14. Juni 2020

"Das Jahr der stillen Sonne"

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Es ist ja nicht nur im Bereich der Pandemie - und der merkwürdig paradoxen Haltung unserer Medienlandschaft dazu (man bekommt den Eindruck als sei SARS-CoV-19 etwas, das für uns bereits in weiter Ferne zurückliege, obwohl weltweit weiterhin mit jedem Tag recht genau 130.000 neue Fälle hinzukommen, mit steigender Tendenz, die Zahl der Toten mit jedem Tag um 5000 zunimmt und der Zug der Seuche in Afrika und Lateinamerika gerade erst begonnen hat) -, daß man als Beobachter der Zeitläufte den Eindruck bekommen könnte, die Welt seit zu Beginn des dritten Jahrzehnts des einundzwanzigsten Jahrhunderts, des "Jahrhunderts, in dem die Zukunft wahr wird", zu einem schlechten Science-Fiction-Roman mutiert, in dem wir uns nolens volens jeden Tag aufs Neue wiederfinden. Vor allem, wenn man als altgedienter Leser des Genres das entsprechende Buch vorweisen kann. In diesem Fall handelt es sich um den Roman The Year of the Quiet Sun des amerikanischen Autors Wilson Tucker aus dem Jahr 1970.

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Wilson Tucker (1914-2006) gehört zu den auctores minores, den Kleinmeistern des Genres. Neben einer lebenslangen Tätigkeit in der Fanszene, mit ihren Clubaktivitäten, Streitigkeiten, Vereinsklüngel und der Herausgabe hektographierter Blättchen, an denen Medienhistoriker treffend aufzeigen können, daß das Internet mit seinen Netztagebüchern, Fehden, Animositäten und oft erstaunlichen und gehaltvollen Hervorbrinungen lange vor dem Internet bestand und lange, bevor die ersten Elektronengehirne und der Transistor erfunden worden waren, und zu deren allerersten Exponenten Tucker gehörte, umfaß sein Werk als Autor gute zwei Dutzend kürzere Erzählungen, von denen keine im Gedächtnis der Leserschaft Widerhall gefunden hätte - und ein gutes Dutzend Romane: zur Hälfte handelt es sich um Kriminalromane, angefangen mit The Chinese Doll Murders aus dem Jahr 1946, die andere Hälfte zählt zur Science Fiction, wobei ihr zentrales Thema zumeist die Zeitreise ist. The Lincoln Hunter von 1958 etwa behandelt die Suche einiger Zeitreisender nach einer verloreren politischen Rede Abraham Lincolns im Jahr 1856 und kontrastiert die dystopischen Lebensverhältnisse des einundzwanzigsten, fiktionalen Jahrhunderts mit den Antebellum-Zuständen, die trotz der drückenden sozialen und materiellen Umstände ihren eigenen Wert behalten. Zwei dieser Romane haben sich zumindest Kritikern und Historikern des Genres eingeprägt, nicht zuletzt wegen ihres Verzichts auf grelle Aktion und der beinahe kammerspielartigen Art, mit der eine grauenvolle Zukunft auf räumlich beschränkter Bühne von einem kleinen Personenkreis an durchaus gebrochenen, alltäglichen Protagonisten durchlebt wird. The Long Loud Silence (1952) spielt im ländlichsten Mittelwesten der USA unter den Überlebenden eines Atomkriegs und zeigen den durchaus nicht positiv gezeichneten Antihelden zuerst beim vergeblichen Versuch, die im Zuge des Zusammenbruchs aller Infrastruktur ausgebrochenen Seuchen zu bekämpfen und schließlich nur noch das nackte Leben zu retten. (Die frühen US-amerikanischen Ausgaben tilgten die Hinweise auf alltäglichen Kannibalismus unter dem Übriggebliebenen; in den englischen Ausgaben und der schwedischen Übersetzung blieben sie erhalten.)

Und eben The Year of the Quiet Sun, der Titel, der Lesern wegen des resonanten Klangs im Gedächtnis geblieben ist. Ein kurzer Abriß der Handlung sollte deutlich machen, welche Parallelen bei einer heute nachgeholten Lektüre in diesem Fall für ein déjà vu sorgen.

