4. Dezember 2022

Der Ethikrat will sich davon stehlen


"Ich war es nicht. Es war Mabuse. Er benutzte mein Gehirn. Ich war es nicht."
                                    -- Dr. Pohland, Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse

Julius Streicher, Herausgeber und Besitzer des "Stürmers" wurde am 1. Oktober 1946 wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zum Tode verurteilt und am 16. Oktober des selben Jahres in Nürnberg hingerichtet. Angeklagt war er ursprünglich auch wegen Beteiligung am Völkermord, konnte jedoch nur nach der allgemeinen Anklage "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" veurteilt werden. In der Urteilsbegründung wurde er als "Judenhetzer Nummer eins (Jew-Baiter Number One)" bezeichnet und das Gericht machte deutlich, dass er aufgrund seiner jahrelangen Hetze verurteilt wurde. Seine Verteidigung bestand im Wesentlichen daraus, dass er nicht an die Judenvernichtung geglaubt habe und damit in seinem Blatt etwas anderes gemeint habe .

Nicht ganz so extrem erging es Georges Ruggiu, einem belgischen, ehemaligen Radiomoderator, der 1994 während des Völkermordes von Ruanda eine Radiosendung moderierte, in der er schlecht verklausuliert seine Hörer dazu aufforderte ihrer "Arbeit nachzugehen", womit recht deutlich damit die Ermordung der Tutsi-Bevölkerung meinte.  Er wurde 1997 gefasst und im Januar 2000 zu 12 Jahren Haft verurteilt. Im Unterschied zu Streicher hatte Ruggiu einen Sinneswandel und war am Ende voll geständig (was am Ende zu der sehr moderaten Strafe führte). 

Streicher und Ruggiu sind in dem Sinne dennoch einige Dinge gemeinsam: Beiden konnte keine direkte Beteiligung am Völkermmord nachgewiesen werden. Beide wurde für das veruteilt, was sie gesagt haben. Und beide konnten sich nicht (erfolgreich) damit verteidigen, dass sie selber nicht die Handelnden waren.

Aber vielleicht waren beide auch nur ungeschickt, denn erstaunlicherweise(!) ist genau das die Argumentationslinie mit der sich der deutsche Ethikrat heute verteidigt, was er in den letzten zwei Jahren angerichtet hat. Der deutsche Ethikrat, angeführt von der "Medizinethikerin" Alena Buyx (die in ihrem Leben nie ernsthaft als Arzt gearbeitet hat und das Feld wohl eher aus der äußeren Anschauung kennt), hat nun, nach immerhin mehr als zwei Jahren erkannt, dass die Corona-Maßnahmen, die die Politik in jenen zwei Jahren auch und gerade auf explizite Empfehlung des Ethikrates durchgeführt hat, den Kindern und Jugendlichen dieses Landes doch sehr geschadet haben und das es sich um einen schweren Fehler gehandelt hat. 

Nun ist späte Erkenntnis sicher besser als gar keine Erkenntnis (schönen Gruß von Herrn Karl L. aus Köln) sollte man meinen, aber so leicht sollte man sich das Ganze dann doch nicht machen, gibt doch der "Ethikrat" Kraft seines Amtes vor, die ihm gestellten Problemstellungen aus ethischer Perspektive zu betrachten und damit allen gesellschaftlichen Gruppen gerecht zu werden. 

Nun kann sicher ein jeder Fehler machen, selbst höchste Qualifikation schützt nicht vor Irrtümern und gerade die Arroganz einer hohen gesellschaftlichen Stellung kann den einen oder anderen dazu verführen seiner Sache sicherer zu sein, als angebracht wäre. Und so wäre es zwar schwer zu verdauen, wenn der "Ethikrat" seinen Fehler einräumen und sich entschuldigen würde, aber immerhin denkbar. Man könnte an der Stelle darüber diskutieren, ob wir einen solchen Rat, der den Steuerzahler immerhin knappe zwei Millionen Euro im Jahr kostet, dann nicht lieber einstampfen sollten, wenn er solcherlei "Fehler" macht, aber vermutlich wäre es das dann auch. 

Aber der Ethikrat hat nicht vor sich zu entschuldigen. Er weist jede Schuld von sich. Und zwar mit dem faszinierenden Argument, er selber (der Rat) habe ja keine politische Macht und verantwortlich könne nur der sein, der die politische Macht tatsächlich ausübt.  

