19. August 2017

Zitat des Tages: Terrorismus und Fatalismus

"Das Risiko lässt sich nicht vermeiden, damit müssen wir uns abfinden. Aber jeder Einzelne kann Widerstand leisten – weiter in Cafés, zu Konzerten und auf Flaniermeilen gehen, und damit die eigenen Werte verteidigen."

Sandra Louven, "Der Terror ist zurück in Spanien", 18.08.2017, Handelsblatt online, zu den Terroranschlägen in Barcelona und Cambrils.

Kommentar: Um es vorwegzunehmen: Der Verfasser dieser Zeilen ist anderer Meinung als Sandra Louven. Die zwei angeführten Sätze aus deren verlinktem Artikel haben sich ungeachtet dessen ein Zitat des Tages verdient, weil sie den Tenor der nach Terroranschlägen erfolgenden, meist recht verschwurbelten Appelle der politisch-publizistischen Klasse prägnant zusammenfassen.
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Wenn die Bundeskanzlerin davon spricht, den "Mördern" dürfe es nicht gestattet werden, "dass sie uns von unserem Weg abbringen, von unserer Art zu leben",  meint sie nichts anderes. Im Kern bedeutet dies nämlich, dass gezielte Maßnahmen gegen den muslimischen Terrorismus unterbleiben werden, der Bürger aber gleichwohl wie gehabt seinen Geschäften und Lustbarkeiten nachgehen soll. Noch deutlicher formuliert: Die Gefahr, Opfer eines Terroranschlags zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko.

Freilich: Die statistische Wahrscheinlichkeit, bei einer dschihadistischen Attacke getötet oder verletzt zu werden, ist nicht so groß, dass ein Rückzug aus dem öffentlichen Raum für den einzelnen Zeitgenossen indiziert wäre. Man muss sich zweifellos davor hüten, unter umgekehrten Vorzeichen in das Spiel der Linken zu verfallen, die zwischen guten irrationalen Ängsten und schlechten irrationalen Ängsten unterscheiden.

Aber: Vor gar nicht allzu langer Zeit wäre es völlig absurd gewesen, in Deutschland Terroranschläge unter das allgemeine Lebensrisiko zu subsumieren, da das Muster wahlloser Angriffe auf beliebige Personen eine Seltenheit darstellte. Und in Ländern wie Spanien oder dem Vereinigten Königreich war der Terror der ETA beziehungsweise IRA in seiner Endphase begriffen, als die Dschihadisten ihre verbrecherischen Aktivitäten aufnahmen. Die Bereitschaft, die durch den islamischen Terrorismus bedingte Gefahrerhöhung einfach so hinzunehmen, dürfte umso geringer sein, als es sich bei den Mördern (als welche die Bundeskanzlerin die Attentäter zutreffend erkennt) ja nicht um unbeherrschbare Naturgewalten handelt, sondern um kriminelle Elemente, deren Bekämpfung eine der Kernaufgaben des Staates darstellt.

Die Behauptung, man müsse sich mit den Gewalttaten abfinden, ist mindestens aus zwei Gründen unredlich: Zum einen suggeriert sie, dass gegen die Dschihadisten kein Kraut gewachsen sei. Dies ist selbstverständlich falsch. Die Frage dürfte eher sein, ob eine Bevölkerungsmehrheit in Europa auch drastische Vorkehrungen mittragen würde und ob solche Maßnahmen mit dem Verfassungs- und gegebenenfalls auch dem internationalen Recht vereinbar sind. Dies lässt sich natürlich nur anhand eines konkreten Vorschlags beurteilen. (Eine Methodendiskussion findet übrigens nebenan im Blog des geschätzten Werwohlfs statt.)

Zum anderen ist der Fatalismus gegenüber dem Terrorismus deshalb unehrlich, weil er verschleiert, was er tatsächlich akzeptiert, nämlich dass dschihadistische Anschläge der Preis für eine Gesellschaft sind, die illegale Einwanderung nicht wirklich verhindern will, die Debatten über die Einstufung Afghanistans und der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer führt und die Vollzugsdefizite bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen als humanitäre Errungenschaft feiert.

Fünf Wochen vor der Bundestagswahl sind solche unangenehmen Überlegungen freilich unerwünscht. In Berlin wird deshalb die Parole ausgegeben: Weiter wie bisher. Und zwar auf allen Ebenen.

Noricus

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