29. Dezember 2022

„The Witcher: Blood Origin” – Symbol einer neuen Religion. Ein Gastbeitrag von Frank2000





6-Złoty-Briefmarke der polnischen Post von 2016

Auf dem Streamingdienst Netflix läuft seit Weihnachten die neue Serie "The Witcher: Blood Origin,“ ein sogenanntes Prequel. Um die Aufregung über die neue Serie zu verstehen, muss man zunächst den Originalstoff "The Witcher" und die Einstellung seiner Fans dazu verstehen.

„The Witcher“ ist eine polnische Buchserie des Autors Andrzej Sapkowski. Die Hauptfigur ist der Hexer Geralt, der seinen Lebensunterhalt mit dem Töten von Ungeheuern verdient.

Dieser Geralt von Riva entspricht komplett dem Rollenmodell, das heute als "Toxisch" verleumdet und tabuisiert ist: ein nordischer Typ, groß, mit Bärenkräften ausgestattet, hat viel Sex mit Frauen, extrem wenig Emotionen, selbstbewußt, unbeeindruckt.

Um in der Buchvorlage die Persönlichkeit der Hauptfigur zu erklären, wurde sogar eine eigene Rahmenhandlung geschaffen: Hexer werden nicht geboren, sondern gemacht. Im Kindesalter werden Jungen ausgewählt und einem harten Training unterworfen. Dazu kommen aber auch noch biologische und chemische Substanzen zur Leistungssteigerung. Viele Kinder sterben dabei. Wenn ein Junge das überlebt, dann ist er danach übermenschlich stark und schnell - aber seine Emotionen sind auch gedämpft, so als ob er ständig Psychopharmaka nehmen würde. Trotzdem können Hexer einen starken moralischen Kodex haben, was speziell auf Geralt auch zutrifft. (Das Gegenstück bilden dazu in den Büchern die Zauberinnen, die ebenfalls durch ihre Ausbildung verändert werden: sie werden unfruchtbar.)

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Die Rolle des Hexers ist also schon fast satirisch angelegt - was auch dadurch unterstrichen wird, dass der Hexer durchaus selbstkritisch und wenig arrogant angelegt ist.

Da Geralt in einer Fantasywelt lebt und seinen Lebensunterhalt mit dem Töten von Monstern verdient, ist er ständig von den Reichen, Mächtigen und Schönen umgeben: nur die Reichen und Mächtigen können sich seine Dienste leisten und die ständige Lebensgefahr bringt Geralt dazu, in der übrigen Zeit das Leben durchaus mit Wein, Weib und Gesang zu genießen.

Die Bücher werden also von zwei Themensträngen getragen:
1. Dem Hexer Geralt als traditionell extrem männlich angelegter Figur und Haupthandlungsträger (die Serie heißt ja "The Witcher"!)
2. Einer unüberschaubaren Vielfalt an Mächtigen, Reichen und Experten: Männer, Frauen, Zwerge, Elfen, sogar Kinder mit übermenschlichen Fähigkeiten, Künstler, Soldaten, Handwerker, ...

Es ist also schon im Ansatz eine Lüge den Büchern vorzuwerfen, sie würden bestimmte Gruppen ausschließen und würden zum Beispiel starke Frauenrollen nicht zulassen. Die Bücher LEBEN davon, daß Geralt auf diese starken Persönlichkeiten trifft.

Zwei weitere Bausteine muss man allerdings kennen: 1. Keine Gruppe wird heiliggesprochen. Zum Beispiel gibt es auch Frauen, die mächtig und dabei ausgesprochen arrogante, Verzeihung Ars….her sind.
2. Die Rahmenwelt ist an das osteuropäische Mittelalter angelehnt und versucht dabei, trotz des Fantasycharakters eine realistische Welt zu beschreiben. Deswegen kämpfen fast nur Männer in den Armeen und viele Frauen verdienen ihren Lebensunterhalt als Huren.

So weit zum Original. Zu den Büchern wurden dann relativ werksgetreu mehrere Computerspiele entwickelt. Das hat den Hype dann so richtig angefacht. Und zum Schluss wurde noch eine einigermaßen werksgetreue Serie gedreht.
Am Ende gab es eine Fan-Basis, die die hundert Millionen geknackt haben dürfte und die vielfach die Witcher-Welt abgöttisch liebt(e).

