Noch gut ein Monat bis zur Bundestagswahl, und der Wahlkampf geht erstaunlich geräuschlos vor sich - der Schulzzug steht auf freier Strecke, eine Ablösung von Merkel scheint nicht in Sicht. Das wissen auch alle außer dem Schulzzug, aber der hofft ähnlich der AfD darauf, so unsympathisch zu sein, dass sich die Umfrageteilnehmer nicht trauen zuzugeben, für ihn stimmen zu wollen. Die Umfragen sind aber erstaunlich stabil, eine schrödereske Aufholjagd wie 2002 ist nicht zu erwarten. Offen bleibt lediglich noch, ob ich am Wahlabend vom Kneipenwirt meines Vertrauens eine Flasche Himbeergeist gewinne oder sie zahlen muss. Mit dem habe ich nämlich gewettet, dass die AfD einstellig bleibt.
Die AfD hat derweil in der letzten Woche in Magdeburg einen "Russlandkongress" veranstaltet, und weil sie natürlich der Lügenpresse nicht trauen, haben sie schon während der Veranstaltung dazu aufgerufen, sich das Video anzuschauen und nicht den Systemmedien zu glauben. Das habe ich getan. Dieses Video dauert 9 Stunden (in den Pausen kommen immer engagierte Einspielerkonserven vom Compact-Magazin) und hat es wirklich in sich. Bisweilen kam man sich von der Rhetorik vor wie auf einem Parteitag der MLPD oder der kommunistischen Plattform, aber in der Hinsicht schenken sich die sowieso nichts.
Da selbst ein Prankenhieb mit einer Streicheleinheit beginnen soll, zunächst etwas Positives: Die Veranstaltung bestätigt, dass die AfD tatsächlich keine Ein-Themen-Partei (Zuwanderung) ist, sondern im Gegenteil über ein außenpolitisches Konzept verfügt. Und dieses unterscheidet sich bezeichnenderweise nur in Nuancen von dem der Linken. Raus aus der NATO, Bruch mit den USA, Annäherung an Moskau. Damit aber das Publikum nicht aus Versehen ihre Anteile an der BRD GmbH (systemkonform: Wählerstimme) versehentlich Mütterchen Wagenknecht anvertraut, wurde das Ganze ordentlich mit pathetisch deklamierten Putinzitaten und volksdeutschem Zuckerguss bestreut. Radebrechende Spätaussiedler wurden als wahre Träger des Deutschtums gefeiert (das ist besonders lustig, weil gerade diese Gruppe nach ihrer Ankunft in den 90er Jahren kaum besser integriert war als die heutigen Invasoren und eine vergleichbare Kriminalitätsstatistik hatte).
Wenn man sich das Ganze antut, kommt einem ein ganz bestimmter Verdacht. Nicht etwa der gängige: dass die AfD ähnlich dem FN vom Kreml gesponsert wird. Möglicherweise ist es nämlich noch schlimmer: Die glauben den ganzen Mist wirklich und sind nicht einmal so schlau, dafür den Rubel in die Parteikasse rollen zu lassen.
Der Geist von Tauroggen wurde beschworen und als weiterer Höhepunkt kam der litauische "Präsidentenberater" Algis Klimaitis. Seine Rede von der geplanten Rassenvermischung (an anderer Stelle) durch die globalen Eliten ist ebenfalls sehenswert, weil es
a) zeigt, dass auf Compact-Veranstaltungen solcher Unsinn erzählt werden kann, der selbst eingefleischten Putinisten zu weit geht (das Sarkozy-Zitat wird auf Katehon nicht behandelt, aber der Originaltext der Rede ist verfügbar und zeigt, wie konstruiert das ist)
b) auf einer Compact-Veranstaltung zur Wahl in Sachsen-Anhalt stattfand. Weitere Redner: Poggenburg und - natürlich - Jürgen Elsässer.
Nun mag man einwenden - der geschätzte Werwohlf hat das getan - dass es sich ja nicht um "die AfD" handelt. Ja, schon, ein paar "Spinner im Osten", aber davon mögen sich nach wie vor erstaunlich viele die "einzige Partei auf dem Boden des Grundgesetzes" (Tillschneider) nicht madig machen lassen. Und die Weidel, der Meuthen, das sind doch respektable Leute?
