Zettels Meckerecke
Austern mit Mousse au Chocolat
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze. Dem Koch noch nicht einmal die Mitwelt. Jedenfalls in Deutschland, jedenfalls bis vor zwei, drei Jahrzehnten.
Jetzt aber sind wir Deutschen auch kulinarisch auf dem Weg zur Westqualität. Im TV sind Kochsendungen so zahlreich wie Sendungen über das Leben im Zoo und Serien, in denen Angehörige bildungsferner Schichten ihren Seelenmüll auskippen.
Und folglich haben wir eine, sagen wir Kochliteratur. Produziert von Journalisten, die restaurantkritische Bücher schreiben und Zeitschriftenartikel. Was einmal Pioniere wie Gert von Paczensky und Wolfram Siebeck begonnen hatten, das ist sozusagen zur Massenbewegung geworden und hat auch bereits eine Berufsbezeichnung hervorgebracht: Den - so lesen wir in der Wikipedia - Gastro-Journalisten.
Diesen mir bisher unbekannten Begriff entnehme ich dem Wikipedia-Artikel über Jürgen Dollase. Und zu diesem bin ich gelangt, weil ich etwas über diesen Gastro-Journalisten erfahren wollte. Das wiederum wollte ich, weil ich in der aktuellen FAZ den Artikel von ihm gelesen habe, über den ich jetzt meckern werde.
Ich habe weder die Meinung von Jürgen Dollase zu beanstanden, noch scheint mir, daß er irgend etwas geschrieben hat, was nicht stimmt. Sondern ich möchte den Blick auf etwas richten, das zu kommentieren oder überhaupt zu beachten manchen vielleicht altmodisch vorkommt: Seinen Stil.
Würde ein Chef so kochen, wie Dollase schreibt, dann gäbe es bei ihm Austern aus der Bretagne, garniert mit Mousse au Chocolat und überzogen mit Frankfurter Grüner Soße.
Harte Worte? Ja. Kann ich das auch beweisen? Ja. Ich habe mir einige seiner Gerichte vorgenommen und versucht, die Austern unter der Garnierung hervorzuziehen. Es folgt jeweils eine Passage aus seinem Artikel und meine Version. Dollase in schwarz, meine Version in blau:
Das Ranking ist übrigens ganz interessant. Der Artikel in der FAZ also lesenswert.
Austern mit Mousse au Chocolat
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze. Dem Koch noch nicht einmal die Mitwelt. Jedenfalls in Deutschland, jedenfalls bis vor zwei, drei Jahrzehnten.
Jetzt aber sind wir Deutschen auch kulinarisch auf dem Weg zur Westqualität. Im TV sind Kochsendungen so zahlreich wie Sendungen über das Leben im Zoo und Serien, in denen Angehörige bildungsferner Schichten ihren Seelenmüll auskippen.
Und folglich haben wir eine, sagen wir Kochliteratur. Produziert von Journalisten, die restaurantkritische Bücher schreiben und Zeitschriftenartikel. Was einmal Pioniere wie Gert von Paczensky und Wolfram Siebeck begonnen hatten, das ist sozusagen zur Massenbewegung geworden und hat auch bereits eine Berufsbezeichnung hervorgebracht: Den - so lesen wir in der Wikipedia - Gastro-Journalisten.
Diesen mir bisher unbekannten Begriff entnehme ich dem Wikipedia-Artikel über Jürgen Dollase. Und zu diesem bin ich gelangt, weil ich etwas über diesen Gastro-Journalisten erfahren wollte. Das wiederum wollte ich, weil ich in der aktuellen FAZ den Artikel von ihm gelesen habe, über den ich jetzt meckern werde.
Ich habe weder die Meinung von Jürgen Dollase zu beanstanden, noch scheint mir, daß er irgend etwas geschrieben hat, was nicht stimmt. Sondern ich möchte den Blick auf etwas richten, das zu kommentieren oder überhaupt zu beachten manchen vielleicht altmodisch vorkommt: Seinen Stil.
Würde ein Chef so kochen, wie Dollase schreibt, dann gäbe es bei ihm Austern aus der Bretagne, garniert mit Mousse au Chocolat und überzogen mit Frankfurter Grüner Soße.
Harte Worte? Ja. Kann ich das auch beweisen? Ja. Ich habe mir einige seiner Gerichte vorgenommen und versucht, die Austern unter der Garnierung hervorzuziehen. Es folgt jeweils eine Passage aus seinem Artikel und meine Version. Dollase in schwarz, meine Version in blau:
Die Bewertungen in den Restaurantführern hinterlassen den Eindruck einiger systembedingter Unschärfen. Die Noten suggerieren ein gleiches Niveau für alle betroffenen Restaurants gleicher Bewertung (etwa: neunzehn Punkte im Gault Millau), was aber weder de facto nachvollzogen werden kann noch in den Redaktionen der Führer tatsächlich so gesehen wird.
