[Artikel vom gestrigen Donnerstag:]
Al Jazeera English übertrug heute Nachmittag eine Pressekonferenz von Scheik Hassan Nasrallah, dem Führer der Hisbollah im Libanon. Eine seltsame, eine erschreckende Pressekonferenz.
Man muß sich an die orientalische Weitschweifigkeit solcher Stellungnahmen gewöhnen. Nasrallah redet blumig, er wiederholt sich endlos. Er redet vom Frieden, von der Brüderlichkeit zwischen Schiiten und Sunniten, vom Dialog mit der Regierung, mit den Christen.
Aber der Kern ist klar: Die Regierung habe der Hisbollah den Krieg erklärt. Jetzt werde man sich verteidigen. Man strecke die eine Hand der Regierung zum Dialog entgegen, aber in der anderen Hand halte man die Waffe.
Adressat der Stellungnahme waren offensichtlich vor allem die Regierungen anderer arabischer Länder, waren die Massen in anderen arabischen Ländern. An diese wandte sich Nasrallah immer wieder und versuchte ihnen einzuhämmern, daß die Hisbollah sich einem Komplott der USA und Israels gegenübersehe. Als deren Komplicen versucht er die Regierung Dschumblat hinzustellen.
Der Anlaß für die jetzige Eskalation war die Entlassung des Sicherheitschefs des Beiruter Flughafens, der der Hisbollah nahestand, sowie die Ankündigung der Regierung, ein privates Telefonnetz und Spionagekameras, die die Hisbollah zur Überwachung des Flughafens aufgestellt hatte, zu demontieren. Ausführliche Berichte dazu findet man in der Jerusalem Post und der New York Times.
Eine Momentaufnahme aus einem Konflikt, der seinen Charakter in Jahrzehnten kaum geändert hat. Die Regierung des Libanon ist zu schwach, um ein Gewaltmonopol zu erzwingen und aufrechtzuerhalten. Vor Jahrzehnten waren es die Fatah und christliche Milizen, die ihren Staat im Staate bildeten. Heute ist es die Hisbollah.
Es ist nicht zu sehen, wie sich die Situation stabilisieren sollte. Die Regierung kann die Hisbollah nicht besiegen, weil sie erstens militärisch zu schwach ist und weil zweitens der Iran dies verhindern würde. Die Hisbollah kann ihrerseits ebensowenig siegen; schon weil das Israel verhindern würde.
Also zieht sich der Konflikt dahin. Ein Schrecken ohne Ende statt eines Endes mit Schrecken.
Während Nasrallah sprach, brachte Al Jazeera im Hintergrund Bilder von den aktuellen Ausschreitungen. Massen von jungen Männern. An einem Werktag haben sie Zeit, sich auf der Straße zusammenzurotten. Vermutlich hat kaum einer von ihnen Arbeit. Sie sind - da sieht Gunnar Heinsohn wohl schon etwas Richtiges - sozusagen der unerschöpfliche menschliche Nachschub, aus dem sich solche Konflikte über Generationen speisen.
[Aktuelle Ergänzung:]
Als ich gestern diesen Artikel schrieb, spielte die Entwicklung im Libanon in den Medien noch kaum eine Rolle; selbst die zitierten Artikel in der Jerusalem Post und der New York Times waren nicht die Aufmacher.
Al Jazeera hingegen hatte die Situation richtig eingeschätzt. Die Redakteure, die Nasrallahs Rede kommentierten, stellten in den Mittelpunkt, daß er einen Kriegszustand konstatiert hätte.
Inzwischen ist das Thema sogar bei "Spiegel Online" angekommen - zeitweise als Aufmacher -, das ja meist erst berichtet, was die Spatzen schon von den Dächern pfeifen.
Da Al Jazeera gestern richtig damit gelegen hatte, die heutige Entwicklung vorherzusagen, sollte man vielleicht auch die sonstige Lageeinschätzung der dortigen Nahost- Redaktion beachten.
Man war sich dort gestern darin einig, daß es jetzt keinen Bürgerkrieg geben werde. Die Hisbollah könne jederzeit Beirut unter ihre Kontrolle bringen; aber sie hätte, so wurde argumentiert, kein Interesse daran. Es gehe ihr darum, jetzt Macht zu demonstrieren, um ihr politisches Gewicht in den kommenden Verhandlungen zu erhöhen.
Die Reporterin, die das gesagt hatte, Rula Amin, meldete sich heute und berichtete über ein Gespräch, das sie gerade mit Walid Dschumblat gehabt hatte. Auch er schloß einen Bürgerkrieg aus. Man könne sich einen Kompromiß mit der Hisbollah auch in Bezug auf des demontierte Funknetz vorstellen, das man umdeklarieren könne. Es werde wohl, sagte Dschumblat, eine libanesische Lösung geben, also einen Kompromiß, bei dem alle Seiten das Gesicht wahren.
Interessant war, daß Dschumblat sich enttäuscht über die libanesische Armee zeigte, die sich aus den Kämpfen heraushält. Dazu berichtet Al Jazeera, daß ein Auseinanderbrechen der Armee in schiitische und sunnitische Gruppen befürchtet werde, wenn sie sich gegen die Hisbollah engagieren würde.
Unklar ist offenbar, welche Rolle der Iran und Syrien bei den jetzigen Vorgängen spielen. Dschumblat ist, wie auch der Regierungschef Saad Al Hariri, dessen Sender heute besetzt wurde, ein erbitterter Gegner Syriens, aber auch Israels und des Westens.
