß er bequem an einen Felsbrocken gelehnt und sang ein Seemannslied vor sich hin.
(Howard Pyle, "Marooned," 1909)
"Als wir seinen Gesang nicht länger hören konnten, hob sich unsere Stimmung beträchtlich, und wir veranstalteten mit unserem Jahresvorrat ein Festgelage, weil wir hofften, in drei Wochen den nächsten Hafen zu erreichen. Wir hielten drei davon jede Woche ab; jeder von uns fraß mehr, als er vertragen konnte, und was übrigblieb, warfen wir hinter uns auf den Boden wie edle Herren. Und dann, als wir bei San Huegedos anlangten und in den Hafen einlaufen wollten, um unser Geld zu verprassen, sprang der Wind um und trieb uns wieder auf See hinaus. Wir schafften es nicht, gegen den Wind zu kreuzen und den Hafen anzulaufen, obwohl andere Schiffe an uns vorbeisegelten und dort festmachten. Manchmal entstand um uns herum völlige Windstille, während die Boote in der Ferne vor halber Sturmstärke liefen, und dann wieder wurden wir vom Orkan aufs offene Meer hinausgetrieben, während ringsum Flaute herrschte. Wir versuchten es den ganzen Tag, und am nächsten Tag wieder. Und all die anderen Matrosen hauten in San Huegedos ihre Heuer auf den Kopf, und wir mußten zusehen. Wir fluchten über den Wind und über San Huegedos, daß die Wanten schwankten, und setzten neuen Kurs.
"In Norenna erging es uns genauso.
"Wir setzten uns zusammen und berieten leise über die Sache. Und den armen alten Bill packte plötzlich die nackte Angst. Wir fuhren die ganze syraktische Küste hinab und versuchten es imer wieder. Bei jedem Hafen lag der Wind auf der Lauer und trieb uns aufs Meer hinaus. Nicht mal die kleinen Inseln wollten uns haben. Für den armen alten Bill gab es noch lange keinen Landgang, und jeder verfluchte sein weiches Herz, das den Kapitän lieber ausgesetzt hatte, als daß sein Blut an unseren Händen klebte. Uns blieb nichts weiter übrig, als einfach weiterzusegeln. Es gab jetzt keine Gelage mehr, weil wir befürchteten, daß der Kapitän mit seinen Vorräten länger als wir durchhalten könnte.
"Zuerst versuchten wir den Schiffen, die uns begegneten, Signale zu geben, und mit dem Boot überzusetzen, aber gegen den Fluch des Kapitäns konnten wir nichts ausrichten und mußten es aufgeben. Also spielten wir ein Jahr lang Karten in der Kapitänskajüte, bei Tag und Nacht, bei Sturm und Windstille, und jeder versprach dem armen alten Bill hoch und heilig, seine Spielschulden zu bezahlen, sobald wir wieder an Land waren.
"Wir bekamen es mit der Angst zu tun, wenn wir daran dachten, wie genügsam der Kapitän im Grunde war, er, der sich auf See an jedem zweiten Tag betrunken hatte - und jetzt war er immer noch am Leben, und stocknüchtern dazu, denn sein Fluch war immer noch wirksam und hielt uns von jedem Hafen fern.
"Naja, schließlich mußten wir losen, und Jim war der erste, den es erwischte. Er reichte uns nur für drei Tage, und dann mußten wir erneut losen, und es traf den Schwarzen. Der reichte auch nicht länger, und wir losten wieder, und diesmal war Charlie dran. Und der Kapitän lebte immer noch.
"Da wir immer weniger wurden, reichte es bei jedem immer länger für den Rest von uns. Wir kamen länger und länger über die Runden, und wir fragten uns, wie viele Vorräte dem Kapitän wohl noch geblieben waren. Fünf Wochen, davor unser volles Jahr abgelaufen war, traf es Mike, und wir hatten eine ganze Woche etwas von ihm, und der Kapitän war immer noch am Leben. Wir fragten uns, ob es ihm nicht langweilig wurde, sich immer nur mit dem einen ewiggleichen Fluch aufzuhalten, aber wir nahmen an, daß das anders aussieht, wenn man mutterseelenallein auf einer Insel ist.
"Als nur noch Jakes und der arme alte Bill und der Schiffsjunge und Dick übrig waren, zogen wir keine Lose mehr. Wir entschieden uns, daß der Schiffsjunge bislang unverschämtes Glück gehabt hatte, und daß jede Glückssträhne irgendwann ein Ende findet. Und dann war der arme alte Bill mit Jakes und Dick allein, und der Kapitän lebte noch immer. Als der Junge nicht mehr war, und der Kapitän immer noch lebte, meinte Dick, der ein großer starker Kerl war wiie der arme alte Bill, daß jetzt Jakes drankäme, und daß er von Glück sagen könnte, daß er so lange am Leben geblieben war. Aber der arme alte Bill hielt mit Jakes Kriegsrat, und beide waren der Ansicht, daß es besser Dick erwischen sollte.