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Die Romanhandlung beginnt im Sommer 1978, als der Hauptakteur des Buchs, Brian Chaney, sowohl Demograph als in zweiter akademischer Laufbahn Altertumskundler, der sich auf die Geschichte des Heiligen Landes konzentriert hat und gerade eine englische Übersetzung von zwei der Schriftrollen von Qumran veröffentlicht hat, in denen wie in der Vorwegnahme des Offenbarung des Johannes, das Ende der Zeiten geschildert wird, von einer Regierungsagentin, Kathryn van Hise, bei seinem Urlaub in Florida für ein geheimes Regierungprojekt angeworben wird. Es geht darum, die Zukunft nicht länger über Trendforschung und mögliche Entwicklungsfortschreibungen vorwegzunehmen, sondern durch tatsächliche Exploration, mittels eines "Zeitverschiebungsfahrzeugs", eines Time Displacement Vehicle. Chaney ist uninteressiert, hat aber keine Wahl, da die Regierungsbehörde, das Bureau of Standards, die Universität seinen Arbeitsvertrag kurzerhand hat umschreiben lassen. Der erste Auftrag für Chaney und seine beiden Temponauten-Kollegen, dem Major der Air Force William Moresby und dem Lieutenant Commander (was in etwa - es gibt subtile Unterschiede in den Befugnissen - unserem "Korvettenkapitän" entspricht) Arthur Saltus lautet, einen Zeitsprung zum 6. November 1980 durchzuführen, um festzustellen, ob Präsident Meeks seine Wiederwahl gewonnen hat. Bei diesem ersten Temporalhüpfer zeigt sich schon die Kammerspiel-Konstruktion des Romans, der bei einer Verfilmung mit einer Tiefgarage für das Set des TDV, ein paar Firmenparkplätzen, ein paar aus dem Auto gefilmten Straßen und einer Kantine auskommen würde. (Und ja: es gibt einen recht bekannten SF-Film, der genau mit diesem bescheidenen Kulissenvorrat entstanden ist: Rainer Werner Fassbinders Verfilmung von Daniel Galouyes Roman "Welt am Draht" aus dem Jahr 1973.

Das ZVF ist ein drei Meter langer Aluminiumzylinder, der in einem Bassin voll "Polywasser" schwimmt (ich setze an dieser Stelle ein *, um mich daran zu erinnern, eine Fußnote zur Erläuterung dieser Episode in der Tradition der "N-Strahlen" Blondlots und der kalten Fusion nachzuliefern); ein autonomer kleiner Reaktorblock soll die Stromversorgung für mindestens 500 Jahre sicherstellen. Chaney, Moresby und Saltus, bei einzeln und zu zeitversetzten Zielpunkten reisen, stellen bei ihrer Ankunft Anomalien zur eingestelten Zielzeit fest. Chaney wird beim Verlassen des Laborgeländes vom Wachpersonal darauf aufmerksam gemacht, daß im Gebiet von Chicago nach 18 Uhr Ausgangssperre herrscht. In der Stadtbibliothek, in der er die Zeitungen der letzten Tage und Wochen durchsieht, begegnen ihm das Personal und die wenigen Besucher mit unverhohlenem Mißtrauen und Feindseligkeit. Meeks (der seinen symbolischen Namen nicht zu Unrecht trägt) verdankt seine Wiederwahl der rigorosen Niederschlagung von Rassenunruhen, die im Sommer 1980 ausgebrochen sind, durch das Militär. Eine provisorische Mauer trennt Chicago in Bezirke für Schwarze und Weiße. Nachdem die Stabschefs der drei Streitkräfteabteilungen versucht haben, den Präsidenten durch einen Staatstreich kaltzustellen, steht das gesamte Land unter Kriegsrecht. Dem Zeitreiseteam ist klar, daß Meeks genau diese Informationen nutzen wird, um diese Maßnahmen zu ergreifen. Bei der zweiten Erkundung, die die weiteren Folgen und die Entwicklung dieser Konfrontation feststellen soll, springt Moresby zum 4. Juli 1999 und gerät mitten in einen Stellungskrieg zwischen regulären amerikanischen Truppen und schwarzen Guerilla-Einheiten, nachdem Chicago Ziel eines Atombombenangriffs geworden ist, die Stadt wurde nicht getroffen, aber der Michigansee ist radioaktiv verstrahlt; als Startort hat das amerikanische Militär Tienpai in China ausgemacht; die Volksrepublik hat Seite der Rebellen in die Kämpfe eingegriffen, um den Erzfeind (wir erinnern uns: das Buch stammt aus dem Jahr 1970, aus der Zeit vor Präsident Nixons Pingpong-Diplomatie, die die hermetische Abgrenzung beider Seiten aufbrach) zu vernichten. Moresby wird beim Angriff der Armee auf eine Stellung der "Ramjets" durch Querschläger getötet.