Nun hat der Ethikrat sicher keinen Völkermord zu verantworten, und insofern ist die obige Vorbetrachtung sicher mit Kanonen auf Spatzen geschossen, aber es lohnt sich dennoch die Parallelen zu betrachten, die einen, wenn man sich darauf einlässt, dann auch geradezu anspringen. Das sich ausgerechnet ein "Ethikrat", also eine Gruppe von Leuten, die meinen sie haben einen besonderen Ethos zu vertreten und würden ihre Überlegungen nicht auf stimmungsabhängige und variable Moralvorstellungen sondern auf tiefe Überlegungen stützen, auf ein Argument berufen will, dass auch Völkermörder für sich (wenn auch erfolglos) in Anspruch nehmen, erscheint doch etwas sehr neben der Spur zu liegen. 

Würde man dieser Verteidigung folgen könnte der Ethikrat morgen auch die Zwangskastration von Regimegegnern empfehlen und würde sich nicht verantwortlich fühlen, wenn die Politik dieser Empfehlung folgen würde. Ein erstaunliches Verantwortungsverständnis, gerade in einem Land, dass permanent darauf pocht, dass Meinung durchaus ein Verbrechen sein kann und in dem schon erfolgreich Leute wegen Volksverhetzung verurteilt wurden, deren Vergehen darin bestand einen Like Knopf unter einem Artikel anzuklicken. Allerdings eines was man schonmal bei einer anderen Gruppe von Leuten findet in ganz ähnlichen Machtpositionen, die als Gutachter von Gerichten bestellt werden, und in aller Regel auch jede Verantwortung für die dann gefällten Urteile von sich weisen, weil sie es ja nicht sind, die das Urteil sprechen. 

Ich konnte diese Form von Verantwortungslosigkeit eigentlich noch nie nachvollziehen, ich würde sogar so weit gehen einem Ethikrat, dessen zentrale Aufgabenstellung in der Beratung von politischen Entscheidungsträgern besteht, und der durchaus auch dafür bezahlt wird, eine deutlich größere Verantwortung zuzuschreiben als die eines "Anstifters". Wer in solcher Lage direkte Handlungsvorschläge an die Politik unterbreitet und sich noch dazu damit brüstet, dass diese Vorschläge gerade die ethisch notwendigen sind, der ist mehr als ein Anstifter sondern eigentlich ein Initiator, wenn nicht sogar die eigentlich handelnde Person. Und insofern auch voll(!) dafür verantwortlich, was die Politik am Ende daraus macht. Ein "selber schuld, wenn Du das tust, was ich sage" ist selbst unter Kindergartenkindern keine besonders adäquate Verteidung.

Natürlich kann man das Ganze auf andere Art dann durchaus relativieren: Nämlich damit, dass der Ethikrat ohnehin keine eigene Meinung vertritt sondern nichts weiter ist als ein Mietmaul der Regierung, die versucht ihre Machtpolitik ethisch zu verbrämen. "Seht her, wir sind es ja gar nicht, die totalitäre Maßnahmen wollen, es ist die Ethik, die uns dazu zwingt." Das die Ergebnisse des Ethikrates dann eben genau dem entsprechen, was der Auftraggeber von diesem will, kann dann auch nicht wirklich überraschen. Wer schonmal einen eigenen Anwalt oder Sachverständigen engagiert hat, der weiß auch, dass der einem normalerweise das liefert, was man hören will und da der Ethikrat von der Regierung berufen wird, wäre es schon eher überraschend, wenn dieser der Regierung widersprechen würde. Was er am Ende ja auch nicht tut.

Allerdings die Blöße wollen sich die Damen und Herren dann eben auch nicht geben, sind sie doch Ethikvertreter. Also ist man nicht gekauft oder wäre per se dumm, man hat halt nur sehr viel Pech beim Denken gehabt. Und wenn andere diesem Pech halt folgen, naja, dann ist das ja auch die Schuld der anderen, nicht wahr? 

Wenn nicht praktisch alle politischen "Kabarettisten" dieses Landes auf Regierungslinie liegen würden, wäre diese armseelige Verantstaltung vermutlich genug Gagvorrat für Jahre. Heute allerdings hat der Ethikrat vermutlich wenig zu befürchten. Und wird vermutlich weiter viel Pech beim Denken haben. Wenigstens Ekel Alfred hätte seinen Spaß gehabt. 

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Llarian

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