Die wenigsten Menschen mögen gerne neue Stromleitungen.
Manche akzeptieren sie als notwendiges Übel, wie z. B. der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der im Juni 2013 im Bundesrat dem Bundesbedarfsplanungsgesetz für den Netzausbau zugestimmt hat.
Manche akzeptieren sie als notwendiges Übel, wie z. B. der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der im Juni 2013 im Bundesrat dem Bundesbedarfsplanungsgesetz für den Netzausbau zugestimmt hat.
Andere halten sie für eine unnötige Belastung der Anwohner und lehnen sie deshalb ab. Wie z. B. der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der soeben ein "Moratorium" für neue Stromtrassen verkündet hat.
Wie sagte schon der Kabarettist Bruno Jonas: "I mog an Herrn Seehofer, weil der hängt ned an seiner Meinung!"
Nach ziemlich wüsten Protesten auf den Dialogveranstaltung von Amprion zur geplanten Südost-Gleichstrompassage, bei der Bürger und Kommunalpolitiker ihn darum gebeten - man ist fast versucht zu sagen: "angerufen" - haben, ist er ihnen in seiner typischen Art, das Ohr nah an der Stimme des Volkes zu haben, zu Hilfe geeilt.
Und man mag sich ja wirklich - wie so oft - fragen, was ihn mal wieder geritten hat. Die Reaktionen sind einhellig. "Energiepolitisches Chaos" schreibt die SZ, die Opposition wirft ihm Versagen bei der Energiewende vor oder gar eine „schleichende(...) Rückkehr zur Atomkraft“, meldet der Tagesspiegel.
Hat sich also der mit sonst so sicherem politischen Gespür agierende Seehofer hier mal wieder völlig vergaloppiert? Ich meine: ganz im Gegenteil.
Dass die bevorstehende Kommunalwahl einen Einfluss hat, ist auch oberflächlicheren Beobachtern aufgefallen - und dass in Bayern Parteientscheidungen und Regierungsentscheidungen so eng verwoben sind wie sonst nur in sozialistischen Volksrepubliken, spielt dabei auch eine Rolle.
Denn die geplanten Stromleitungen werden - das haben die tumultartigen Proteste bei den Amprion-Veranstaltungen in Nürnberg und Kulmbach gezeigt, ein wichtiges Wahlkampfthema. Gegen die Trasse zu sein ist, gerade in Franken, Schwaben und der Oberpfalz, wo sie verläuft, bei der momentan hochkochenden Stimmung erste Bürgermeisterpflicht. Gleichzeitig werden dort Kommunalwahlen gerne gegen München gewonnen. So muss Seehofer sich an die Seite der CSU-Amtsträger und Kandidaten stellen, um einerseits die Geschlossenheit der Partei zu wahren und andererseits kein Wahlkampfhindernis für seine Parteifreunde zu sein.
So weit, so offensichtlich. Aber das reicht nicht, denn das letzte Beispiel für ein Moratorium, das schwarzgelbe Kraftwerksmoratorium 2011, ging ja wahlkampfmäßig in Baden-Württemberg ziemlich nach hinten los, eben weil es zu offensichtlich war. Oder wie man in Bayern sagt, nicht "gschmeidig". Diese Geschmeidigkeit des seehoferschen Wahlkampf liegt in der Verknüpfung des Moratoriums mit der EEG-Reform
Dass das "Trassen-Moratorium" von der Substanz her eine ziemliche Luftnummer ist, liegt ja auf der Hand:
- Der Auslöser - die angebliche
Nichtinformation der Staatskanzlei durch Amprion - ist fauler
Budenzauber. Die Leitung steht im Netzentwicklungsplan seit 2012 und
wurde im Bedarfsplan bestätigt. Bayern hat dem Bedarfsplan im Bundesrat zugestimmt.
Schlussfolgerung: Der Horst weiß seit letztem Jahr genau, wo die Leitung verläuft und hat kein Problem damit.
- Laut dem von Bayern im Bundesrat mitgetragenen Gesetz geht
bei länderübergreifenden Stromtrassen - wie der
Südost-Gleichstrompassage - die Verfahrensführung auf die BNetzA über.
Die Staatsregierung hat also kaum etwas mitzureden.
Schlussfolgerung: Der Horst weiß, dass er die Trasse nicht verhindern kann.
- Der Begriff "Bedarfsplan" besagt ja genau, dass die
Leitungen notwenidig sind, und das Argument, dass sich durch Gabriels
ohnehin recht zaghafte EEG-Reformpläne an der "Geschäftsgrundlage" etwas
ändere, überzeugt nicht. Denn zum Einen enthält der Bedarfsplan mehrere
EE-Ausbauszenarien, und zum Anderen war es im Juni 2013 schon
abzusehen, dass die EEG-Deckelung in der nächsten Legislatur kommen
wird.
Schlussfolgerung: Der Horst weiß, dass die Trasse auch nach der EEG-Reform notwendig sein wird.
Das politische Risiko ist gleich Null, weil der Ausgang vorhersehbar ist. Und was die Häme angeht, die jetzt von Opposition und chattering class auf ihn einhagelt, kann er sich mit einem trösten: Dem Wissen, dass die allesamt über jedes Stöckchen springen, das der Horst ihnen hinhält.
Seehofer wird oft so etwas wie "billiger, plumper Populismus" vorgeworfen. Wenn man diesen Schachzug betrachtet, muss man zur Überzeugung gelangen, dass die Behauptung genau zu einem Drittel stimmt...
Und zum Schluss noch eine gute Nachricht für die Freunde der Versorgungssicherheit: Das "Moratorium" wird - wenn meine Interpretation stimmt - dem Netzausbau auf lange Sicht eher nützen als schaden, denn es bringt einen schönen Nebeneffekt: Diejenigen, die die Energiewende propagieren, müssen schon aus politischer Gegnerschaft zu Seehofer den Leitungsbau vorantreiben. Die List der Vernunft!
Meister Petz
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