Saltus, der als Zielpunkt seinen (zumindest kalendarischen) 50. Geburtstag im November 2000 gewählt hat, findet den Tiefbunker mit dem Bassin in verwahrlostem Zustand vor; Leitungen und Tische sind mit dickem Staub bedeckt; die Vorräte sind seit langem nicht aufgefrischt; von Kathryn von Hise, die versprochen hatte, jeden der Zeitreisen bei ihrem Eintreffen in Empfang zu nehmen, fehlt jede Spur. Auf einem militärischen Funkkanal hört er mit, daß die US.Armee zwei Gr0ßstädte in China mit Wasserstoffbomben ausgelöscht hat. Das Gelände ist verlassen, das Elektroauto, mit dem er losfährt, um die nähere Umgebung in Augenschein zu nehmen, wird von vereinzelten schwarzen Heckenschützen, die sich in den ausgebrannten Straßenzügen verbergen, unter Beschuß genommen. Es gelingt ihm, Moresbys Leiche zu finden und die Tonbandkassette, die dieser kurz vor seinem Tod aufgenommen hatte, zu bergen, bevor er durch einen Rückentreffer schwer verwundet wird und sich nur mit letzter Kraft zum ZVF retten kann.

Chaney, der keinen festen Zeitpunkt als Ziel festgelegt hat, muß bei seiner Ankunft feststellen, daß kein Chronometer im Labor mehr läuft; der Atomreaktor ist ausgefallen; seine Anzeigen weisen als Zeitpunkt des Stromausfalls dem 4. März 2009 aus. Auf dem halb zugewucherten Parkplatz steht nur ein primtiv gezimmerter Handkarren. Beim Verlassen des Geländes sieht Chaney in einger Entfernung eine in Lumpen gekleidete weiße Familie vor sich und ruft sie an.

"They stood motionless,, frozen by fear, for only a tick in time. The woman cried out as though in pain..she ran too protect the child. The man sprinted after her - passed her- and caught up the child in a quick scooping motion...They ran from him with all the speed and strength they possessed, the child now crying with consternation. Fear ran with them..Chaney picked up the rifle and turned away. He had never known anyone to run from him - not even those beggar children who had squatted on the sands of the Negev and watched him pry into the sands of their forgotten history. They were timid and mistrustful, those Bedouin,  but they hadn't run from him. He wallked with the taste of wormwood in his mouth."

Erst an dieser Stelle wird dem Leser ausdrücklich bewußt, daß Chaney schwarz ist. Als er den Karren mit Vorräten beläd, um die Umgebung zu erkunden und vielleicht eine bessere Unterkunft zu finden, wird er von zwei Kindern angesprochen: "Please, Mr. Chaney? Our mother told us you would come. That you were the last of the three travelers." Es sind die Enkel von Arthur Saltus und Kathryn. (Chaney hatte sich wie Saltus im Jahr 1978 in die Verbindungsffizierin verliebt, ihr aber nicht den Hof gemacht, nachdem ihm Arthur nach dem Besuch im Jahr 1980 erzählt hatte, daß er die Marriage license unter den Akten gefunden hatte. Kathryn, jetzt alt und bettlägerig, hat keinen anderen Menschen mehr gesehen, seit die Energieversorgung zusammengebrochen ist: "Everyone is afraid of you. I am the only one here who does not fear a black man." Der Strom ist schon so lange ausgefallen, daß sie nicht mehr weiß, welches Jahr ist. Von der weltpolitischen Situation weiß sie nur noch, daß China als Vergeltung die australische Stadt Darwin durch einen Atomschlag vernichtet hatten, woraufhin Präsident Meeks China den Krieg erklärte, der sich zum Weltkrieg ausweitete. Meeks setzte die Verfassung außer Kraft, erklärte sich zum Herscher auf Lebenszeit und wurde schließlich ermordet. Der Aufstand der "Jets" endete im Desaster, weil ihre Gewalt die Lebensgrundlagen der Gesellschaft vernichtete. Die Infrasktruktur kollabierte, die Fernsehsender stellten den Betrieb ein, die Zeitungen erschienen nicht mehr, und die Bevölkerung starb an Hunger und Seuchen. Was aus Europa geworden ist, weiß Kathryn nicht; sie und die Kinder konnten nur dank der Vorräte in der Station überleben.