Mag sein, wobei ich den Meuthen einfach nur für einen aalglatten Karrieristen halte (man schaue sich mal seine Rede beim Kyffhäusertreffen 2016 an, wo er scheinheilig verkündet, dass es "keine weiteren Machtkämpfe in der AfD" geben werde - kaum ein Jahr später hat er Petry abgesägt). Und Weidel kann sich aussuchen, ob sie an ihrer Forderung nach einem Höcke-Ausschluss festhält und der nächsten Säuberung der Parteien von "U-Booten der Systemparteien" zum Opfer fällt. Mein Tipp: sie hält still. Jedenfalls hat Elsässer sie bereits aufgrund von "Abgrenzeritis und Ausschließeritis" angezählt.
Mag sein, wobei ich den Meuthen einfach nur für einen aalglatten Karrieristen halte (man schaue sich mal seine Rede beim Kyffhäusertreffen 2016 an, wo er scheinheilig verkündet, dass es "keine weiteren Machtkämpfe in der AfD" geben werde - kaum ein Jahr später hat er Petry abgesägt). Und Weidel kann sich aussuchen, ob sie an ihrer Forderung nach einem Höcke-Ausschluss festhält und der nächsten Säuberung der Parteien von "U-Booten der Systemparteien" zum Opfer fällt. Mein Tipp: sie hält still. Jedenfalls hat Elsässer sie bereits aufgrund von "Abgrenzeritis und Ausschließeritis" angezählt.
Der Querfrontler und frühere Antideutsche Elsässer scheint sich immer mehr zum spiritus rector der AfD zu entwickeln. Nicht nur, dass er es - zusammen mit Kubitschek und Tillschneider - geschafft hat, den lange von der quasi entmachteten Petry bekämpften Schulterschluss zu Pegida und den Identitären zu erreichen - sein Einfluss in der AfD wächst und damit natürlich das Gewicht der völkisch-nationalen Ideologen.
Aber der ist doch nicht einmal ein Parteimitglied, und das Parteiprogramm lautet doch auch ganz anders? Wer so argumentiert, hat die AfD spätestens seit Essen nicht verstanden. Programme, Ämter, Satzungen, ja sogar parlamentarische Arbeit sind was für Altparteien, nicht für eine Volksbewegung, als die sich die AfD versteht. Dass ein komplett vom Bundesvorstand ausgeschlossener Landesvorstand im Saarland an einer Wahl teilnimmt und in den Landtag einzieht? Geschenkt. Die ganzen Unregelmäßigkeiten um die Listen in NRW und Sachsen? Firlefanz und allenfalls nütze, um die Spalter Petry und Pretzell loszuwerden. Wen interessieren schon die parlamentarischen Quasselbuden? Politik wird auf der Straße gemacht.
Und hier zeigt sich der Wert Elsässers (und ähnlicher Gastredner) für die AfD, denn als parteilose Integrationsfigur kann er sämtliche Strömungen vereinen und auf Linie bringen, und das mit Aussagen, die sich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht mal ein Höcke leisten kann*. Natürlich verpflichtet sich die AfD zum "demokratischen und gewaltfreien Widerstand" gegen das System. Für den Rest ist Elsässer zuständig:
Die Bundesregierung löst durch die Stimulierung eines unkontrollierten Massenzustroms den Staat auf, hebt die staatliche Ordnung aus den Angeln! In dieser Situation kommt es auf Euch an, Soldaten der Bundeswehr: Erfüllt Euren Schwur und schützt das deutsche Volk und die freiheitliche Ordnung! Besetzt die Grenzstationen, vor allem die Grenzbahnhöfe, und schließt alle möglichen Übergänge vor allem von Süden. Wartet nicht auf Befehle von oben! Diskutiert die Lage mit Euren Kameraden und werdet selbst aktiv! Nur Ihr habt jetzt noch die Machtmittel, die von der Kanzlerin befohlene Selbstzerstörung zu stoppen.
