13. März 2020

COVID-19. Münsterland. Shutdown


(Münster, Promenade auf der Höhe des Iduna-Hochhauses, 12. 3. 2020; eigene Aufnahme)

(Vorausgeschickt: Ja, ich weiß. Es nervt: meine zurzeitige Monothematik. Mein - scheinbar - ausschließliches Interesse an einem Thema, daß jetzt, in dieser Woche, sämtliche anderen Probleme, sämtliche Themenfelder aus dem Fokus der Öffentlichkeit verdrängt hat. Das auf allen Kanälen, wie man seit ein paar Jahren zu sagen pflegt "24/24/365" ventiliert wird: zu jeder Stunde des Tages, jeden einzelnen Tag, das gesamte Jahr hindurch. Das brutale Wirklichkeit ist: Es GIBT kein anderes Thema mehr, das ein Anrecht auf Aufmerksamkeit hat. Was kann ich, als Augenzeuge aus der Froschperspektive, als bislang nicht direkt Betroffener, noch zum Thema hinzufügen, das nicht schon hundert und tausend Mal entweder beschlagener oder ermüdend nichtssagend zu hören, lesen, sehen war? Nun: zum einen ist dies als ein Tagebuch gedacht, eine Sammlung von Notizen, die den gegenwärtigen Stand der Ereignisse festhalten, deren Verlauf - vielleicht - im Nachhinein sehen läßt, wie sich die Entwicklung der Pandemie zum jeweiligen Zeitpunkt präsentierte. Zum anderen Zitate und kurze thematische Verweise auf medizinische, auf politische Aspekte, die einen Kontrast zum mehr oder weniger unmittelbar Erfahrenen bilden, die, so hoffe ich, eine Art "stereoskopischer Sicht" wenigstens ansatzweise möglich machen. Und nein: ich weiß nicht, wie sich der weitere Verlauf gestalten wird. Ich weiß nicht, wie es in zwei Wochen, in einem Monat, in zweien in diesem Land, in dem Landkreis, von dem aus ich dies hier schreibe, aussehen wird. Niemand weiß es. Niemand kann sagen, ob sich die Fallzahlen auf einem mittleren Niveau einhegen lassen werden oder ob die Seuche sich ungehindert ausbreiten kann, bis das Maß erreicht ist, das uns Gesundheitsminister Spahn vor zwei Tagen freundlich angekündigt hat. Es bleibt nur das Abwarten, die Hoffnung, und die Chronistenpflicht. Und der Versuch, das meinige zu tun, nicht zum Verstärker und Multiplikator zu werden. Das letztere ist ein Vabanquespiel. Es ist unmöglich, angesichts der Bevölkerung, um die es hier geht - 82 Millionen - einen jeden fortlaufend durchzutesten; schon gar nicht, wenn befürchtet werden muß, daß er bei der nächsten zufälligen Begegnung zu dieser Kohorte stoßen wird. Die Dynamik der Entwicklung, die wir zurzeit sehen, läßt nichts Gutes erwarten.)

Mit dem heutigen Tag dürfte immerhin jedem, auch dem bislang eher distanziert-skeptischen Beobachter, klar geworden sein, daß die Lage ernst ist. Daß wir es bei SARS-CoV-n mit etwas anderem zu tun haben als mit einer "leichten Grippe." Heute, einen Tag nach dem zweiten Auftritt von Frau Merkel zum Thema am gestrigen Abend, haben im Lauf des Tages alle Bundesländer (wenn ich eines übersehen haben sollte, bitte ich um Entschuldigung) in Eigenregie endlich - endlich! - Konsequenzen gezogen und mit Beginn der kommenden Woche die Schulen und Kindertagesstätten geschlossen. Zumeist ist dies bis auf den Beginn der Osterferien  terminiert. Es ist klar, daß die Termine für die Aufhebung rein formell sind. Sie werden verlängert werden, wenn die Fallzahlen, wie zu erwarten, weiter rapide steigen und auch in drei oder fünf Wochen kein Ende in Sicht ist. (Welche Folgen ein bis dahin ungebrochener exponentieller Anstieg für Mitte oder April bedeuten würde, mag man sich nicht wirklich, in konkreten Zahlen, vor Augen führen. Bei einem solchen Zuwachs, auf den leider zurzeit alle Indikatoren hinweisen, werden wir am Ende der nächsten Woche, spätestens aber in 14 Tagen, die die gesamte Bundesrepublik die Fallzahlen haben, die Italien aktuell hat; und es ist wahrscheinlich, daß diese Zahl von mehr als 15.000 Infizierten - registrierten Infektionen, notabene! - für den am stärksten betroffenen Cluster Nordrhein-Westfalen spätestens 4 bis 5 Tage später ebenfalls erreicht sein wird. Zur Erinnerung: unsere Fallzahlen entsprechen, mit für die Größenordnung unbedeutenden Abweichungen, den italienischen. Wir befinden uns heute am 21. Tag der Krise; Italien zählte am 5. März 3858 Fälle, wir heute 3675; heute, am 29. Tag, meldet Italien 17660 Fälle.)

