11. Februar 2013

Papst Benedikt XVI. Ein Greis tritt ab. Ein Heiliger wird er nun vermutlich nicht werden

Am 19. April 2005 bestimmte das Konklave den Professor Joseph Ratzinger zum neuen Papst. Er war drei Tage zuvor 78 Jahre geworden; ein Mann also im Alter weit jenseits der Grenze des Ruhestands. Ein Mann am Beginn des Greisen­alters.

Jemand in diesem Alter sollte, so wollte es dieses Konklave, ein Amt ausüben, dessen Arbeits­belastung mit der des amerikanischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin vergleichbar ist.

Professor Ratzinger hat das bewundernswert durch­ge­stan­den. Er hat noch in diesem Amt die Zeit gefunden - besser gesagt, sich diese Zeit genommen - , ein wichtiges theolo­gisches Werk zu schreiben; in drei Bänden über Jesus.

Ich konnte mit diesen Büchern nichts anfangen, weil ich durchweg den Eindruck hatte, daß der Theologe Ratzinger dem Philologen Ratzinger vorgab, was die wissenschaft­liche Wahrheit ist. So kann man nicht forschen; so sollte man nicht forschen. Das ist keine voraussetzungslose Wissen­schaft, sondern in die Wissenschaft transportierter Glaube.

Aber diese Bücher sind eine beeindruckende intellektuelle Leistung. Ratzinger hat sich das Letzte abverlangt; in einem Alter, in dem Andere auf Kreuzfahrten ihre letzten aktiven Jahre genießen.



Er wird nun vermutlich kein Heiliger werden. Sein Vorgänger Johannes Paul II. hat das Leid, dieses Amt bis zum Tod durchstehen zu müssen, nachgerade zelebriert.

Mir scheint, daß es zu Ratzingers Größe gehört, sich dieser Rolle des bis zum bitteren Ende Leidenden zu verweigern. Er tritt jetzt bescheiden ab. Und sein Rücktritt wird ja vielleicht auch eine Diskussion darüber auslösen, was man Menschen eigentlich zumuten kann, die, am Ende ihres Lebens angekommen, nicht mehr die Kraft haben, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden.
Zettel



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