11. Februar 2014

Und willst Du nicht mein Bruder sein… oder „Was erlaube Schweiz?“


Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein. Der Satz stammt wohl aus Mitte des 19. Jahrhunderts und geht noch auf die französische Revolution zurück, wo er sich noch etwas platter in Form von „Brüderlichkeit oder Tod“ findet. Im Lexikon findet man eine sehr passende Erklärung, dass er meist da verwendet wird, wo nicht Überzeugung und Worte zu einer Handlung führen sollen, sondern Gewalt.
Dieser Satz ist genau das, was mir durch den Kopf geht, seit es die Schweiz gewagt hat in einer Volksabstimmung die Freizügigkeit von Ausländern in Frage zu stellen.
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Die Schweiz ist in diesen Tagen ein gespaltenes Land, eine sehr grundlegende Abstimmung über Zuwanderung und Freizügigkeit und insbesondere das Verhältnis zur EU hat diesen Konflikt deutlich gemacht. Die Volksabstimmung führte zu einer hauchdünnen Mehrheit von 50,3 Prozent, die die Freizügigkeitsabkommen mit der EU in Frage stellen. Wohlgemerkt: Da wird noch keiner rausgeworfen oder seinen Rechten beraubt, wenn man den Text der Abstimmung liest, dann reibt man sich die Augen und fragt sich zunächst, warum das so ein großes Problem verursacht. Die Änderungen besagen eigentlich nur eins: Die Schweizer bestimmen ihre Zuwanderung nach ihren Interessen selber. Mehr steht da nicht. Da stehen keine Quoten, da stehen keine Zahlen, da stehen keine Nationalitäten, da steht gar nichts, außer das die Schweizer selber bestimmen, wer sich bei Ihnen dauerhaft aufhalten kann. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn man ein bisschen drüber nachdenkt. Bleibt die Gegenfrage: Wenn nicht die Schweizer, wer tut es denn sonst?
Die Antwort hat nicht lange auf sich warten lassen und da bin ich eben beim Einschlagen des Schädels: Die EU natürlich. Die EU ist der Meinung, dass sich ein jeder Bürger der EU frei in der EU bewegen darf, er überall siedeln, arbeiten und sich niederlassen darf. Und sie ist eben der Meinung, dass habe auch für die Schweiz zu gelten, deswegen hat sie einen Vertrag mit der Schweiz geschlossen, den diese erst einmal so akzeptiert hat. Und genau diesen Vertrag wollen (und müssen) die Schweizer jetzt kündigen. Jetzt sollte man meinen, dass sei ja kein Problem, keine Freizügigkeit für EU Bürger in der Schweiz kann ja in der Konsequenz bedeuten, keine Freizügigkeit von Schweizern in der EU. Sollte man meinen. Aber das reicht der EU nicht (weil sie sich vorstellen können, dass die großen Auswanderungswellen aus der Schweiz vielleicht doch eher eine Phantasie als Realität darstellen). Sie nimmt ihr komplettes Vertragswerk mit der Schweiz zur Hand und kündigt einfach alles. Rechtlich darf sie das, ohne Frage. Das ist so vereinbart worden, und haltbar.
Aber es ist interessant, wenn man es sich von Wirkung und Methode her einmal ansieht: Der Luftverkehr über der EU und der Schweiz hat nichts mit Zuwanderung zu tun, der Schienenverkehr schon gar nicht. Aber das hindert niemanden daran genau damit zu drohen, damit die Schweiz weiterhin Zuwanderer aus der EU aufnehmen möge. Zusammenfassen kann man das simpel: „Entweder nehmt ihr weiter unsere Zuwanderer auf, oder ihr könnt euren Flugverkehr einstampfen, ihr seit ziemlich von EU umgeben. Schienenverkehr könnt Ihr gleich mitknicken und den Strom drehen wir Euch auch ab.“
Das ist das Gebaren von Tyrannen, simpel und einfach. Man kann von der Schweizer Abstimmung inhaltlich denken was man möchte, ich kenne Argumente dafür wie dagegen. Es ist Sache der Schweizer darüber zu befinden und das haben die Schweizer auch getan. Aber jetzt mit aller Gewalt darauf einzuprügeln, weil jemand seinen Wohlstand vielleicht nicht teilen möchte, dass finde ich doch ein wenig primitiv. Und diese Primitivität ist etwas, dass ausnahmsweise sogar mal EU Politiker mit dem deutschen Stammtisch eint. Wer dieser Tage mal durch die Foren der Tagespresse liest, der sieht das der Schaum vor dem Mund zwischen Politik und Pöbel bei diesem Thema durchaus zusammenfließt: „Was erlaube Schweiz?“
Streiflicht am Rande: Besonders bezeichnend und vielleicht unfreiwillig ehrlich fiel mir dabei aus die Aussage von unserem Außenministerdarsteller Steinmeier auf: Er wirft der Schweiz Rosinenpickerei vor. Faire Beziehungen würden bedeuten, dass man auch Nachteile und Lasten mit in Kauf nimmt. Lasten ? Nachteile ? Gehört Steinmeier nicht zu der Fraktion, die uns allen seit Jahren erzählt wie positiv Zuwanderung denn ist? Welche Lasten sollten das denn sein? Ist ihm da zufällig etwas Ehrliches rausgerutscht?
Wie dem auch immer sei, ich finde es bezeichnend, dass die EU einem kleinen Land befehlen will, wen die dort leben lassen. Und es bestätigt mich in der Sicht zu was für einem Monstrum die EU inzwischen geworden ist. Angefangen als gemeinsamer Wirtschaftsraum ist es heute ein politischer Krake, der nicht duldet, dass irgendjemand nach anderen Prinzipien leben kann. Genaugenommen ist die EU das genaue Gegenteil einer liberalen Staatsordnung. Und sie schlägt jedem gnadenlos den Schädel ein, der nicht ihr Bruder sein will. Die Idee übrigens, „Brüderlichkeit oder Tod“ war nie eine des liberalen Bürgertums, sondern schon immer eine Parole der linken Revolutionäre. Was sagt das über den Geist der EU aus, dass sie dieses Denken implementiert? Was sagt es über unser Land aus, dass das die Meinung des Stammtisches ist?
Die Schweiz wird ihren Weg gehen und sie wird selber für sich entscheiden, wer dort leben soll und wer nicht. Das betrifft mich und auch „uns“ eigentlich nicht wirklich. Aber das wir inzwischen in einer politischen Ordnung leben, die sich so wie die EU verhält, das finde ich beschämend. Und das betrifft uns alle. In Deutschland wirft man den Amerikanern gerne vor, sich international zu benehmen wie die Axt im Walde. Klingt etwas hohl, wenn man versucht das ordentlich zu unterbieten.
Llarian


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