Als dieses (dieser?) Blog noch von seinem Gründer unter dem nom de plume Zettel betrieben wurde, war es nicht ungewöhnlich, daß ab und an den Lesern eine kleine Frage, in Form einer Multiple-Choice-Entscheidung, gerichtet wurde, um auf überraschende Sachverhalte hinzuweisen oder deren Besonderheit, eben durch den Kontrast (oder die Vergleichbarkeit) der angebotenen Lösungsoptionen in ein kärftigeres Licht zu tauchen. In diesem Sinne sei hier, nach langer Pause, eine solche Probe vorgelegt. (Strenggenommen handelt es sich um nichts Multiples, da es nr um eine einzige Auswahl zwischen zwei Positionen geht.) Auf den beiden folgenden Fotos ist jeweils eine Schulklasse des Sommers 2017 zu sehen; bei beiden Schulen handelt es sich um die Abschlußklassen weiterführender, bzw. studienberechtigenden Abteilungen eines mehrzügigen Schulsystems. Welches der beiden Bilder stammt aus
A. Deutschland?
B. Syrien?
(Die Lösung, mitsamt einigen kurzen Reflektionen, wird morgen an dieser Stelle nachgereicht.)
1.)
1.)
2.)
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Lösung:
Wie manche Kommentatoren richtig erkannt haben, handelt es sich bei dem unteren Bild um die Abiturklasse des Duisburger Theodor-König-Gesamtschule (Quelle: http://tkg-duisburg.de/?p=2760). (Da das Foto einige Aufmerksamkeit in den sozialen Medien auf sich gezogen hat und auch von der BILD als gelungenes Beispiel der Integration aufgegriffen worden ist, war dies auch nicht als allzu hoch gelegte Meßlatte gedacht). Das obere Bild zeigt, wenn die Angaben, die das auf Twitter in der vorigen Woche verbreitete Foto begleiten, zutreffen, entweder eine College-Klasse im syrischen Homs (was unserer gymnasialen Oberstufe entsprechen würde) oder aber Medizin- und Arzthelferstudentinnen an der dortigen Baath-Universität. (Quellen:
https://twitter.com/ahmadalissa/status/890236903143997440, https://twitter.com/Lola_Soria_/status/890239425325780992,
https://twitter.com/Partisangirl/status/890698296485793796)
Es soll hier nicht um die Frage gehen, inwieweit das obere Foto "der Wahrheit" entspricht, also inwieweit hier die komplexe Realität und die desolate Lage in Homs, das im Mai endgültig von der Terrorherrschaft des "Islamischen Staats" befreit wurde und nun unter Kontrolle der syrischen Armee steht, getroffen sind und inwieweit ein solches Bild als "Gutwetterpropaganda" ausgelegt werden könnte. Augenfällig ist der Kontrast zwischen der offenen, legeren Kleidung der vorwiegend weiblichen Studentinnen (oder Schülerinnen) - was nach Jahren des islamistischen Terrors und der brutalen Unterdrückung jeder Freiheit niemandem als ein Wunder erscheinen sollte. Auch aus anderen Kriegszonen und beendeten Terrorregimen sind, durch die ganze Welt hindurch, solche Szenen bekannt. Dieser Frühling, dieses Aufatmen sind stets nur ein kleiner Aspekt; die Mühen des Wiederaufbaus, die desolate Lage können das aber in der Erinnerung nicht überdecken: so war es in Westeuropa nach dem Ende des Dritten Reiches, in Osteuropa nach dem Zusammenbruch des Kasernensozialismus, in Shanghai nach der Kapitulation Japans.