Al Jazeera English übertrug heute Nachmittag eine Pressekonferenz von Scheik Hassan Nasrallah, dem Führer der Hisbollah im Libanon. Eine seltsame, eine erschreckende Pressekonferenz.
Man muß sich an die orientalische Weitschweifigkeit solcher Stellungnahmen gewöhnen. Nasrallah redet blumig, er wiederholt sich endlos. Er redet vom Frieden, von der Brüderlichkeit zwischen Schiiten und Sunniten, vom Dialog mit der Regierung, mit den Christen.
Aber der Kern ist klar: Die Regierung habe der Hisbollah den Krieg erklärt. Jetzt werde man sich verteidigen. Man strecke die eine Hand der Regierung zum Dialog entgegen, aber in der anderen Hand halte man die Waffe.
Adressat der Stellungnahme waren offensichtlich vor allem die Regierungen anderer arabischer Länder, waren die Massen in anderen arabischen Ländern. An diese wandte sich Nasrallah immer wieder und versuchte ihnen einzuhämmern, daß die Hisbollah sich einem Komplott der USA und Israels gegenübersehe. Als deren Komplicen versucht er die Regierung Dschumblat hinzustellen.
Der Anlaß für die jetzige Eskalation war die Entlassung des Sicherheitschefs des Beiruter Flughafens, der der Hisbollah nahestand, sowie die Ankündigung der Regierung, ein privates Telefonnetz und Spionagekameras, die die Hisbollah zur Überwachung des Flughafens aufgestellt hatte, zu demontieren. Ausführliche Berichte dazu findet man in der Jerusalem Post und der New York Times.
Eine Momentaufnahme aus einem Konflikt, der seinen Charakter in Jahrzehnten kaum geändert hat. Die Regierung des Libanon ist zu schwach, um ein Gewaltmonopol zu erzwingen und aufrechtzuerhalten. Vor Jahrzehnten waren es die Fatah und christliche Milizen, die ihren Staat im Staate bildeten. Heute ist es die Hisbollah.
Es ist nicht zu sehen, wie sich die Situation stabilisieren sollte. Die Regierung kann die Hisbollah nicht besiegen, weil sie erstens militärisch zu schwach ist und weil zweitens der Iran dies verhindern würde. Die Hisbollah kann ihrerseits ebensowenig siegen; schon weil das Israel verhindern würde.
Also zieht sich der Konflikt dahin. Ein Schrecken ohne Ende statt eines Endes mit Schrecken.
Während Nasrallah sprach, brachte Al Jazeera im Hintergrund Bilder von den aktuellen Ausschreitungen. Massen von jungen Männern. An einem Werktag haben sie Zeit, sich auf der Straße zusammenzurotten. Vermutlich hat kaum einer von ihnen Arbeit. Sie sind - da sieht Gunnar Heinsohn wohl schon etwas Richtiges - sozusagen der unerschöpfliche menschliche Nachschub, aus dem sich solche Konflikte über Generationen speisen.
[Aktuelle Ergänzung:]
Als ich gestern diesen Artikel schrieb, spielte die Entwicklung im Libanon in den Medien noch kaum eine Rolle; selbst die zitierten Artikel in der Jerusalem Post und der New York Times waren nicht die Aufmacher.
Al Jazeera hingegen hatte die Situation richtig eingeschätzt. Die Redakteure, die Nasrallahs Rede kommentierten, stellten in den Mittelpunkt, daß er einen Kriegszustand konstatiert hätte.
Inzwischen ist das Thema sogar bei "Spiegel Online" angekommen - zeitweise als Aufmacher -, das ja meist erst berichtet, was die Spatzen schon von den Dächern pfeifen.
Da Al Jazeera gestern richtig damit gelegen hatte, die heutige Entwicklung vorherzusagen, sollte man vielleicht auch die sonstige Lageeinschätzung der dortigen Nahost- Redaktion beachten.
Man war sich dort gestern darin einig, daß es jetzt keinen Bürgerkrieg geben werde. Die Hisbollah könne jederzeit Beirut unter ihre Kontrolle bringen; aber sie hätte, so wurde argumentiert, kein Interesse daran. Es gehe ihr darum, jetzt Macht zu demonstrieren, um ihr politisches Gewicht in den kommenden Verhandlungen zu erhöhen.
Die Reporterin, die das gesagt hatte, Rula Amin, meldete sich heute und berichtete über ein Gespräch, das sie gerade mit Walid Dschumblat gehabt hatte. Auch er schloß einen Bürgerkrieg aus. Man könne sich einen Kompromiß mit der Hisbollah auch in Bezug auf des demontierte Funknetz vorstellen, das man umdeklarieren könne. Es werde wohl, sagte Dschumblat, eine libanesische Lösung geben, also einen Kompromiß, bei dem alle Seiten das Gesicht wahren.
Interessant war, daß Dschumblat sich enttäuscht über die libanesische Armee zeigte, die sich aus den Kämpfen heraushält. Dazu berichtet Al Jazeera, daß ein Auseinanderbrechen der Armee in schiitische und sunnitische Gruppen befürchtet werde, wenn sie sich gegen die Hisbollah engagieren würde.
Unklar ist offenbar, welche Rolle der Iran und Syrien bei den jetzigen Vorgängen spielen. Dschumblat ist, wie auch der Regierungschef Saad Al Hariri, dessen Sender heute besetzt wurde, ein erbitterter Gegner Syriens, aber auch Israels und des Westens.
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