Brian ist immer noch überzeugt, daß es ihm möglich ist, mit den ZVF zurückzukehren und fragt Kathryn, was er bei seiner Rückkehr berichtet habe. Nichts, erwidert sie: er sei nie zurückgekehrt; er sei in der Zeit verschollen. Brian glaubt ihr nicht, muß aber feststellen, daß er ohne Strom zum Start der Zeitmaschine tatsächlich in der Gegenwart gestrandet ist. In den Geprächen mit seinen Teamkollegen im Jahr 1978 hatte er darauf bestanden, daß die Schilderungen des von ihm übersetzten Buchs "Eschatus" Midrasch seien, poetische apokalyptische Metaphern, nicht Vorwegnahmen einer künftigen Wirklichkeit. Jetzt muß er feststellen, daß es sich anders verhält: er muß feststellen, daß er selbst jener "Mann, der zwei Männer war" ist, der in der Schriftrolle erwähnt wird. Der See leuchtet nachts in tödlicher Strahlung, die "Augen des Drachen", der vom Mond herabblickt, sind ein Doppellaser, der nach dem tödlichen Ausgang der letzten Mondlandung nicht mehr abgeschaltet werden konnte. Das "Jahr der stillen Sonne" ist wie vorausgesagt gekommen.

Chaney hatte in diesen Gesprächen allerdings auch schon eine grundsätzliche pessimistische Sicht auf den Gang der Geschichte vertreten:

"I can predict the downfall of the United States, of every govrnment of the North American continent. I mean that all this will be dust in ten thousand years. Name a single government, a single nation which has endured since the birth of civilization - say, five or six thousand years ago. Nothing endures. The United States will not. If we are fortunate we may endure at least as long as Jericho." 

Wie ess scheint, haben vierzig Jahre, nicht dreitausend, ausgereicht, um die Zivilisation auf den Stand des alten Jericho zurückzuwerfen.

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(Titelbild der amerikanischen Erstausgabe, Erschienen bei Ave Books in der von Terry Carr betreuten "Science Fiction Special"-Reihe. Titelbild: Leo und Diane Dillon)

Aus diesem titelgebenden Jahr ergibt sich auch die tentative Zeitmarke, die für das Finale des Buches angesetzt werden kann (etwa im Eintrag zum Autor in der Encyclopedia of Science Fiction: "circa 2020"). Den meisten Lesern dürfte bekannt sein, daß die Strahlungsaktivität unserer Sonne, die sich unter anderen im Auftreten von Sonnenflecken äußert, in einem gut elf-jährigen Rhythmus schwankt. Alle 11 bis 12 zeigt sie sich über Monate hinweg fast ganz fleckenlos; auch die Radiostrahlung sinkt ab, bis dann nach einigen Monaten bis kurz über einem Jahr wieder erste Flecken in der Nähe des Sonnenäquators sichtbar werden, deren Orte im Lauf des zunehmenden Aktivitätszyklus über die nächsten 4 bis 5 Jahre nach Norden und Süden wandern. Dabei kann es in der Dauer zu leichten Schwanlungen kommen. Der vorletzte Sonnenfleckenzyklus, der 23. seit dem fortlaufenden Beobachtungsbeginn 1755, dauerte vom August 1996 bis zum Dezember 2008. SC 24 begann im Dezember 2008 und endete, je nachdem, welche Marke als Wendepunkt genommen wird, im Dezember 2019 oder im Mai 2020. (Das liegt daran, daß es immer wieder zum Auftreten vereinzelter kleiner Sonnenflecken kommt und (noch) niemand sagen kann, ob es sich hier um die letzten Ausläufer von SC 24 oder die ersten Vorboten des neuen Zyklus handelt. Wenn der "Zeitverlust" (quelle ironie...) von Kathryn erst ab dem Ausfall der Stromversorgung eingesetzt hat, dürfte Anfang 2009 noch nicht genügend Zeit vergangen sein, um ihr alle temporale Übersicht zu nehmen. Somit dürfte das "Jahr der stillen Sonne" unsere Gegenwart kennzeichnen.

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Aus dem Handlungsabriß dürfte deutlich geworden sein, warum den Leser bei der momentanen Relecture eines solchen Titels ein seltsames Gefühl beschleichen kann: gewisse Paralelen und Echos zu den Nachrichten, die in den letzten beiden Wochen die Schlagzeilen über die USA dominiert haben, drängen sich auf; auch die üblichen Prophezeiungen, daß das soziale Gefüge Amerikas zu zerreißen drohe, daß das Land am Rand der Anarchie stehe und an den Rassenkonflikten zerbrechen könnte, daß womöglich nicht nur schwere Krawalle, sondern sogar so etwa wie ein Bürgerkrieg möglich sein könnte: all das ist nicht neu; man hat es in den Jahrzehnten vorher bei ähnlichen Riots und Tumulten ebenfalls hören und lesen können. Was freilich neu ist - zumindest in diesem Ausmaß, wie sehr diese Vorgänge auch in Europa zur Initialzündung für ähnliche "Aufstände" geworden sind, wie sehr sich die Bilder gleichen. Wenn man in diesen Tagen im Hinblick auf die "Ausweitung der Kampfzone" (Michael Houellebecq) diese Nachrichten verfolgt, dann kann dies durchaus wie ein Probelauf praktischer Anarchie, von Zerfall der staatlichen Institutionen, vom Hobbes'schen Kampf aller-gegen-aller wirken:

Teile der amerikanischen Stadt Seattle wurden von "Aktivisten" übernommen und abgeriegelt. Es gibt dort keine Polizei und keine Feuerwehr mehr. Mit vollautomatischen Schusswaffen bewaffnete Gangs patrouillieren die "Autonomous Zone", erpressen Schutzgeld vn Geschäften und schlagen Bürger zusammen die ihren Anweisungen nicht folgen. Die Polizei ausserhalb der Zone erhält Anrufe wegen Morden und Vergewaltigungen, wurde aber angewiesen das Gebiet nicht mehr zu betreten und überlässt die Bürger ihrem Schicksal, während die demokratische Bürgermeisterin sich auf die Seite der "Demonstranten" stellt uund deren Forderungen auf Pressekonferenzen wiederholt.

Vergewaltigungen, Raubüberfälle und sonstige Gewalttaten haben sich laut Seattle Police, die übrigens nicht freiwillig das Viertel räumte, sondern auf Befehl des demokratischen city councilseit der Machtübernahme der Linksextremisten und des schwarzen Mobs verdreifacht.
In a battle for control of six blocks in Seattle’s Capitol Hill neighborhood that has caught the attention of even President Trump, hip-hop artist Raz Simone has emerged as a leading figure of Black Lives Matter and radical leftist activists who say they are now in charge in the enclave.

Mr. Simone’s Twitter feed and Facebook page feature him brandishing an AK-47 in the self-declared “Capitol Hill Autonomous Zone,” which grew out of the nationwide anti-police protest over the death of George Floyd in Minneapolis. (The Washington Post, 12.06.2020)
Jocelyn Responte
@JocelynResponte

After Seattle law enforcement was banned from using non-lethal methods of self defense they were forced to abandon the Capitol Hill precinct. Subsequently "protestors" have gained access to City Hall and are now armed and defending a perimeter.


Bei Hadmut Danisch finden sich unter der Überschrift "Wenn Sozialismus keine 48 Stunden funktioniert" eine Reihe instruktiver Tweets zum Thema "Anarchie: Anspruch und Lebenswirklichkeit" aus dem Experimentalbiotop Seattle eingebunden.

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Momentan kann niemand sagen, wie es mit der "Gerechtigkeit für George Floyd!"-Bewegung und den Ausläufern, die hier längst zu Selbstläufern geworden sind, weitergehen wird. Klar ist, daß sich dieser "Aufstand" nicht nur in den USA, sondern auch in Europa, zumal in England, längst von seinem Auslöser freigemacht hat. Es ist völlig egal, WAS die Ursache, die Initialzündung darstellte, und welche Konsequenzen dieser Vorfall im Einzelnen haben wird. Soweit es sich mir, nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens, darstellt, handelte es sich bei der versuchten Festnahmen mit tödlichem Ausgang mit eine Verknüpfung unglücklicher Umstände, nicht aber um "institutionalsierten Rassismus" oder gar eine gezielte Tötung. (Daß der verantwortliche Beamte, Derek Chauvin, wegen "murder second degree" angeklagt werden wird, also wegen "fahrlässiger Tötung" - "first degree" bedeutet "Todesfolge infolge unterlassener Hilfeleistung"; erst "third degree" entspricht juristisch unserem "Mord", für den ein Vorsatz zur Tötung ausschlaggebend ist - angeklagt werden wird, spricht dafür, und dafür, daß das amerikanische Rechtssystem hier durchaus funktioniert.) Floyd war fast zwei Meter groß, kräftig gebaut und zum Zeitpunkt seiner Verhaftung gemäß dem Obduktionsbericht, um es salopp auszudrücken, "bis unter das Schädeldach mit Drogen vollgepumpt". Gerade im Drogenrausch können solche Leute Bärenkräfte entwickeln, wenn sie tobsüchtig werden. Zudem waren drei der vier Streifenbeamten blutjunge Anfänger in diesem Metier und scheinen mit der Situation vollkommen überfordert gewesen zu sein. Dies soll keine Salvierung dieses Vorgangs sein, es soll aber betonen, daß die Reaktionen, die im Anschluß losgebrochen sind, in keinem Verhältnis zum Anlaß stehen. Genau dieses Muster ist aber in den letzten Jahrzehnten bei solchen race riots stets zu beobachten gewesen - ob nun bei den Unruhen in Los Angeles 1992 nach der Mißhandlung Rodney Kings durch Polizistedn, ob bei den Pariser Vorstadtunruhen von 2005, als drei arabische Jugendliche sich beim Versuch, nicht von der Polzei festgesetzt zu werden, in ein Umspannhäuschen flüchteten und eine Hochspannungsleitung kurzschlossen. Es war das Ur-Muster bei den ersten großen Unruhuen nach diesem Muster, den Watts Riots in Los Angeles, die im August 1965 an fünf Tagen 34 Todesopfer forderten.

