22. Februar 2013

Frankreichs Niedergang unter den Sozialisten: Bonjour, tristesse



"Tristesse in Paris" überschreibt Karin Finkenzeller einen Artikel, der heute in "Zeit-Online" erschienen ist. Sie geht auf den Minister Arnaud Montebourg ein. Montebourg trägt die aparte Amtsbezeichnung Ministre du redressement productif, zu Deutsch "Minister für Ankurbelung der Produktion". Was es damit auf sich hat, habe ich im Mai 2012 beschrieben:
Im Nachrichtenmagazin Le Point schreibt Marie-Sandrine Sgherri von ministères aux intitulés les plus farfelus, von Ministerien mit den schrägsten Amts­be­zeichnungen.

Ein Beispiel ist das Ministère du Redressement productif. "Zeit-Online" hat das mit "Ministerium für Reindustrialisierung" übersetzt, was natürlich Kokolores ist. Deindustrialisiert ist das High-Tech-Land Frankreich nun doch nicht. Eine richtige Übersetzung ist zum Beispiel "Ministerium für Ankurbelung der Produktion".

Arnaud Montebourg, der dieses Ministerium leiten wird, ist ein ausgewiesener Staatssozialist, ein Globalisierungsgegner; ein Linksaußen der Sozialisten, der ausdrücklich eine andere Republik will (siehe Frankreich hat einen neuen Politstar. Einige Informationen über das Weltbild des Arnaud Montebourg; ZR vom 11. 10. 2011).

Hollande steht in seiner Schuld, denn Montebourg war der dritte erfolgreiche Kandidat bei den parteiinternen Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur gewesen und hatte sich für die Stichwahl zur allgemeinen Überraschung auf die Seite Hollandes geschlagen, gegen Martine Aubry. Dieser Parteinahme hat Hollande es zu verdanken, daß er jetzt Präsident ist (siehe Morgen wird François Hollande sehr wahrscheinlich zum Herausforderer Sarkozys gewählt. Montebourgs Strategie; ZR vom 15. 10. 2011).

Montebourg hat die Aufgabe, die staatssozialistischen Pläne Hollandes in die Tat umzusetzen. Denn mit "Ankurbelung der Produktion" sind nicht etwa Maßnahmen wie Steuer- und Abgabensenkungen oder eine wettbewerbs­fähigere gesetz­liche Arbeitszeit in Frankreich gemeint (derzeit ist sie bei 35 Stunden die Woche festgelegt), sondern beispiels­weise die Schaffung einer staatlichen Investitions­bank zur Steuerung der Wirtschaft.
Über diesen Minister also schreibt Karin Finkenzeller, und zwar dies:
Montebourg ist wirklich nicht um seinen Job zu beneiden. Seit dem Sieg der Sozialisten sammelt der Mann nur Bankrotterklärungen und Stellenstreichungen ein. Im vergangenen Jahr schlossen 266 Fabriken, rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Nur 166 neue entstanden. In diesem Jahr dürfte es kaum besser werden. Die EU-Kommission hat an diesem Freitag die Prognose für dieses Jahr von 0,4 [korrigiert; Zettel] auf 0,1 Prozent gesenkt. Das Wirtschaftswachstum verharrt an der Nulllinie.
Der Artikel geht zwar auch auf eine "'beispiellose Anstrengung' der Regierung von François Hollande" ein, die Staatsausgaben zu senken. Aber an den Grundübeln einer sozialistischen Wirtschaftspolitik wird das nichts ändern. Sie lähmt die Initiative. "Reiche" werden vertrieben. Das Investitionsklima verschlechtert sich. Man kann auch dort in Europa investieren, wo dieses Klima besser ist.

Die Folge ist hohe Arbeitslosigkeit; ist die Schließung von Unternehmen. Der Staat versucht das zu regulieren; dabei brauchte er sich nur mehr aus der Wirtschaft herauszuhalten.

Siehe auch die Serien Gedanken zu Frankreich und Frankreichs Wahljahr 2012 sowie insbesondere:
Links, linker, am linksten. Wer ist der Linkste im ganzen Land Frankreich?; ZR vom 12. 10. 2011

"Mein wahrer Gegner ist die Finanzwelt". Der sozialistische Kandidat François Hollande, trefflich kommentiert von Gero von Randow; ZR vom l3. 2. 2012

Marginalie: Filz à la française. Des Präsidenten Hollande promotion Voltaire; ZR vom 30. 6. 2012

Pierre Moscovici, Frankreichs Superminister für Wirtschaft und Finanzen. Die Karriere eines Linken. Eine Elitekarriere; ZR vom 8. 7. 2012

Hollande 2012 - wie Schröder 1998. Steuer­erhö­hungen, rückgängig gemachte Reformen. Die Sozialisten machen Ernst; ZR vom 1. 8. 2012
Zettel



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