"Dann waren nur noch Jakes und der arme alte Bill übrig, und der Kapitän wollte immer noch nicht sterben.
"Die beiden behielten einander Tag und Nacht im Auge, jetzt, wo Dick nicht mehr bei ihnen war, und außer ihnen niemand sonst mehr übrig war. Schließlich klappte der arme alte Bill ohnmächtig zusammen und lag eine Stunde wehrlos am Boden. Und Jakes schlich sich langsam mit dem Messer an ihn heran und versuchte den armen alten Bill abzustechen, wie er da auf dem Deck lag. Und der arme alte Bill packte ihn am Handgelenk, und gab ihm seine eigene Klinge zur Sicherheit gleich zweimal zu schmecken, obwohl das das Fleisch ziemlich verdarb. Und dann war der arme alte Bill ganz allein auf dem Meer.
"Und in der Woche darauf, bevor die allerletzten Vorräte zur Neige gingen, muß der Kapitän auf seiner Insel gestorben sein, denn der arme alte Bill konnte hören, wie seine Seele fluchend über das Schiff hinwegflog, und am nächsten Tag wurde des Schiff an eine Felsküste getrieben.
"Und der Kapitän ist jetzt seit hundert Jahren tot, und der arme alte Bill ist wieder wohlbehalten an Land. Aber wie es aussieht, ist der Kapitän noch nicht fertig mit ihm, denn der arme alte Bill wird nicht älter, und es scheint, als ob er niemals sterben könnte. Armer alter Bill!"
Er schwieg, und es war, als ob ein Bann gebrochen wäre. Wir standen alle auf und verließen die Kneipe.
Es war nicht nur die abscheuliche Geschichte, die er erzählt hatte: es war die Angst, die in seinen Augen stand, als er sie erzählte, und die Leichtigkeit, mit der seine Stimme das Tosen des Sturms übertönte, die mich dazu brachten, daß ich nie wieder einen Fuß in diese Zuflucht der Matrosen gesetzt habe, in diese Spelunke am Meer.
* * *
"Poor Old Bill" erschien ohne Magazinvorveröffentlichung zuerst in der Sammlung A Dreamer's Tales im September 1910 im Londoner Verlag George Allen & Sons.
Der Pirat, den Wesley Neff für den Umschlag des seinerzeit berühmtesten und angesehensten Pulp-Magazins, Adventure, für die Ausgabe vom November 1939 (Band 102, Nummer 1) gemalt hat (Frank M. Robinson vermutet in seinem Buch Pulp Culture: The Art of Fiction Magazines, daß es sich um ein überarbeitetes und koloriertes Standfoto aus einem Film handeln könnte) hat natürlich nichts mit Dunsany zu tun. Auf Neudeutsch gesagt: S.C.N.R.
Wesley Neff, 1895 in Toronto geboren, seit 1936 in New York tätig und 1976 in Sacramento in Kalifornien gestorben, war neben seiner Tätigkeit als Illustrator und technischer Zeichner im Magazinbereich für die Titelbilder des Ken Magazine zuständig, eines Ablegers der Illustrierten Esquire. Für die Pulp-Magazine zeichnete er während einer kurzen Zeitspanne ab Ende 1939 nur insgesamt sieben Titelbilder, davon 5 für Adventure und zwei für das Street & Smith Western Magazine. (Street & Smith waren nicht nur der Verleger von Adventure, sondern auch jenes Magazins, dessen Texte als einzige aus dem Bereich dieser Abenteuer-, Sport- und Familien-Unterhaltungslektüre wirklich Literaturgeschichte geschrieben haben, nämlich von Astounding Science Fiction, dessen Erzählungen unter der Herausgeberschaft von John W. Campbell Jr. das "goldene Zeitalter" der SF gewissermaßen im Alleingang bestritten. Pedanten mögen einwenden, daß auch Black Mask, insbesondere mit den Erzählungen von Dashiell Hammett und Raymond Chandler, ohne Zweifel in diesem Sinn "Literaturgeschichte" geschrieben hat. Dennoch sind dieser Romane und Erzählungen der "hardboiled school," einschließlich des "Malteser Falken" unzweifelhaft Teil einer engen Genres, der Kriminalliteratur; während Astounding die gesamte Sicht auf die Art und Weise, in der "die Zukunft" zum Thema der erzählenden Literatur gemacht werden kann, verändert hat.)
U.E.
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