Zwei Dinge lassen sich aus dieser Beobachtung schlußfolgern. Zum einen: Das ewiggleiche Muster, die letztendliche Anlaßlosigkeit solcher Krawalle, ihr immer gleichbleibender Ablauf und die anarchischen Verhaltensweisen der Beteiligten sind ein guter Hinweis darauf, daß wir es hier mit anthropologischen Konstanten zu tun haben, nicht mit tatsächlichen bedachten Reaktionen auf - reale oder vermeintliche - Mißstände. Es geht den Gewalttätern nicht um Gerechtigkeit, sondern um die Chance, die eigene Gewalt schrankenlos ausleben zu können. Idealistische Vorstellungen, hier könnten sich "spontane soziale Ordnungen" eines "freien Zusammenlebens" ausbilden, erleiden, wie gerade in Seattle, bei solchen Versuchanordnungen in eiserner Regelmäßigkeit Schiffbruch. Das Ergebnis der Gleichheit und Freien ist stets der Stiefel des örtlichen Bandenführers und seiner Schlägertrupps. Solche recht instruktiven Vorkommnisse eignen sich zumindest als Lehrbuchbeispiel dafür, was passiert, wenn das "Zusammenleben" tatsächlich "täglich neu ausgehandelt" werden muß: es bestimmt, wer die geladene Waffe besitzt und zuerst keine Hemungen mehr hat, sie einzusetzen. Die andere Lehre, über den tagesaktuellen Ablauf des Chaos hinaus, könnte lauten: daß solche "sozialen Konflikte", zumindest wenn sie als "tiefere Ursache" solcher Unruhen ausgemacht werden, schlicht nichgt "zu lösen" sind - wsederr durch Beteiligungen an irgendwlechen politischen Grfremien, durch Vergünstigungen, durch Streetworker oder Medienpräsenzen für angebliche Vorzeigevertreter von "unterdrückten Minderheiten". Es dürfte ein schlichtes Faktum sein, daß Personen, die eben nicht auf Krawall aus sind, deren Energie und Einsatz darauf gerichtet sind, das eigene Los zu bessern und mit dm, was ihnen zur Verfügung steht, eine bessere Zukunft zu erarbeiten, in diesen Reihe nicht zu finden sind. Tatsächlich gibt es in dem, was man einmal auf Englisch "den Mob" nannte, so etwas wie "die Zukunft" nicht. Worum es dem Staat nur gehen kann, ist, die Gewalt, wenn sie denn in dieser kollektiven Form wieder einmal zum Ausbruch kommt, so rasch wie möglich unter Kontrolle zu bringen, zu begrenzen und vor allem seine Bürger vor ihm zu schützen. Die Berichte aus der "befreiten" Zone, nach der die Ladenbesitzer Schutzgelder zahlen, damit ihre Geschäfte nicht geplündert werden, sprechen eine altbekannte Sprache.