Für den Zeitpunkt 22:00 MEZ sind für Italien insgesamt 17660 Fälle gemeldet; heute gab es gegenüber dem Stand von gestern einen Zuwachs von 2547; mit 250 neuen Todesfällen. in Deutschland wurden 930 neue Fälle registriert; die Gesamtzahl stieg auf 3675. (China, das seit mehr als einer Woche rapide zurückgehende Zahlen registriert, meldete heute 22 neue Fälle, die die Gesamtzahl seit Ausbruch am Ende des letzten Jahres dort auf 64152 bringt). Wie die WHO heute feststellte, hat sich das Epizentrum der Seuche jetzt auf Europa verlagert - jeden Tag gibt es dort jetzt mehr Infektionen, als in China auf dem Höhepunkt der Epidemie landesweit gezählt wurden.

Für den Regierungsbezirk Münster sehen die Zahlen heute so aus: seit gestern haben wir einen Anstieg von 127 auf 159 Fälle; davon in Münster selbst 29 (gestern 20), im Kreis Coesfeld 39 (gestern 20), im Kreis Steinfurt, von dem aus ich dies schreibe, stieg die Zahl in 24 Stunden von 26 auf 37 (hier befinden sich momentan 417 Menschen in Quarantäne); im Kreis Warendorf von 11 auf 27. Keiner dieser Fälle ist gravierend (mit Ausnahme des am 4.3. Betroffenen, der im Uniklinikum Münster auf der Intensivstation liegt), sie befinden sich in häuslicher Isolation. Nur muß man sehen, daß die ersten aufgetretenen Fälle am 4. und 5. März verzeichnet wurde, vor weniger als 10 Tagen. Und da für die weiteren Tage und Wochen mit einem ungebrochenen Anstieg zu rechnen ist, gibt es keinerlei Grund, hier nicht mit schrecklichen Folgen zu rechnen, wenn man einmal über die nächsten paar Tage, die kommende Woche, hinaussieht.

Münster hat (wie ganz Nordrhein-Westfalen) die Schließung alle Schulen und Kindertagesstätten ab der nächsten Woche angekündigt; NRW hat darüberhinaus alle Besuche von Alters- und Pflegeheimen untersagt - eine sinnvolle Maßnahme, stellen doch Menschen über 70 Jahre die am schwersten exponierte Risikogruppe dar. Die 14 Museen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe bleiben geschlossen; sämtliche Veranstaltungen sind für die Zukunft abgesagt; die Filialen der Sparkasse Münster sind bis auf die Automaten für Geldauszahlung und Überweisungen ebenfalls geschlossen. An der Halle Münsterland wird an diesem Wochenende eine Teststelle zur Abnahme von Rachen- und Nasenabstrichen eingerichtet; zugelassen wird man nach telefonischer Zusage oder durch eine schriftliche Überweisung vom Hausarzt. Die blauen Busse der Stadtwerke Münster haben seit gestern nur noch Einstieg durch die hintere Tür; auch die drei Sitzreihen hinter dem Fahrersitz sind gesperrt; für die roten Busse der RVM, des Regionalverkehrs Münsterland, die bei der Fahrt vom Hauptbahnhof zum Ortsausgang ebenfalls die innerstädtischen Linien bedienen, gilt dies (bislang jedenfalls) noch nicht.

