Das Vergnügen an einem Kunstwerk wird gesteigert, wenn man dazu eine kluge Interpretation, eine passende, vielleicht dem Werk kongeniale Kritik liest. Man freut sich an der Klugheit der Kritik, man freut sich, sozusagen sekundär, erneut an dem Kunstwerk, wie man es jetzt im Licht der Kritik sieht.
So ist es mir gegangen, als ich in der gestrigen New York Times A.O. Scotts Besprechung von "Das Leben der Anderen" gelesen habe.
Ich habe diesen Film zweimal gesehen und war sehr von ihm beeindruckt. Das hat sich in zwei Beiträgen hier im Blog niedergeschlagen. Im ersten habe ich diskutiert, ob das eigentlich ein politischer Film ist. Im zweiten ging es mir darum, zu schildern, wie anders man einen Film beim zweiten Besuch sieht.
Die Kritik von A.O. Scott ist ein Musterbeispiel amerikanischer Filmkritik. Eines Stils der Kritik, den ich immer bewundert habe. Der Kritiker legt es nicht auf Lob oder Verriß an. Er nimmt den Film nicht, wie es so oft deutsche Kritiker tun, zum Anlaß, um sich selbst in den Vordergrund zu spielen.
Sondern es wird sorgsam, konkret, detailliert auf den Film eingegangen. Der Kritiker sieht sich nicht als "Kunstrichter"; vielmehr versteht er sich als ein Vermittler zwischen dem Kunstwerk und dem Leser.
Es ist vielleicht ein Reflex des generellen Unterschieds zwischen amerikanischem und deutschem Journalismus. Deutscher Journalismus will sehr oft belehren und beeinflussen; amerikanischer will informieren und interpretieren, ohne sich dem Leser aufzudrängen.
Es fällt mir schwer, etwas von dieser ausgezeichneten Kritik besonders hervorzuheben. Eigentlich möchte ich fast jeden Absatz zitieren. Aber dann kann ja der Leser dieses Blogs ebensogut selbst auf die WebSite der New York Times gehen (Anmeldung erforderlich, aber es tut gar nicht weh).
Also gut, einige Passagen, die ich besonders treffend finde:
Keiner der beiden Protagonisten hat im Lauf der Handlung "sich geändert". Beide haben nur erkannt, daß sie sich selbst nur treu bleiben konnten, indem sie ihr Verhalten änderten.
So ist es mir gegangen, als ich in der gestrigen New York Times A.O. Scotts Besprechung von "Das Leben der Anderen" gelesen habe.
Ich habe diesen Film zweimal gesehen und war sehr von ihm beeindruckt. Das hat sich in zwei Beiträgen hier im Blog niedergeschlagen. Im ersten habe ich diskutiert, ob das eigentlich ein politischer Film ist. Im zweiten ging es mir darum, zu schildern, wie anders man einen Film beim zweiten Besuch sieht.
Die Kritik von A.O. Scott ist ein Musterbeispiel amerikanischer Filmkritik. Eines Stils der Kritik, den ich immer bewundert habe. Der Kritiker legt es nicht auf Lob oder Verriß an. Er nimmt den Film nicht, wie es so oft deutsche Kritiker tun, zum Anlaß, um sich selbst in den Vordergrund zu spielen.
Sondern es wird sorgsam, konkret, detailliert auf den Film eingegangen. Der Kritiker sieht sich nicht als "Kunstrichter"; vielmehr versteht er sich als ein Vermittler zwischen dem Kunstwerk und dem Leser.
Es ist vielleicht ein Reflex des generellen Unterschieds zwischen amerikanischem und deutschem Journalismus. Deutscher Journalismus will sehr oft belehren und beeinflussen; amerikanischer will informieren und interpretieren, ohne sich dem Leser aufzudrängen.
Es fällt mir schwer, etwas von dieser ausgezeichneten Kritik besonders hervorzuheben. Eigentlich möchte ich fast jeden Absatz zitieren. Aber dann kann ja der Leser dieses Blogs ebensogut selbst auf die WebSite der New York Times gehen (Anmeldung erforderlich, aber es tut gar nicht weh).