Zum anderen: Gerade ein solcher Roman wie The Year of the Quiet Sun kann als guter Hinweis darauf dienen, daß das Chaos, wie es sich gerade Bahn bricht, nur eine vorübergehende, sehr kurze Episode sein wird. Natürlich wäre es frivol, aus dem Genre der Zukunftsliteratur, deren Voraussagen, wenn sie denn überhaupt je irgendeine Triftigkeit für sich beanspruchen konnten, zu gefühlt 95 Prozent völlig danebenlagen und bei den seltenen Treffern die Schrotschußmethode des "blindes Huhn => Korn" obwaltend sein dürfte, einen Anspruch auf eine zutreffende Analyse sozialer Entwicklungen in Anwendungsform zu liefern. Aber ein solches Buch ist nicht in einem Vakuum entstanden. Anlaß für die Fiktion waren die sozialen Spannungen der 1960er Jahre (wie sie sich eben in den genannten Watts Riots ausdrückten, und vor allem das Auftreten der militanten "Black Panther" seit 1968, die ganz offen mit militärischer Gewalt gegen die politischen Institutionen und die weiße Bevölkerungsmehrheit der USA drohten. Es ist aber in den genau füünf Jahrzehnten (!) seit dem Erscheinen des Buchs auch zu konstatieren, daß die Anarchie, das Chaos, der Bürgerkrieg, der als Befürchtung zu Ende der sechziger Jahre im aufgeheizten Klima des Zeitgeistes durchaus zu spüren war, sich eben niemals bewahrheitet hat. Weder haben solche "Kämpfer fürs Gerechtigkeit" zu irgendeinem Zeitpunkt eine Mehrheit der eigenen Gruppen für sich einnehmen können, noch waren sie je, nüchtern und bei Licht betrachtet, eine tatsächliche Gefahr für den Staat oder die amerikanische Gesellschaft als Ganzes. Margaret Atwood, deren Werk seit The Handmaid's Tale von 1986 recht zentral um das Thema des Zusammenbruchs der heutigen amerikanischen Gesellschaft kreist (das sie mit dem drei Bänden der Oryx and Crake-Trilogie gleich nach der Jahrtausendwende in den direkten Fokus rückte), warnte vor achtzehn Monaten vor einer "bevorstehenden französischen Revolution" in den USA. Nichts dürfte weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. Weder ist die Lage der US-Bürger seit Jahrzehnten prekär und wird immer bedrückender, noch gibt es ein grundsätzliches Mißtrauen gegen den Staat und seine politische Verfaßtheit. Daß es die Democrats als handlungsfähige, programmatisch nüchterne Partei seit dem Wahlsieg Donald Trumps völlig aus der Bahn getragen zu haben scheint, ist dieser Partei selbst und ihrenm kopflosen Personal geschuldet, nicht den Institutionen als solchen. Die wirtschaftlichen Daten, auch im dritten Monat der Corona-Epidemie und des ökonomischen Lockdowns und die Zustimmungswerte des Präsidenten in den Opinion Polls geben jedenfalls keinen Anlaß, hier von einer Staatskrise zu fabulieren, wie man es in deutschen Redaktionen seit Jahr und Tag mit Hingabe tut.

Wie es in den nächsten Wochen "in Seattle" weitergehen wird, ist bislang nicht auszumachen. Die Schusterkugel ist vorerst beschlagen. Es ist möglich, daß der Spuk nach einer Woche schicht wie ein schlechter Traum vorbei ist. Denkbar - als reine Möglichkeitsform, wohlgemerkt, nicht als etwas, das so geschehen wird -  wäre etwa auch, daß wir statt eines neuen Sturms auf die Bastille (was daran erinnert. daß ein Kulminationspunkt für die Krawalle der anstehende Nationalfeiertag am 4. Juli sein könnte), daß wir eine (versuchte) Neuauflage der Pariser Commune von 1871 sehen könnten, mit Barrikadenbau von vorgeblicher Selbstverwaltung, praktisch-faktischem Chaos und Gewalt, Mangel am Nötigsten und der Flucht der Innenstadtbewohner, die dies eben einrichten können. Egal ob mit oder ohne einen neuen General Thiers: das Lehrbeispiel mehrerer Wochen praktisch-faktischer Anarchie und ihrer handfesten Folgen könnten den Zeitgeistsurfern von BLM, diesen Gleichgesinnten der "Einprozentler" der Occupy-"Bewegung", die sich bislang die Gunst des indulgenten Publikums und der Medien nicht nachhaltig verscherzt haben, weil sie eine vorgebliche Wichtigkeit für sich reklamieren konnte, der praktische Schaden ihres Treibens sich in Grenzen hielt und sie das "virtue signaling" des vornehmlich weißen Mittelstands-Schuldkults bis zum Anschlag ausnutzen konnten, nachhaltig die Sympathien und die Nachsicht mit ihrer Narretei kosten, wenn dieses Publikum handfest gewahr wird, welche Folgen es nach sich zieht, wenn tatsächlich diie Axt an die Fundamente einer funktioniernde Gesellschaft gelegt wird. Auch wenn es jetzt überaus zynisch formuliert sein mag: Dazu könnte ein Freilandversuch auf streng abgegrenztem Gebiet wertvollen Anschauungsunterricht liefern.

