14. Mai 2008

Marginalie: Kann Hillary Clinton aus ihrem Triumph in West Virginia noch Kapital schlagen?

"Clinton crushes Obama across the board", also ungefähr "Clinton fegt Obama hinweg" titelt CNN im Augenblick.

In der Tat: Clinton hat West Virginia nicht einfach nur gewonnen, sondern sie hat es mit 67 zu 26 Prozent überwältigend gewonnen. Und das, obwohl sie schon als erledigt abgetan worden war. Die Wähler in West Virginia sahen das anders; vielleicht drückt sich in ihrem Votum ja auch so etwas wie eine Trotzreaktion gegen die Großkopfeten in Washington und in den Leitmedien aus, die über Hillary Clinton bereits den Stab gebrochen hatten.

Kann sie dieser Sieg noch retten? Ihr Strategie sieht, folgt man der amerikanischen Presse, so aus:
  • Erstens will sie erreichen, daß die Ergebnisse der Primaries in Michigan und Florida nachträglich doch noch anerkannt werden. Die Parteiführung der Demokraten hatte ihnen (schon im voraus) die Anerkennung verweigert, weil die örtlichen Parteiorganisationen sich nicht an den von der Zentrale vorgegebenen Zeitplan gehalten hatten. Werden diese Ergebnisse - es hatten sich immerhin 2,3 Millionen Wähler beteiligt - nachträglich legitimiert, dann schmilzt der Vorsprung Obamas bei den Delegierten.

  • Die Superdelegierten schwenken zwar im Augenblick zu Obama, aber Clinton versucht sie zurückzuholen. (Wenn ein Superdelegierter sich für einen Kandidaten ausspricht, dann ist das völlig unverbindlich. Er kann seine Meinung bis zum Augenblick der Nominierung jederzeit ändern). Clinton wiederholt immer wieder das Argument, daß sie selbst weit besser als Obama in der Lage sei, die swing states zu erobern; also diejenigen Staaten, die mal republikanisch und mal demokratisch wählen. Die Mehrheiten dort - und nicht der popular vote, also die Gesamtzahl der Stimmen - entscheiden bekanntlich, wer Präsident wird.
  • Die Bedeutung des Ergebnisses gestern in West Virginia liegt darin, daß es ein solcher swing state ist.

    In diesen Staaten waren in den achtziger Jahren viele traditionell demokratisch wählende Bürger aus der Arbeiterschicht zu Ronald Reagan übergelaufen (die sogenannten Reagan Democrats), weil sie die linksintellektuelle Führung der Demokraten ablehnten. Billy Clinton hatte sie wieder für die Demokraten gewonnen.



    Kann diese Doppelstrategie Clintons aufgehen? Viele - beispielsweise die Washington Post - meinen, daß es dafür zu spät sei.

    Warum kämpft Clinton so verbissen weiter? Eine immer wieder zu lesende Spekulation ist, daß sie damit ihre Attraktivität als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft steigern möchte.

    Wird Obama nominiert, dann ist er völlig frei darin, wen er zu seinem running mate macht. Wenn aber Clinton eindeutig seine Wahlchancen bei gerade denjenigen Wählern verbessern würde, bei denen er selbst schwach dasteht, dann könnte das für ihn ein Argument sein, sich für Clinton als seine Nummer zwei zu entscheiden.

    In CNN hat vergangene Nacht ein Redakteur darauf hingewiesen, daß es just so nach der Nominierung von John F. Kennedy gelaufen ist. Dieser machte damals seinen schärfsten Konkurrenten in den Vorwahlen, Lyndon Johnson, zu seinem Vize, weil dieser genau die Stimmen (damals von Southern Democrats) holen konnte, die Kennedy allein nicht bekommen hätte.



    Siehe auch die immer lesenswerte Berichterstattung von Florian Heinhold in Pennsylvania Ave.



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