Und der findet eben nicht nur bei den Einzelfällen (TM) im Osten Gehör, er tourt auf unzähligen Versammlungen in NRW, Bayern, Niedersachsen, Baden-Württemberg usw. usf. Immer mit lokaler Parteiprominenz dabei, die brav applaudiert. Und das Schärfste: Intensivseminar für Abgeordnete und Kandidaten zum Thema Fundamentalopposition/Realpolitik - made by Elsässer.
Wer also jetzt immer noch für die Zukunft hofft, dass (vergleichbar den Grünen) die "Realos" innerhalb der AfD das Rennen machen und die AfD den Platz der Union unter Kohl einnimmt, hat verdammt miese Karten. Die Logik der Parteientwicklung spricht einfach dagegen: Lucke fiel der Petrysierung zum Opfer, Petry der Höckisierung, und am Ende steht die Elsässerisierung. Da hilft auch nicht die - wie ich sie nennen möchte - "Stecknadellegende" (von einem Dolchstoß redet ja eh keiner mehr) der Radikalisierung der AfD durch die mediale Negativdarstellung. Die AfD Stand heute spricht für sich selbst.**
Deshalb möchte ich zum Schluss einen Aufruf an alle potenziellen AfD-Wähler richten - in Anlehnung an eine der berühmtesten und brillantesten Wahlkampfreden*** der deutschen Nachkriegsgeschichte und in vollem Bewusstsein, dass besagter Redner die Wahl verloren hat:
Wer der Meinung ist, Merkel sei die schlimmste Kanzlerin seit 1871**** , der soll AfD wählen.
Wer der Meinung ist, Merkel sei die schlimmste Kanzlerin seit 1871**** , der soll AfD wählen.
Wer nicht nur gegen die Islamisierung, sondern auch gegen die Amerikanisierung und Israelisierung Deutschlands ist, der soll AfD wählen.
Wer der Meinung ist, dass Deutschland langfristig aus der NATO austreten und sich Moskau annähern soll*****, der soll AfD wählen.
Wer gegen die "Herstellung von Mischvölkern" ist, der soll AfD wählen.
Wer seine Männlichkeit wieder entdecken will, sollte ganz dringend AfD wählen.
Aber wer die AfD wählen will, um den Untergang des Abendlandes (im Sinne der westlichen Wertegemeinschaft) zu verhindern, möge es bleiben lassen. Man kann nicht nur ein Volk verraten, sondern auch eine Idee.
Meister Petz
* Diese Behauptung stimmt nur zum Teil: Höcke hat sich am 13. Januar 2016 einen vergleichbaren Aufruf an die Bundespolizei leisten können:
*** Elsässer fordert ja, "die AfD braucht mehr von Franz Josef Strauß". Bitteschön, der Herr (ab 00:44:00).
**** Zumindest Elsässer kratzt ganz eifrig an der 45.
***** Korrektur: In einer ursprünglichen Version habe ich behauptet, dass die AfD für ein Militärbündnis mit Russland eintritt. Dies war aber lediglich die Position eines Gastes, Poggenburg hat das abgelehnt und spricht von "Ausgleich".
Liebe Bundespolizei, es war zu allen Zeiten so: Die Großen läßt man laufen, die Kleinen hängt man. Sie stellt man vor Gericht, während Frau Merkel nach Südamerika reist. Deshalb bitte ich Sie: Folgen Sie dieser böswilligen Frau nicht!** Der Link zum Intensivseminar ist der einzige, den ich den Systemmedien entnommen habe, aber da Kalbitz sich ja zitieren lässt, die Einladung von Elsässer erhalten zu haben, ist die Existenz dieser Veranstaltung plausibel. Ansonsten bewusst nur O-Töne.
*** Elsässer fordert ja, "die AfD braucht mehr von Franz Josef Strauß". Bitteschön, der Herr (ab 00:44:00).
**** Zumindest Elsässer kratzt ganz eifrig an der 45.
***** Korrektur: In einer ursprünglichen Version habe ich behauptet, dass die AfD für ein Militärbündnis mit Russland eintritt. Dies war aber lediglich die Position eines Gastes, Poggenburg hat das abgelehnt und spricht von "Ausgleich".