Und willst
Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein. Der Satz stammt
wohl aus Mitte des 19. Jahrhunderts und geht noch auf die französische
Revolution zurück, wo er sich noch etwas platter in Form von „Brüderlichkeit
oder Tod“ findet. Im Lexikon findet man eine sehr passende Erklärung, dass er
meist da verwendet wird, wo nicht Überzeugung und Worte zu einer Handlung
führen sollen, sondern Gewalt.
Dieser Satz
ist genau das, was mir durch den Kopf geht, seit es die Schweiz gewagt hat in
einer Volksabstimmung die Freizügigkeit von Ausländern in Frage zu stellen.
Die Schweiz
ist in diesen Tagen ein gespaltenes Land, eine sehr grundlegende Abstimmung
über Zuwanderung und Freizügigkeit und insbesondere das Verhältnis zur EU hat
diesen Konflikt deutlich gemacht. Die Volksabstimmung führte zu einer
hauchdünnen Mehrheit von 50,3 Prozent, die die Freizügigkeitsabkommen mit der
EU in Frage stellen. Wohlgemerkt: Da wird noch keiner rausgeworfen oder seinen
Rechten beraubt, wenn man den Text der Abstimmung liest, dann reibt man sich die
Augen und fragt sich zunächst, warum das so ein großes Problem verursacht. Die
Änderungen besagen eigentlich nur eins: Die Schweizer bestimmen ihre
Zuwanderung nach ihren Interessen selber. Mehr steht da nicht. Da stehen keine
Quoten, da stehen keine Zahlen, da stehen keine Nationalitäten, da steht gar
nichts, außer das die Schweizer selber bestimmen, wer sich bei Ihnen dauerhaft
aufhalten kann. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn man ein bisschen
drüber nachdenkt. Bleibt die Gegenfrage: Wenn nicht die Schweizer, wer tut es
denn sonst?
Die Antwort
hat nicht lange auf sich warten lassen und da bin ich eben beim Einschlagen des
Schädels: Die EU natürlich. Die EU ist der Meinung, dass sich ein jeder Bürger
der EU frei in der EU bewegen darf, er überall siedeln, arbeiten und sich
niederlassen darf. Und sie ist eben der Meinung, dass habe auch für die Schweiz
zu gelten, deswegen hat sie einen Vertrag mit der Schweiz geschlossen, den diese
erst einmal so akzeptiert hat. Und genau diesen Vertrag wollen (und müssen) die
Schweizer jetzt kündigen. Jetzt sollte man meinen, dass sei ja kein Problem,
keine Freizügigkeit für EU Bürger in der Schweiz kann ja in der Konsequenz
bedeuten, keine Freizügigkeit von Schweizern in der EU. Sollte man meinen. Aber
das reicht der EU nicht (weil sie sich vorstellen können, dass die großen
Auswanderungswellen aus der Schweiz vielleicht doch eher eine Phantasie als
Realität darstellen). Sie nimmt ihr komplettes Vertragswerk mit der Schweiz zur
Hand und kündigt einfach alles. Rechtlich darf sie das, ohne Frage. Das ist so
vereinbart worden, und haltbar.
Aber es ist
interessant, wenn man es sich von Wirkung und Methode her einmal ansieht: Der
Luftverkehr über der EU und der Schweiz hat nichts mit Zuwanderung zu tun, der
Schienenverkehr schon gar nicht. Aber das hindert niemanden daran genau damit
zu drohen, damit die Schweiz weiterhin Zuwanderer aus der EU aufnehmen möge.
Zusammenfassen kann man das simpel: „Entweder nehmt ihr weiter unsere
Zuwanderer auf, oder ihr könnt euren Flugverkehr einstampfen, ihr seit ziemlich
von EU umgeben. Schienenverkehr könnt Ihr gleich mitknicken und den Strom
drehen wir Euch auch ab.“
Das ist das
Gebaren von Tyrannen, simpel und einfach. Man kann von der Schweizer Abstimmung
inhaltlich denken was man möchte, ich kenne Argumente dafür wie dagegen. Es ist
Sache der Schweizer darüber zu befinden und das haben die Schweizer auch getan.
Aber jetzt mit aller Gewalt darauf einzuprügeln, weil jemand seinen Wohlstand
vielleicht nicht teilen möchte, dass finde ich doch ein wenig primitiv. Und
diese Primitivität ist etwas, dass ausnahmsweise sogar mal EU Politiker mit dem
deutschen Stammtisch eint. Wer dieser Tage mal durch die Foren der Tagespresse
liest, der sieht das der Schaum vor dem Mund zwischen Politik und Pöbel bei
diesem Thema durchaus zusammenfließt: „Was erlaube Schweiz?“
Streiflicht
am Rande: Besonders bezeichnend und vielleicht unfreiwillig ehrlich fiel mir
dabei aus die Aussage von unserem Außenministerdarsteller Steinmeier auf: Er
wirft der Schweiz Rosinenpickerei vor. Faire Beziehungen würden bedeuten, dass
man auch Nachteile und Lasten mit in Kauf nimmt. Lasten ? Nachteile ? Gehört
Steinmeier nicht zu der Fraktion, die uns allen seit Jahren erzählt wie positiv
Zuwanderung denn ist? Welche Lasten sollten das denn sein? Ist ihm da zufällig
etwas Ehrliches rausgerutscht?
Wie dem
auch immer sei, ich finde es bezeichnend, dass die EU einem kleinen Land
befehlen will, wen die dort leben lassen. Und es bestätigt mich in der Sicht zu
was für einem Monstrum die EU inzwischen geworden ist. Angefangen als
gemeinsamer Wirtschaftsraum ist es heute ein politischer Krake, der nicht
duldet, dass irgendjemand nach anderen Prinzipien leben kann. Genaugenommen ist
die EU das genaue Gegenteil einer liberalen Staatsordnung. Und sie schlägt
jedem gnadenlos den Schädel ein, der nicht ihr Bruder sein will. Die Idee
übrigens, „Brüderlichkeit oder Tod“ war nie eine des liberalen Bürgertums, sondern
schon immer eine Parole der linken Revolutionäre. Was sagt das über den Geist
der EU aus, dass sie dieses Denken implementiert? Was sagt es über unser Land
aus, dass das die Meinung des Stammtisches ist?
Die Schweiz
wird ihren Weg gehen und sie wird selber für sich entscheiden, wer dort leben
soll und wer nicht. Das betrifft mich und auch „uns“ eigentlich nicht wirklich.
Aber das wir inzwischen in einer politischen Ordnung leben, die sich so wie die
EU verhält, das finde ich beschämend. Und das betrifft uns alle. In Deutschland
wirft man den Amerikanern gerne vor, sich international zu benehmen wie die Axt
im Walde. Klingt etwas hohl, wenn man versucht das ordentlich zu unterbieten.
Llarian
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