9. August 2017

Google, Gender, Galgenstrick ?

Es ist in der deutschen Öffentlichkeit eine absolute Nickeligkeit, vielleicht allenfalls dazu da, um mal zwischen 15 und 18 Uhr den Ticker einer online Zeitung zu füllen, nichts was auf Seite eins groß auftaucht oder auch nur eine Chance hätte durch die Print-Presse in den Stand einer echten Nachricht geadelt zu werden: Anfang dieser Woch wurde durch Alphabet (die Muttergesellschaft und damit Eignerin von Google) der Ingenieur James Damore entlassen (genauer: gefeuert). Und in China ist ein Sack Reis geplatzt. Sollte man meinen. Eine nähere Beschäftigung mit dem Falle dagegen offenbart und characterisiert ein Problem, dass weit bedeutender ist, als nahezu alles, was derzeit durch den deutschen Blätterwald getrieben wird, von den Schulzschen Nachwahlambitionen bis zu hochgehypten Fipronil-Skandalen.

Nun, fangen wir am Anfang an: Wer ist also James Damore und was macht ihn so besonders? Nun, James Damore ist ein, für Angestellte von Google vielleicht nicht so ungewöhnlich, vergleichsweise hochbegabter junger Ingenieur aus dem Bereich der Biologie, der eben seit drei Jahren bei Google arbeitet. Besonders macht ihn, dass er im letzten Monat ein Dokument, manche nennen es Manifest, von zehn Seiten erstellt hat, in dem er sich mit internen Vorgängen bei Google beschäftigt und insbesondere den Umgang mit modernen "Gender"-Themen aufgreift. Positionen hat er in diesem Dokument einige, aber zentral sind zwei Inhalte: Erstens hält er einige von den PC-orientierten Genderparadigmen für falsch und sieht als Ursache für den hohen Männeranteil bei Google und vergleichbaren Technologiefirmen eher in der Biologie begründet als in irgendwelchen unsichtbaren Vorurteilen. Zum anderen kritisiert er, dass über eine solche Position nicht mehr offen gesprochen werden darf, und das Verfechter einer solchen Position ihre Meinung als solche nicht mehr äußern dürfen.
Während ersteres sicher etwas ist, was lang und breit diskutiert kann und werden sollte, so wurde zweiteres wohl denkbar deftig gerade von Google belegt: Der Mann wurde gefeuert. Und nicht nur gefeuert. Wenn man sieht, mit welchen Methoden und Aussagen heutige und ehemalige Google-Mitarbeiter und Manager auf den Mann einhämmern, dann kriegt man schon einen Eindruck davon wie stark Damore gegen den "Geist von Google" verstossen haben muss. Das Ganze steht im absoluten Gegensatz zum eigentlichen Stein des Anstoßes, der sich nicht nur harmlos liest, sondern mit Sicherheit eine der freundlichsten Schriften ist, die sich kritisch mit einem Genderthema auseinandersetzt. Zumal einiges dafür spricht, dass die wissenschaftlichen Fakten, auf die sich Damore beruft, wohl auch so ziemlich dem Stand der tatsächlichen psychologischen Forschung entsprechen (allerdings nicht der sozialwissenschaftlichen Sicht).
Jetzt ist es natürlich Googles, respektive Alphabets, gutes Recht zu feuern, wen sie wollen. Das ist eine private Firma, mit privaten Verträgen und sie können tun und lassen was sie wollen. Und wenn sie nur Mormonen einstellen wollen, die sich allesamt für die Polygamie aussprechen, so ist das auch in Ordnung. Schwierig wird das Ganze erst dann, wenn etwas so mächtig ist, wie Google und wenn etwas so mächtiges einen zunehmenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann und tut. Das will ich erklären:
James Damore hat sich (fälschlicherweise) darauf verlassen, dass sein Standpunkt bei Google noch diskutiert werden kann, das seine Meinung so frei ist, dass er sie ebenso frei äussern kann. Das war ein Irrtum. Google legt offensichtlich mehr Wert auf seine Gender- und Diversityphilosophie, dass diese Meinung dort keinen Platz mehr hat. Jetzt stellt sich aber die Frage, wie eine Firma, die derartige Prioritäten setzt, öffentlich auftritt, bzw. ihre Geschäfte abwickelt. Es ist wohl kaum davon auszugehen, dass die selben Angestellten, die hier mit großer Agression gegen Damore vorgegangen sind und empört über seine Meinung sind, diese Agression und diese Empörung ablegen, wenn sie ihrem normalen Tagesgeschäft nachgehen. Im Gegenteil. Und jetzt muss man sich klar machen, welche Macht inzwischen Google inne wohnt. Google kontrolliert nicht nur unsere Suchergebnisse, Google bestimmt inzwischen welche News Wichtigkeit bekommen und welche nicht. Google bestimmt welche Filme bei Youtube angesagt sind und welche ausgelistet werden. (An der Stelle darf der billige Gag nicht fehlen, doch mal zu empfehlen in der Google Suche die drei Begriffe "european history people" einzugeben.) Google bestimmt, wer auf Google Plus gehoben wird und wessen Account gesperrt (und zwar ohne jedwede Möglichkeit des Rechtsweges). Google hat Zugriff auf Abermillionen von Handys, kennt Aufenthaltsorte, Gewohnheiten und Meinungen. Und das alles bei einer Organisation, die bestimmte politische Zielsetzungen für wichtiger hält als das Recht seine Meinung zu äussern.
Natürlich können und dürfen die das tun, Google hält sich an bestehende Gesetze. Aber das Potential zur gesellschaftlichen Zerstörung ist derart gewaltig, dass einem Angst und bange werden muss.

In Deutschland beklagen wir oft die einseitigen Medien (zurecht). Der Begriff der Lügenpresse geht ja nicht erst seit gestern spazieren. Und die negative Wirkung dieser Einseitigkeit und die gesellschaftliche Vergiftung, die von dieser Einseitigkeit schonmal resultiert (man denke an die Flüchtlingsberichterstattung in 2015), ist auch kein Geheimnis. Und dennoch sind vermutlich diese Schäden, gegen das Potential von Google (und vergleichbarer Firmen wie Facebook oder Amazon) geradezu ein Kindergarten.

Aus rein persönlicher Sicht bin ich ein großer Fan von Firmen wie Google oder Amazon. Die Suchmaschine ist klasse, google-maps ist ziemlich genial, youtube ist was schönes und der Kundenservice von Amazon sucht seinesgleichen. Alles gut. Aber was ist, wenn wir in gar nicht so ferner Zukunft einen gewaltigen Preis dafür zahlen?  Google, Amazon und Apple wetteifern derzeit darum unsere Wohnzimmer mit Geräten zu fluten, die uns den ganzen Tag zuhören, sich aufs uns einstellen sollen und uns assistieren sollen. Gleichzeitig arbeitet  Google (und vermutlich die Wettbewerber ebenso) an Techniken, um Texte auf Semantik zu untersuchen, so sollen "Hate-Speech" und andere Dinge entdeckt werden. Ist es so schwer hier zwei und zwei zusammen zu zählen? Will man wirklich ein Gerät im eigenen Wohnzimmer, dass die Haltung seines Eigentümers zur derzeitigen political correctness bewertet und weitergibt?

Llarian

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