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(PS. Ehe ich es vergesse: * - "Polywasser": Polywasser war ein angeblich? vorgeblich? mutmaßlich? 1962 in der UdSSR entdeckter "neuer Aggregatzustand" des Moluküls H²O, der bei Reihenuntersuchungen mit Kapillarröhren nachgeweisen worden sein sollte. Diese Testergebnisse wurden dahingehend interpretiert, daß es sich hier um eine Veränderung der Atompackung handelte, die dazu führte, daß das so veränderte Wasser solche physikalischen Unterschiede zum normalen Aggregatzustand aufwies, daß sein Vorkommen in größeren Mengen erhebliche Konsequenzen nach sich gezogen hätte. Wikipedia referiert dazu:

Die nun untersuchte, damals noch anomales Wasser oder modifiziertes Wasser genannte Flüssigkeit besaß vermeintlich erstaunliche Eigenschaften. Die Viskosität war mit Sirup vergleichbar und um den Faktor 15 höher als bei normalem Wasser. Die thermische Ausdehnung betrug das anderthalbfache von normalem Wasser, es verfestigte sich erst bei unter −30 °C, und das Verfestigen geschah nicht an einem Gefrierpunkt, sondern über ein Gefrierintervall bis zu −60 °C. Das modifizierte Wasser siedete bei einer Temperatur von 150 °C bis 250 °C und wies eine Dichte von 1100 bis 1400 Kilogramm pro Kubikmeter auf (gewöhnliches Wasser besitzt eine Dichte von 1000 kg/m³); die Werte hingen von den Versuchsbedingungen ab. Auch modifiziertes Wasser besaß ein Dichtemaximum vor dem Erstarren, die höchste Dichte wurde jedoch erst bei −8 °C erreicht. Das modifizierte Wasser bildete sich allerdings nur in maximal 30 % bis 40 % der untersuchten Kapillaren aus, und die Kapillare selbst durfte nicht mehr als 0,1 mm Innendurchmesser besitzen, was die experimentelle Untersuchung erschwerte.

Eine der Thesen der beteiligten russischen Wissenschaftler ging nun dahin, daß die Kristallstruktur bzw. die Verteilungen der elekrischen Ladungen auf der Oberfläche dieser Moleküle dazu führen sollten, daß "normalem" Wasser bei Kontakt damit diese neue Struktur und damit auch diese physikalischen Eigenschaften "aufgeprägt" werden sollten. Das hätte nun fatale Folgen nach sich gezogen: eine Umwandlung des gesamten Wassers in den Ozeanen, der Atmoshäre und vor allem: in jeder Zelle eines Lebewesens hätte das Aus für alles Leben auf diesem Planeten bedeutet. Angeblich war die Hauptquelle dieser Variante das Ausschwitzen aus Quarzkristallen, in denen die Umwandlung stattgefunden hatte. Diese alarmierende Aussicht führte im August 1969 zu einer kurzen Aufregung in führenden Wissenschaftsjournalen wie Nature und Science (und hier liegt auch die Quelle für Tuckers Wundermaterial). Zum anderen wurden damals kurz Wundererwartungen an die möglichen Nutzanwendungen einer solch revolutionären Stoffes gerichtet, die zwar in der verfügbaren Literatur nirgends beschrieben wurden, aber als Projektionsfläche deshalb mehr Raum boten. (In Rolf Ulricis "Raumschiff Monitor"-Jugendbuchserie, ab 1970 erschienen, dient Polywasser als integraler Bestandteil für den "reaktionslosen" Antrieb seines Wundervehikels.) Skeptische Geister wiesen alsbald darauf hin, daß Quarzkristalle seit Jahrmilliarden Wasser ausschwitzen, und wenn die postulierten Vorgänge real seien, der befürchtete Effekt schon vor ebenso langer Zeit eingetreten sein müßte; der Nichtnachweis der Existenz von Polywasser von Forschergruppen im Westen sorgte dann dafür, daß die kleine Episode schnellstens ad acta gelegt wurde. Noch skeptischere Geister verwiesen auf eine nette Parallele zu "Ice-nine" in Kurt Vonneguts Roman Cat's Cradle von 1962, jener Variante von H²O in fester Form, die zwar unter extremen Laborbedingungen auftritt, nicht aber in "freier Windbahn", wo die entsprechenden extemen Drücke und Temperaturen nicht vorkommen: bei Vonnegut entsteht diese Variante genau wie bei Polywasser "durch Kontakt" (man erinnere sich an die Stichworte "Proteinfaltung", "Chaperone", "Prionen" und "BSE"), ist aber - wie "in Wirklichkeit" schwerer als flüssiges Wasser und läßt deshalb im Roman nicht nur Seen, sonern auch die Meere im Winter vom Grund her zufrieren  - mit ebenso fatalen Konsequenzen für das Leben auf der Erde.)




U.E.

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