Die Zahl der damit Beförderten hat sich indes signifikant reduziert: Im Bus habe ich heute morgen schätzungsweise nur ein Sechstel des üblichen Fahrgastaufkommens gesehen; im Zug auf der Rückfahrt heute abend war es das gleiche - und das zu den Hauptstoßzeiten. Auch die Innenstadt ist weitgehend verlassen: die Straßen sind nicht leer, aber erheblich entvölkert. (Seit Menschengedenken ist Münster zum erstenmal eine Stadt, in der der Anblick eines radfahrers nachgerade Seltenheitswert besitzt.) Auf den Straßen spürt man eine seltsame, angespannte Ruhe; kein Zeichen von Panik, aber eine absolute Zurückhaltung; die Straßenmusiker und zahlreichen Bettler, an deren zahlreiche Präsenz wir und in den letzten 20 Jahren in allen Fußgängerzonen gewöhnt haben, sind nicht länger präsent.

Die Universität Münster wird das Sommersemester nicht am 1. April, sondern erst am 29. April beginnen; die Tatsache, daß noch Semesterferien herrschen, läßt den Organisatoren noch Zeit, sich hier auf weitere Verschiebungen und die Umstellung des Vorlesungsbetriebs aufs Virtuelle zu organisieren. Professor em. Hugo van Aken, bis zum Juni 2019 Leiter der UKM, den Universitätsklinikums und die der Leitung des Einsatzstabs zur COVID-19-Krise beauftragt, teilte heute mit, daß in münster 147 Intensivbetten verfügbar sind. "Das reiche zur Versorgung, auch mit Blick auf schwer erkrankte Patienten, die nicht vom Coronavirus betroffen seien. Es bestünde also 'kein Grund zur Panik'" (Live-Ticker der Münsterschen Zeitung, 12:48).

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Ein Blick in die Zustände, wie sie sich in der letzten Woche in Norditalien entwickelt haben, ist leider in keiner Weise angetan, in solchen Aussagen eine Beruhigung zu finden. Wir wissen, wie gesagt, nicht, wie die Kurve der Fallzahlen in den nächsten Tagen und Wochen verlaufen wird; wir wissen nur, daß sie fürs Erste rapide nach oben klettern wird. In der österreichischen Kronen-Zeitung war heute über die Vorbereitungen in Wien zu lesen:

880 BETREUUNGSBETTEN
Messehalle Wien wird für Groß-Lazarett vorbereitet
Im Hinblick auf den erwarteten weiteren Anstieg der Corona-Kranken trifft Wien Vorkehrungen, um bei Bedarf genügend Krankenbetten zur Verfügung zu haben. Die Messehalle in Wien-Leopoldstadt wird deshalb für ein Groß-Lazarett vorbereitet, wie Bürgermeister Michael Ludwig am Freitag bekannt gab. In einem ersten Schritt werden in der Halle A ab nächster Woche 880 Betten verfügbar sein.
Wien - und mit ihm auch ganz Österreich - hat heute auf Anweisung von Bundeskanzler Kurz in das geschaltet, was ich in diesem Zusammenhang nicht mehr "Shutdown", sondern "Lockdown" nennen würde (man entschuldige den leicht saloppen Umgang mit den entsprechenden Termini: Der Lockdown in den stark betroffenen chinesischen Provinzen - die strengte der dort verhängten vier Sicherheitsstufen - umfaßte ein völliges Ausgehverbot):  sämtliche Veranstaltungen werden verboten, sämtliche Geschäfte bleiben geschlossen, mit Ausnahme von Banken, Apotheken, Drogeriemärkten, Postfilialen und Handlungen für Tierfutter.

Was Italien betrifft, so möchte ich stellvertretend zwei Berichte von heute zitieren. Zum einen die Beschreibung, die Jennifer Renzi aus dem norditalienischen Tarquinia gestern abend auf ihrer Facebookseite gepostet hat:

#italylockdown - Tag 3
Hallo meine lieben Freunde und Familie außerhalb Italien. Ich möchte Euch heute davon erzählen was zur Zeit bei uns passiert um Euch vor dem was wir gerade durchmachen zu schützen: Letzte Nacht wurden in Italien noch strengere Regeln erlassen. Wir dürfen das Haus nur verlassen, um in den Supermarkt oder in die Apotheke zu gehen (selbstverständlich werden dort nur wenige Personen gleichzeitig reingelassen damit der Abstand von mindestens 1 Meter eingehalten werden kann), wir dürfen – entfernt von anderen - mit dem Hund spazieren gehen oder (alleine) eine Runde laufen.
Wie gesagt, unterwegs muss ein Abstand von mindestens einem Meter zu anderen Menschen eingehalten werden. Alle tragen Masken. Wer sein Haus verlässt muss ein Formular mit sich führen, aus dem hervorgeht, warum man sich draußen und nicht zu Hause aufhält. Man darf keine Freunde oder Familie besuchen oder gar den Wohnort verlassen. Wenn man es nicht erlebt, kann man das nicht verstehen...
Diese strenge Quarantäne-Maßnahme soll dazu beitragen die Ausbreitung des Virus zu verhindern, NICHT weil jede Person, Region oder Stadt im Land mit dem Virus infiziert ist, sondern um die schutzbedürftigen Personen zu schützen und die Belastung der Krankenhäuser, den Ärzten, den Krankenschwestern und dem Pflegepersonal zu verringern.
Italien opfert seine Wirtschaft für die Gesundheit seiner Bürger. Es ist alles geschlossen. Jeder Laden, jedes Büro, jede Fabrik. Ich wiederhole es, geöffnet sind das Elektrizitätswerk, Lebensmittelgeschäfte und Apotheken. Es ist wahrscheinlich, dass jedes andere Land der Welt ein oder zwei Wochen hinter uns liegt. Niemand kann es glauben. Niemand will es glauben. Es ist von Panikmache die Rede. Genau wie auch wir es nicht glauben konnten und die Medien nicht so ernst genommen haben. Aber die Situation ist sehr ernst. Nicht nur unsere Gesundheit, sondern unsere gesamte Existenz steht auf dem Spiel.
Unser Premierminister hat gesagt „Wir müssen uns HEUTE distanzieren, damit wir uns MORGEN umarmen können.“ Es ist unglaublich, und mich persönlich erleichtert es zu sehen, wie schnell sich die Menschen hier zusammengeschlossen haben, um gegen die Verbreitung des Virus zu kämpfen, die Regeln zu respektieren, sich gegenseitig Unterstützung und Solidarität anzubieten. Dieses Opfer, alles stehen und liegen zu lassen, seine Existenz zu riskieren kann Leben retten und dazu beitragen aus dieser schrecklichen Situation schnellstmöglich rauszukommen. HEUTE nehmen die Menschen Hier die Situation sehr ernst. Gemeinsam können wir diese schwere Zeit durchstehen. Damit meine ich nicht nur Italien, damit meine ich die ganze Welt.

Und zum zweiten den Bericht, die heute auf Euronews über die Verhältnisse im lombardischen Bergamo zu lesen ist, unter dem Titel "Das Krematorium läuft rund um die Uhr":

