17. Mai 2008

Marginalie: Die Platitüden des Popstars Dalai Lama

Einen "Popstar" nennt die "Welt" den Dalai Lama in der Überschrift eines Artikels, in dem Mariam Lau seinen Auftritt in Bochum schildert. Auszug:
Zwischen seinen eher schlichten, oft an Kalenderblätter erinnernden Sentenzen bricht er in ein äußerst gewinnendes Pferdelachen aus. Einmal wendet er sich an die Damen. "Sie geben viel Geld aus für äußere Schönheit. Some colour! Some lipstick! Isn’t it!? Hahaha!" Dabei komme es auf die innere Schönheit an!

Es folgt ein Vortrag über Globalisierung, bei dem der Dalai Lama seiner Selbstbeschreibung als "Alt-Marxist" alle Ehre macht. Dass die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer werden, dass die lokale Ökonomie zu oft dem Konglomerat weichen müsse, dass wir dagegen alle immer enger zusammenrücken müssen, gleiche Rechte bekommen und so weiter und so fort.
Und so weiter und so fort. So kennt man ihn. So habe ich ihn jedenfalls in allen Reden und Interviews erlebt, die ich gesehen habe.

Hier ist ein Beispiel aus einem Interview mit Larry King am 11. September 2005, als vier Jahre nach 9/11 in New Orleans die "Katrina"- Katastrophe auf ihren Höhepunkt war. King befragte den Dalai Lama zu beiden Ereignissen:
KING: Your Holiness, what do you say to Americans who have faced so much in the last four year? Four years ago today the tragedy in New York and now this? What do you say? I know you offer a lot of help in many ways, but what do you say to the people of this county?

DALAI LAMA: I deal firstly with the September 11 event, this is manmade disaster and our current disaster that is natural sort of event. So I think -- I think in both cases is it the (UNINTELLIGIBLE) of suffering (UNINTELLIGIBLE) those people on the spot. Is they suffer much. So now, I think very important, this moment should not lose hope. And some cases I think people now lost everything. Now these people must build -- rebuild their new home and prosperity of future -- new future. So now here important is self confidence and should not give up your effort. That's, I think, the very important. According our own experience -- my own experience is in no matter how sort of difficulties, how painful experience is, if we lose our hope that's our real disaster. But without losing hope and determination and we can work on these problems, this suffering.

KING: Eure Heiligkeit, was sagen Sie den Amerikanern, denen in den letzten vier Jahren so viel widerfahren ist? Heute vor vier Jahren die Tragödie in New York, und jetzt das? Was sagen Sie? Ich weiß, daß sie auf viele Arten eine Menge Hilfe anbieten, aber was sagen Sie den Menschen unseres Landes?

DALAI LAMA: Ich befasse mich erst mit dem Ereignis des 11. September, das ist von Menschen verursachtes Desaster und unser jetziges Desaster, das ist eine natürliche Art von Ereignis. Also ich denke - ich denke, in beiden Fällen ist es das (UNVERSTÄNDLICH) des Leidens (UNVERSTÄNDLICH) der Menschen vor Ort. Ist sie leiden viel. Und manche Fälle, ich denke die Menschen verloren jetzt alles. Jetzt müssen diese Menschen ihr Heim bauen - ihr neues Heim wieder aufbauen und ihren Wohlstand von Zukunft - neue Zukunft. Also jetzt hier wichtig ist Selbstvertrauen und sollte nicht sein Bemühen aufgeben. Das ist, denke ich, das sehr wichtige. Nach unserer eigenen Erfahrung - meine Erfahrung ist, egal wie Art von Schwierigkeiten, wie schmerzhaft Erfahrung ist, wenn wir unsere Hoffnung verlieren, ist das unser wirkliches Desaster. Aber ohne die Hoffnung und Entschlossenheit zu verlieren und wir können an diesen Problemen arbeiten, diesem Leiden.
Ich habe versucht, das Englisch des Dalai Lama auf ähnlichem sprachlichem Niveau zu verdeutschen. Aber nicht um das - für jemanden, der fast sein ganzes Leben in Indien zugebracht hat - erstaunlich unbeholfene Englisch geht es mir, sondern um die Plattheit der Äußerung. Von jedem beliebig herausgegriffenen Passanten, dem man ein Mikrophon hinhält, hätte man solche Sätze bekommen können.

Und das ist, wie gesagt, keine Ausnahme. Ehrlich gesagt, ich kann mich an keinen Auftritt des Dalai Lama erinnern, wo er nicht in solchen Platitüden geredet hätte. Mit Ausbrüchen von Lachen, ja. Von mir aus eines gewinnenden Lachens, das ist Geschmackssache. Aber im intellektuellen Niveau so wie dieser zitierte Ausschnitt.



Recht betrachtet ist das ja auch nicht erstaunlich. Die geistlichen Führer des Christentums, des Judentums, des Islam sind in ihre Ämter durch herausragende Leistungen als Theologen und Seelsorger gekommen. Der Dalai Lama ist in sein Amt gekommen, weil er als Zweijähriger im Jahr 1937 als die Reinkarnation des dreizehnten Dalai Lama, Thubten Gyatso, erkannt wurde.

So redet er, scheint mir. Wie ein beliebig herausgegriffener Sohn armer Leute aus Tibet eben redet, auch wenn er eine geistliche Ausbildung erfahren hat.

Ich kann mich täuschen. Ich kenne ja nicht mehr als Interviews und Reden des Dalai Lama als öffentliche Figur. Vielleicht ist er als Lehrer, als Autor ungleich bedeutender. Aber es könnte doch auch sein, daß er genau so ist, wie er sich bei seinen öffentlichen Auftritten gibt.

Er wäre dann wohl das Opfer ständigen Mißverstehens. Der Heilige Mann muß doch Kluges, ja Weises sagen; das wird vorausgesetzt. Er ist ein Orientale, ein Buddhist; da billigt man ihm zu, in Rätseln, in Andeutungen zu sprechen. Er redet Englisch, und das versteht man eh nicht gut. Im Zweifelsfall wird man ihm einen Sinn zugestehen, den man, nun ja, so eigentlich nicht wirklich gehört hat, aber den man doch vermutet.

Er muß doch in schönen Kleidern einherfahren, der Kaiser.



China ist nach meiner Auffassung eine Kolonialmacht, die ihre Kolonie Tibet mit brutaler Gewalt unterdrückt; das Streben der Tibeter nach Freiheit ist in jeder Hinsicht gerechtfertigt und unterstützenswert. Sie verstehen sicherlich, warum ich diesen Satz anfüge.



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