10. August 2017

Eine Verteidigung Wolfgang Amadeus Mozarts

Muss man Wolfgang Amadeus Mozart verteidigen? Offenbar schon. Denn wie Sabine Bergk in einer unbedingt zur Lektüre empfohlenen Ausgabe ihrer auf cicero.de erscheinenden Kolumne "Morgens um halb sechs" enthüllt, lehnen sämtliche zeitgenössische Tonsetzer, mit denen sie Kontakt hatte, den großen Salzburger Komponisten ab. Zu kitschig sei das Œuvre des vor gut 225 Jahren Verstorbenen nach dem Verdikt der Moderne, die nur das schwer Zugängliche und Komplizierte als Kunst anerkenne.

Sabine Bergk kann man vertiefte Einblicke in die heutige Musiktheater-Community ohne weiteres zugestehen. Sie ist nämlich nicht nur Schriftstellerin, sondern hat auch selbst das eine oder andere Klangwerk, darunter auch Stücke des hier interessierenden Urhebers, auf die Bühne gebracht.
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Was hat die Komponistenszene unserer Tage gegen Mozart? Neid als Motiv der Aversion ist nicht ganz auszuschließen. Denn der sogenannte Götterliebling wird ein knappes Vierteljahrtausend nach seinem Tod immer noch auf der ganzen Welt gehört und gespielt, während das Gros der gegenwärtigen Kreativen in ein bis zwei Generationen nur noch Fußnotentexte in musikwissenschaftlichen Dissertationen füllen wird.

Mozarts Renommee in den Fachkreisen dürfte es auch eher geschadet als genützt haben, dass er posthum zur Pop-Ikone und zum Rockstar avant la lettre stilisiert wurde. Mozart ist der bekannteste klassische Komponist, mit deutlichem Abstand vor Beethoven und Bach. Der gebürtige Bonner gilt gemeinhin als cholerischer Sonderling; der berühmteste Thomaskantor wird häufig als protestantisch-strenger Meister des Kontrapunktes dargestellt. Beides ist für einen Komponisten aus heutiger Warte akzeptabel. Mozart dagegen wird von der Nachwelt als Wunderkind abgebildet, als infantiler Höchstbegabter, der zwischen plattem Fäkalhumor und Lebemann-Attitüden sein überreich musengeküsstes und ihm anstrengungslos zugeflogenes Schaffen auf Notenpapier bannte. Das geht gar nicht, zumal wir doch alle zu wissen glauben, dass eine von jeglicher Zerquältheit freie und nicht ständig von Erschöpfungsdepressionen bedrohte Persönlichkeit kein Künstler sein kann.

Am schwersten dürfte allerdings wiegen, dass Mozart schöne Musik gemacht hat. Denn das Werk des Klassikers ist erkennbar an ästhetischen Maßstäben orientiert, dies aber - und darin liegt seine Größe - in allem Anschein nach müheloser, im Wortsinne selbstverständlicher Weise. "Kultur ist das Selbstverständliche" (Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes). Mozart braucht keinen Beipackzettel: Sein Opus liefert alles, was man zu dessen ästhetischer Bewertung benötigt, frei Haus mit. Dies ist bei hoher Kunst - man denke etwa an Shakespeare oder Michelangelo - meistens so.

Freilich wird der Fachwissenschaftler in den Partituren des Salzburgers, den Dramen des Mannes aus Stratford und den Skulpturen des Toskaners Dinge entdecken, die dem Laien verborgen bleiben. Aber dabei handelt es sich in der Regel um außerkünstlerische, für die ästhetische Bewertung irrelevante Dinge wie zum Beispiel einen bestimmten Zeitbezug. Darin unterscheidet sich die große alte von der postmodernen Kunst. Denn diese gewinnt viel zu häufig alles, was ihr Leben einhaucht, aus dem außerkünstlerischen, etwa dem politischen Bereich. In ästhetischer Hinsicht bleiben diese Werke gerne opak.

Spengler sprach ebenfalls im Untergang des Abendlandes davon, dass Mozart "in seiner Kunst" eine "ungezwungene Meisterschaft" besaß. Man könnte also sagen: Mozart verteidigen heißt die faustische Kultur verteidigen.

Noricus

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