In Bergamo, der mit 1.815 Fällen und 142 Opfern am stärksten betroffene Provinz Italiens, schreibt die Lokalausgabe des Corriere della Sera, dass die Kirche von Ognissanti im Inneren des Friedhofs in eine riesige Leichenhalle verwandelt wurde. "Im großen Kirchenschiff liegen rund 40 Särge mit Leichen, die auf ihre Einäscherung warten".
Bis letzten Donnerstag arbeitete das Krematorium, das einzige in der Provinz, noch im normalen Tempo. Aber in diesen Tagen hat die Stadtverwaltung dem Unternehmen, das es betreibt, den Auftrag erteilt, 24 Stunden durchzuarbeiten.
Aber selbst dann sei es unmöglich, Schritt zu halten: Die Zahl der Todesfälle in der Region Bergamo betrug am Samstag 18, zwischen Sonntag und Montag 44, am Dienstag 33 und am Mittwoch 51. 146 Tote in 5 Tagen. Selbst wenn man den Kremationsofen Tag und Nacht laufen lässt, muss man jetzt zwischen Tod und Einäscherung durchschnittlich fünf Tage warten und einige Leichen nach Varese überführen.
In Zogno hat man entschieden, die Totenglocke nur noch einmal am Tag zu läuten. Stattdessen wird eine Liste der Verstorbenen im Lokalradio verlesen. Beerdigungen müssen ohne Trauerfeier stattfinden.“
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Eine kleine Meldung von heute abend: "Panne beim RKI: Zahl der Coronainfizierten in Deutschland stieg um 50 statt um 10 Prozent" (Spiegel Online)
Seit Wochen tritt der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler fast jeden Morgen um 10 Uhr vor Presse und Kameras. Im täglichen Livestream erklärt er, wie sich die Zahl der Coronainfizierten weltweit entwickelt, wie viele Infizierte es derzeit gibt.
Er nennt die Zahlen für China und andere EU-Länder, für Italien, Frankreich und Spanien. Er erklärt die Entwicklung für Deutschland, wie viele Infizierte gibt es in den Bundesländern - absolut und im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung? Nun ist Wieler bei der Menge der Zahlen offenbar durcheinander gekommen.
Am Freitagmorgen gab er bekannt, dass die Zahl der Infizierten in Deutschland im Vergleich zum Vortag um zehn Prozent gestiegen sei. Nachrichtenagenturen griffen den Wert Zahl auf, auch der SPIEGEL berichtete. Tatsächlich gab es jedoch einen stärkeren Anstieg.
Zahl in einer Woche knapp verfünffacht
Wie es zu der Kommunikations- oder Rechenpanne kam, teilte das RKI nicht mit. Pressesprecherin Susanne Glasmacher merkte jedoch an, dass Anstiege von Tag zu Tag ohnehin wenig aussagekräftig seien. "Es kommt schon mal vor, dass ein Bundesland viele Fälle nachmeldet. Ein halbwegs stabiler Vergleich geht eigentlich nur über Wochen", schreibt sie.
Inzwischen hat das RKI die Infektionszahlen erneut aktualisiert. Stand Freitagabend tragen in Deutschland demnach 3062 Menschen das Virus in sich - etwa 30 Prozent mehr als am Vortag. Eine Woche zuvor, am 6. März, waren nur 639 Menschen infiziert, die Zahl hat sich seitdem also fast verfünffacht.
In der Woche davor stieg sie allerdings noch stärker an: Von 53 Infizierten am 28. Februar auf 639 Infizierte am 6. März - eine Verzwölffachung. Seither wurden in Deutschland zahlreiche Schutzmaßnahmen getroffen.


Präsident Donald Trump hat heute für die USA angesichts der Entwicklung den nationalen Notstand verkündet.

Vorgestern hat hier im Westmünsterland die Kirschblüte begonnen. An vielen Stellen der Promenade, aber auch in den Straßenzügen des Nordviertels, die die genau tausend Bombennächte des Zweiten Weltkriegs fast zur Gänze verschont haben und deren Gründerzeit-Fassaden einen nostalgischen Eindruck davon vermitteln, wie unsere urbanen Zentren einmal aussahen, bevor die Moderne sie vereinzelt und planiert hat, beginnt es benehmend in weiß und hellstem Rosa zu leuchten. Die Abendhimmel der letzten Tage waren ebenfalls von jener unwirklichen Traumfärbung, wie sie nur perfekte, schwebende Frühlingsabende annehmen können: bei der Rückfahrt heute abend stand über der schmalen, schieferfarbenen Silhouette der Baumberge eine ferne, intensiv taubenblaue dichte Wolkenbank, unten wie oben mit einem gesättigten, fast glühenden safrangelben Saum gezeichnet; bis zur Mitte des Himmelsgewölbes von Reihen von Zirrusgeschwadern in weichem Rosa überhöht. Und hoch im Westen, fast 50 Grad über dem Horizont: die Venus als Abendstern zur Zeit ihres hellsten Glanzes.  Ein Traumbild.

Und eins, bei dessen Anblick mich der frevlerische Gedanke überfiel: die Friday-for-Future-Kids haben nur ein volles Jahr gehüpft, haben den Notstand, ja das Weltende behauptet: "wir sind hier, wir sind laut / weil ihr uns die Zukunft klaut!" Und diese Generation, die 70 Jahre Sorglosigkeit erntet, und der nichts ferner zu sein sein als Realitätssinn und tatsächliche existentielle Bedrohungen, wird nun von eben dieser Natur mit genau dem konfrontiert - mit einer jener Geißeln der Menschheit, die über Jahrtausende Alltagsrealität waren - die vergessen und überwunden schienen. Sie erleben das Ende ihrer Welt mit. 

Und ich mußte an die alte Sentenz denken: "Bedenke, worum du bittest. Es könnte dir gewährt werden."







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U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare  bitte hier klicken.