4. Februar 2007

Zettels Meckerecke: Hugo Chávez und sein deutscher Prof

In einem Beitrag in B.L.O.G. hat Boche auf einen bemerkenswerten Artikel in der vorgestrigen "Jungen Welt" aufmerksam gemacht, in dem ein gewisser Heinz Dieterich die Vereinigung von PDS und WASG - nein, nicht einfach kommentiert, sondern gleich in einen "weltgeschichtlichen Kontext" stellt.

Der Mann ist Professor. Also nur das übliche Schlagobers an Bedeutung und Tiefe, mit dem mancher deutsche Professor auch jeden noch so mickrigen Pudding zu zieren pflegt?

Nein. Ich habe einmal nachgesehen, wer denn dieser Heinz Dieterich ist (und habe das in einem Kommentar zu dem B.L.O.G -Beitrag auch schon kurz berichtet). Was ich fand, war interessant, und es führt in der Tat in so etwas wie einen "weltgeschichtlichen Kontext".



Unter dem Artikel in der "Jungen Welt" steht: Prof. Heinz Dieterich lehrt Soziologie an der Universidad Autónoma Metropolitana in Mexiko-Stadt.

Auf deren WebSite läßt er sich in der Tat finden (als Heinz Steffan Dieterich), wenn auch mit sehr mageren Angaben: Als akademischer Grad wird "promoviert" angegeben, man findet eine Telefonnummer und eine Mailadresse und sonst nur noch die Angabe über den Forschungsbereich: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die Rubrik "Verzeichnis der Publikationen" ist leer.

Ein Verzeichnis von Publikationen kann man aber auf der linksextremen WebSite Axis of Logic finden; dort heißt er auch Heinz Dieterich Steffan. Eine wissenschaftliche Publikation scheint nicht unter den dort verzeichneten Titeln zu sein; es sind journalistische, teils ausgesprochen agitatorische Schriften.

Hier zum Beispiel schreibt Dieterich oder Dieterich Steffan (am 14. Juni 2006!!) über Deutschland: "The new doctrine of the German and Japanese sub-imperialisms (...) is a fascist doctrine in complete agreement with the logic once conceived by the most outstanding Nazi jurist, Carl Schmitt, to justify Hitler's war. "Die neue Doktrin des deutschen und des japanischen Sub- Imperialismus (...) ist eine faschistische Doktrin, die völlig mit der Logik übereinstimmt, wie sie einst von dem bedeutendsten Nazi- Juristen Carl Schmitt zur Rechtfertigung von Hitlers Krieg entworfen wurde".



Starker Tobak, nicht wahr? Einfach nur grotesk? Ein Ewiggestriger? Ein spinnerter deutscher Kommunist, den es nach Mexiko verschlagen hat? Keineswegs. Der Mann hat Einfluß, und er verkehrt in den besten Kreisen.

Die deutsche Wikipedia vermeldet: "Seine Thesen werden zur Zeit in Venezuela von Präsident Hugo Chávez im Zusammenhang mit der Bolivarianischen Revolution erörtert und propagiert. Ferner soll er das Vertrauen des Verteidigungsministers von Kuba, Raúl Castro, haben. Angeblich soll er an der venezolanischen Militärdoktrin mitgewirkt haben und einer seiner Freunde ist Raúl Baduel, der Oberbefehlshabers der venezolanischen Armee. Er gilt als ein inoffiziller Berater von Hugo Chavez."

Die internationale Wikipedia sagt kürzer: "Dieterich is widely known as an advisor of the Venezuelan president Hugo Chávez". Dieterich sei weithin bekannt als Ratgeber des venezolanischen Präsidenten Chávez.



Was nun rät Dieterich oder Dieterich Steffan dem Hugo Chávez? Das wird er gerade öffentlich ausplaudern, sollte man meinen. Aber es gibt ein Interview mit der "Jungen Welt" vom Januar 2006, das hier nachgedruckt ist. Mit erstaunlich offenen Worten. Einige Zitate:

Über sein Verhältnis zu Chávez:
... haben sich immer neue Verbindungen ergeben, und ich habe einige Vorschläge und theoretische Konzepte produziert, die ihm wohl ganz plausibel erschienen und hilfreich waren in der konkreten Situation. (...) So ist es bei einer schönen Freundschaft geblieben, aus der Chávez das nimmt, was ihm nützlich erscheint. Z. B. hat er das Konzept eines "Lateinamerikanischen Machtblocks - Bloque Regional de Poder" übernommen, das ich geprägt habe. Auch der Begriff des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" ist von mir (...).
Über die venezolanische Militärdoktrin:
Das wesentlich Neue daran ist geprägt durch die Erfahrungen seit dem Vietnamkrieg, den militärischen Widerstand im Irak und die Einsicht, daß eine so außerordentlich starke Militärmacht wie die USA nicht durch konventionelle Kräfte gebrochen werden kann, sondern nur durch das, was Mao den lang andauernden Volkskrieg nannte.
Über den venezolanischen Weg zum Sozialismus:
Meiner Ansicht nach kann man heute in Venezuela nur dasselbe machen wie Lenin in der Neuen Ökonomischen Politik. (...) Natürlich führt das nicht automatisch zum Sozialismus. Aber parallel werden die Strukturen für die Äquivalenzökonomie geschaffen. Das ist der entscheidende Unterschied: Es wird nicht erst die demokratische Revolution und dann irgendwann später die sozialistische gemacht, sondern beide Prozesse laufen parallel.
Über die Machtübernahme:
Ob schließlich die sozialdemokratisch-kapitalistische oder die sozialistische Richtung das Übergewicht bekommt, wissen wir nicht. (...) Und Chávez ist in dieser entscheidenden Situation. Die Machtübernahme ist weitgehend gelungen, wenn auch noch nicht so weit, wie wir es uns wünschen.




Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik "Zettels Meckerecke". Hauptsächlich, weil er polemisch ist, gewollt polemisch, und sich insofern von den meisten Beiträgen unterscheidet.

Aber eine Meckerei ist schon auch beabsichtigt:

Jeder kann in den Zitaten nachlesen, daß in Venezuela nicht eine "linke Regierung" im Amt bestätigt wurde, sondern daß eine kommunistische Machtergreifung stattfindet. Falls man denn für das, was seit den vergangenen Wahlen im Gang ist, noch eine sozusagen offiziöse Bestätigung brauchte.

Einen detaillierten Bericht über die Abschaffung der Demokratie in Venezuela finde man auch hier - auf einer Site, die das allerdings begeistert begrüßt; dort erfährt man auch, wie "Ermächtigungsgesetz" auf Spanisch heißt: Ley Habilitante.

Wir Deutschen haben das 1933 erlebt, wie eine Regierung sich von einem eingeschüchterten Parlament per Ermächtigungsgesetz dikatorische Vollmachten geben ließ. Chávez folgt exakt diesem Vorbild, und dem Vorbild der kommunistischen Putsche in der SBZ und in Osteuropa.

Damals haben viele weggesehen und so getan, als ginge sie das nichts an. Es scheint, daß es jetzt wieder genauso ist. Die Nonchalance in unseren Medien gegenüber diesem neuen Totalitarismus ist erschreckend.

Ein Grund zum Meckern, oder nicht?