2. Februar 2007

Marginalie: Schuldeinsicht und ihre Verweigerung

Dies ist eine Marginalie zu einem Artikel von Philipp Wittrock in Spiegel- Online und zu einem Kommentar von Achim im Antibürokratieteam.

Beide befassen sich mit dem im RBB erneut ausgestrahlten Interview von Günter Gaus mit Christian Klar, das ich leider nicht sehen konnte. Ich erinnere mich aber an die Erstausstrahlung. In einem Kommentar zu Achims Beitrag im "Antibürokratieteam" habe ich meine Erinnerung beschrieben.

Achim artikuliert den Eindruck, den auch ich hatte: "Doch Klar bereut, adäquat einem anderen deutschen Täter nicht nur nichts, sondern zeigte im Gespräch nicht einmal Ansätze von Selbstkritik oder Einsicht, dass der mörderische Kampf der Rote Armee Fraktion gescheitert ist".

In dem Kommentar von Philipp Wittrock heißt es:
Im Interview präsentiert sich der Öffentlichkeit ein Gefangener - nicht nur im Knast von Bruchsal, vielmehr auch ein Gefangener seiner selbst. Die Mauern längst vergangener Tage endlich einzureißen, die er selbst um sich herum aufgebaut hat - das schafft Klar nicht. Auch dem Frage-Profi Gaus gelingt es nicht. (...) Tief verstört sei ihr Vater gewesen nach der Begegnung mit dem Mann, der von den Jahren der Haft schwer gezeichnet war, schreibt Bettina Gaus in der "taz". Ihr Vater habe keinen Sinn mehr darin gesehen, dass Klar weiter in Haft bleiben musste - weder den Sinn "der Resozialisierung noch den der Vereitelung weiterer Straftaten".
Ich halte Günter Gaus für einen großen Journalisten. Seine Serien "Zur Sache" und "Zur Person" sind vorbildliche Beispiele für eine Interviewtechnik, die den Interviewten weder zu überfahren versucht, noch ihm die Stichworte liefert. Er hat sich als Interviewer um Verständnis und Kritik bemüht, um eine ehrliche Auseinandersetzung. Niemand nach ihm hat das so hinbekommen, wollte es vielleicht auch nicht.

Ich nehme also ernst, was Günter Gaus geäußert hat. Aber ich bin einigermaßen sicher, daß auch dieser Linksliberale sich nicht frei machen konnte von seiner Sympathie für Linke, selbst wenn sie Massenmörder waren. Auch er hat nicht gesehen, daß der Graben zwischen Demokraten und Politverbrechern verläuft, und nicht zwischen Linken und Rechten.



Ja, natürlich, es ist für einen ideologisch motivierten Mörder eine Katastrophe, einzusehen, daß er ein Mörder ist und kein Kämpfer. Gut möglich, daß Klar daran zerbricht, sich seine Schuld einzugestehen.

Das hat man aber auch den Nazi-Mördern abverlangt, die ja auch meist ideologisch motiviert gewesen sind.

Warum das nicht auch den RAF-Mördern abverlangen, die doch in ihrem elitären Denken, in ihrer Brutalität, in ihrer Menschenverachtung ("klägliche und korrupte Existenz beendet" als Beschreibung des Mords an Schleyer) dieselbe Mentalität hatten wie die Nazi- Verbrecher?