Auf der anderen Seite ist auch das Bild aus dem Deutschland des Jahres 2017 nicht repräsentativ. An der TKG handelt es sich, in dieser Massierung, noch um eine Ausnahmeerscheinung. 41 der 42 Schüler tragen hier eindeutig als türkisch identifizierbare Namen. Es fällt zudem auf, daß in den unteren Klassen - deren Klassenfotos auf dem verlinkten Netzauftritt der Schule eingesehen werden können - der Anteil der "Kopftücher" um einiges geringer ausfällt. Hier mag hineinspielen, daß der Zwang, sich dem familiären Druck und dem der eigenen Gruppe anzupassen, mit zunehmendem Alter größer werden dürfte und die Anpassung von den Mädchen als erträglichere Alternative zu jahrelangen Pressionen empfunden wird. Dennoch dürfte bei vielen Betrachtern, so auch beim Referenten, die erste Reaktion beim Anblick ein ziemliches Erschrecken gewesen sein. Das ist zwar als absolut "politisch inkorrekt" stigmatisiert; aber mit welcher Selbstverständlichkeit hier nicht die egalitären Normen einer aufgeklärten, weltlichen Gesellschaft mit ihrem Außenvorlassen religiöser Normen das Bild bestimmt, sondern die Vorschriften und Bestimmungen des Islams über "Wohlanständigkeit" und Prioritätensetzung bestimmen, das wird in einem solchen Bild in schlagartiger Weise augenfällig, die über die beständig, unablässig steigende Präsenz des Islams in unseren Medien, in unserem Alltag, in jedem Moment außerhalb des beruflichen und privaten Rahmens hinausgeht. Angesichts solcher Bilder ist die Dauerformel "Eine Islamisierung findet nicht statt" als das kenntlich, was sie ist: leere Beschwichtigung. Und es macht deutlich, daß es sich bei den jahrzehntelangen Hoffnungen auf ein Erlahmen des missionarischen Impetus, auf eine konfliktfreie Koexistenz mit einem "reformierten" Euroislam, auf den etwa ein Wissenschaftler wie Bassam Tibi lange Zeit gehofft hat, um eine Illusion, um schlichte Naivität gehandelt hat. Das macht sich nicht so sehr an solchen Bildern fest, sondern an dem sie begleitenden Basso ostinato der täglichen Meldungen über Herrschaftsansprüche im Namen des Islam, über Gewalt und Konflikt in seinem Namen, nach seinen Vorgaben, vor allen hierin: daß sich in diesen immer wiederkehrenden Berichten, in der tupfengleichen Wiederholung zeigt, daß hier auf keine Dynamik zum Besseren, ein Zuwachs an Toleranz und Integration zu hoffen ist. Welche Auswirkungen das auf diese Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten haben wird, wenn die Tendenzen, so wie sie in diesem Bild wie ein auffalmmender Blitz sichtbar werden, sich ungebrochen fortsetzen: das hat diese Gesellschaft, die wir noch - noch - "unsere" nennen können, nicht einmal ansatzweise begriffen.
Eine bittere Ironie könnte darin liegen, daß das Syrien der nächsten Jahrzehnte - wenn die Einhegung des Terrors des IS und der von ihm inspirierten Selbstmordattentäter so gelingen sollte wie der Wiederaufbau des zerstörten Landes - für "Westler" sogar ein sicherer Ort werden könnte als Westeuropa. Die Herrschaft Assads scheint gesichert; die "Weltgemeinschaft" wird sich damit abfinden müssen. Und eine der Bedingungen der Befriedung wird, wie in den arabischen Diktaturen der Nachkriegszeit, vom Ägypten Nassers über den Iran des Schahs und die kemalistische Türkei, in der drakonischen Repression des militanten Islams liegen: der Moslembrüderschaften, der Mullahs und ihren Organisationen wie al-Qaeda, sein. Die blauäugigen Illusionen, die im Westen den Anfang der verheerenden Gewaltorgie des "arabischen Frühlings" begleitet haben, dürften ein für allemal Geschichte sein. Während bei uns also die fatale Dynamik einer gesellschaftlichen Entwicklung - die, man gebe sich hier keinen Illusionen ist, durch nichts zu beinflussen oder zu lenken sein wird - ihre Auswirkungen zeitigen wird, wird man dort stets wissen, daß unnachgiebige Härte gegenüber der im Islam als einer totalitär grundierten politischen Ideologie die einzige Möglichkeit ist, seine Ansprüche einhegen zu können. Und sei es, wie im Fall der genannten "orientalischen Despotien", allein zum Zweck, die eigene Existenz zu sichern.
U.E.
© Ulrich Elkmann. Für Kommentare und Lösungsvorschläge bitte hier klicken.