Also gut, einige Passagen, die ich besonders treffend finde:
"The Lives of Others," one of the nominees for this year’s best foreign-language film Oscar, never sacrifices clarity for easy feeling. Posing a stark, difficult question — how does a good man act in circumstances that seem to rule out the very possibility of decent behavior? — it illuminates not only a shadowy period in recent German history, but also the moral no man’s land where base impulses and high principles converge.Das kommt meinem eigenen Eindruck von diesem Film sehr nahe: Er handelt davon, daß man in jedem Regime, unter allen denkbaren Bedingungen, anständig sein kann. Oder sich eben frei dafür entscheiden kann, es nicht zu sein.
"Das Leben der Anderen", für den diesjährigen Oscar für den besten fremdsprachigen Film nominiert, opfert niemals die Klarheit für seichtes Gefühl. Er wirft eine tiefe, schwierige Frage auf - wie verhält sich ein guter Mensch unter Bedingungen, die als solche die Möglichkeit anständigen Verhaltens auszuschließen scheinen? Er beleuchtet dabei nicht nur eine dunkle Zeit der jüngsten deutschen Geschichte, sondern auch das moralische Niemandsland, auf dem sich einfachste Impulse und hohe Grundsätze treffen.
The plot, as it acquires the breathless momentum of a thriller, also takes on the outlines of a dark joke. The poet and the secret policeman — both writers, in their differing fashions — may be the only two true patriots in the whole G.D.R.; in other words, the only people who take the Republic’s stated ideals at face value. But since the nation itself functions by means of the wholesale and systematic betrayal of those ideals, the only way Wiesler and Georg can express their loyalty is by committing treason.
Während die Handlung die atemlose Geschwindigkeit eines Thrillers erreicht, nimmt sie auch Züge schwarzen Humors an. Der Dichter und der Geheimdienstler - jeder auf seine Art einer, der schreibt - sind vielleicht die beiden einzigen Patrioten in der ganzen DDR; anders gesagt, die beiden einzigen, die das Ideal dieser Republik beim Wort nehmen. Aber da das Land in Form eines vollständigen und systematischen Verrats an diesen Idealen funktioniert, können Wiesler und Georg ihre Loyalität nur im Verrat zum Ausdruck bringen.
The suspense comes not only from the structure and pacing of the scenes, but also, more deeply, from the sense that even in an oppressive society, individuals are burdened with free will. You never know, from one moment to the next, what course any of the characters will choose. Mr. Mühe conveys Wiesler’s curious evolution with appropriate meticulousness and reserve. It is only in retrospect that you appreciate the depth and subtlety of emotion that underlie his performance.
Die Spannung ergibt sich nicht nur aus der Struktur und dem Tempowechsel der Schnitte, sondern - auf einer tieferen Ebene - aus dem Eindruck, das selbst in einer unfreien Gesellschaft das Individuum die Last des freien Willens trägt. Zu keinem Augenblick weiß man, wofür sich eine der Gestalten entscheiden wird. Mühe vermittelt die seltsame Entwicklung Wieslers angemessen sorgsam und zurückhaltend. Erst im Rückblick erkennt man, wie tief und subtil er spielt.
Georg and Captain Wiesler, though they occasionally waver and worry, remain true to their essential natures, and thus embody the film’s deepest, most challenging paradox: people don’t change, and yet the world does.
Georg und Hauptmann Wieseler sind manchmal schwankend und unsicher. Aber sie bleiben doch ihrem eigentlichen Wesen treu. Damit verkörpern sie das tiefste, uns am meisten herausfordernde Paradox des Films: Menschen ändern sich nicht, und doch ändert sich die Welt.
Keiner der beiden Protagonisten hat im Lauf der Handlung "sich geändert". Beide haben nur erkannt, daß sie sich selbst nur treu bleiben konnten, indem sie ihr Verhalten änderten.