Die Bewertungen in den Restaurantführern liefern nur grobe Kategorien, nämlich Sterne oder Punktzahlen. Das wissen sogar die Redaktionen dieser Führer.
Natürlich gibt es dort Diskussionen darüber, ob man eine Note noch aufrechterhalten kann oder abwerten muß, natürlich gibt es schwächere und stärkere Drei-Sterne-Häuser. Unschärfe stiftet der menschliche Faktor, der durchaus verhindert, daß man verdienten Altmeistern die Note kürzt. Auch am Sitz der jeweiligen Führer geht es anscheinend immer etwas milder zu. Vor allem aber produzieren die Führer keine wirkliche Reihenfolge, versagen also dem in diesem Sektor besonders an Zahlen interessierten Publikum die Auflösung im ewigen Suchspiel. In diese Bresche springen diverse Rankings, die in der Regel die Bewertungen der Führer nach einem bestimmten Schema umrechnen und auf diese Weise zu einer Gesamtrangliste kommen.
Man diskutiert über Auf- und Abwertungen, wobei renommierte Köche und Häuser in der Nähe des Verlagsorts oft besser wegkommen. Eine Kategorisierung ist aber nun einmal kein Ranking. Deshalb haben andere auch Rankings veröffentlicht.
(...)
Um die These zu überprüfen, daß es sich bei den Wertungen zwar um veröffentlichte, aber im Detail nicht vollständig präzise Angaben handelt, hat diese Zeitung rund dreißig Verantwortliche des Führergewerbes sowie wichtige Kenner der Materie (...) gebeten, eine Reihenfolge ihrer persönlichen Top ten zu erstellen, auf Wunsch anonym. Die weitgehend kompletten Antworten ergeben nicht nur ein deutlich stärker differenziertes Bild, sondern auch deutlich feststellbare Trends hinsichtlich einzelner Restaurants wie stilistischer Präferenzen.
Auch die FAZ wollte ein Ranking erstellen und hat dazu rund dreißig Fachleute um ihre - auf Wunsch anonyme - Bewertung gebeten. Die meisten haben geantwortet, so daß wir statt einer Kategorisierung jetzt ein Ranking haben. Es zeigt auch, daß die Befragten bestimmte Kochstile bevorzugen.
(...)
Die möglichen Folgerungen aus diesen Einschätzungen sind schwierig zu bewerten, weil, wie gesagt, eine individuelle Meinung die eine Sache ist, die Druckfassung aber anderen Gesetzen unterliegt. Die Prognosen für einzelne Köche könnten dennoch gewisse Vorzeichen für Veränderungen sein. Sollte die vorhandene Grundstimmung zugunsten individueller und/oder kreativerer Küche dazu führen, daß sich eine entsprechende Hausse bildet und in der Folge wesentlichere Umstrukturierungen bei den Bewertungen erfolgen?
Zwischen dem, was die Fachleute denken und dem, was sie schreiben, gibt es vermutlich Unterschiede. Aber wer weiß - vielleicht haben sie Recht damit, daß demnächst originelle Köche besonders erfolgreich sind?
Die zwar handwerklich beachtliche, aber oft redundant exekutierte Spitzenküche ist heute einem vielfältigen Druck ausgesetzt, der sie in absehbarer Zeit entweder in der Versenkung einer Generationenküche verschwinden lassen könnte oder sie zwingen würde, sich wesentlich stärker als je zuvor beständig und neuerlich zu beweisen. Aber - dies sind eben nur Meinungen hinter den Kulissen.
Ein Schelm also, wer Böses dabei denkt.
Text: F.A.Z., 02.09.2006, Nr. 204 / Seite 36
Die heutigen Köche verstehen ihr Handwerk, aber sie kochen langweilig. Das ärgert die Gäste, und deshalb wird es entweder abwärts mit ihnen gehen, oder sie müssen sich etwas Neues einfallen lassen. Sagt man jedenfalls außerhalb der Öffentlichkeit.
Ein Schelm, wer diese Trivialitäten zu einem Artikel aufbläst wie den Eischaum zum Soufflé.
Text: Zettel, 02.09.2006
Das Ranking ist übrigens ganz interessant. Der Artikel in der FAZ also lesenswert.