Und vor diesem Hintergrund Quo veröffentlicht jetzt Netflix eine Eigenproduktion: „The Witcher: Blood Origin.“

Dieses Prequel spielt 1500 Jahre vor "The Witcher" und beschreibt die Entstehung der allerersten Hexer.

Dabei bricht „The Witcher: Blood Origin“ mit allen Rahmenhandlungen von „The Witcher.“
1. Hauptperson ist nicht mehr der Hexer, sondern eine schwarze Elfenzauberin. Diese Frau sammelt eine extrem diverse Gruppe (ein Zwerg, eine Frau asiatischen Typs usw.), die dann die Welt retten.
2. Die Monsterjagd kommt so gut wie gar nicht vor, und es gibt auch keine Interaktion mit den Reichen und Mächtigen (die dann eben vielfach auch arrogant und tyrannisch sind, wie das Macht und Geld nun mal mit sich bringt).
3. Über die bisherige Hauptperson Geralt wird in der Rahmenhandlung sogar noch hergezogen: „Blood Origin“ beginnt damit, dass ein übermächtiges Wesen, dessen Existenz nicht weiter erklärt wird, dem fahrenden Sänger Rittersporn die Geschichte über die Ursprünge der Hexer erzählt. Dabei wird eine neue Handlung eingeführt: dass der erste Hexer ein Elf gewesen sei. Daraufhin sagt der Sänger (der ein enger Bekannter Geralts ist):

"Der erste Hexer war ein Elf? Geralt wird glühen vor Wut"

Das ist schlicht Quatsch - die bisherige Rahmenhandlung gibt das nicht her. Sondern eine solche Informationen wäre dem Hexer Geralt schlicht GLEICHGÜLTIG.

Danach wechselt die Geschichte dann in die Vergangenheit.

Die originale Witcher-Welt wird von den Fans geliebt, hat aber von selbsternannten "Kritikern" teilweise auch negative Bewertungen bekommen, weil die Witcher-Welt "zu flach" sei. Die neue Netflix-Serie „The Witcher: Blood Oorigin“ hat nun halbwegs passable Bewertungen der selbsternannten Kritiker.

Aber von den Fans wird die Serie gehaßt. Auf Rotten Tomatos etwa hat die Serie eine legendär schlechte Fan-Bewertung. Noch nie zuvor hat eine Serie derart schlechte Fan-Bewertungen erhalten. (Netflix sammelt zwar Fan-Bewertungen, veröffentlicht sie aber nicht.)

Nach meinen Erklärungen sollte das niemand mehr verwundern.

Es geht NICHT darum, dass die Fans mit starken Rollen von Frauen, Zwergen, Farbigen oder Kindern nicht klarkämen. Wie gesagt: der Originalstoff lebt davon.

Sondern die Fans merken ganz deutlich, dass die Rolle von Geralt ganz explizit herausoperiert und sogar noch herabgesetzt wird.

Das ist die Welt der Woke-Religion.

Es geht nicht darum, neue Rollenmodelle zu ermöglichen. Es geht darum, ein bestimmtes, männliches Rollenmodell zu verleumden und abzuschaffen. Es geht in der Woke-Religion ums Zerstören, nicht ums Erschaffen.

Daß die neue Netflix-Serie viel Ärger erzeugen würde, muß eigentlich jedem klar gewesen sein. Trotzdem haben die Eigentümer/Manager sich dazu entschieden, die neue Serie genau so anzulegen.

Ich gehe inzwischen davon aus, daß in der Unterhaltungsindustrie viele Entscheider existieren, die bewußt auf Gewinn verzichten; die bewußt Verluste in Kauf nehmen, nur um ihre Woke-Religion zu produzieren. Anders sind solche Entscheidungen nicht mehr erklärbar.

Aus meiner Sicht hat diese Erklärung inzwischen den Status der "Verschwörungstheorie" verlassen und ist die einzige noch logische Erklärung. Die Medienmacher investieren das Firmen-Kapital für woke Erziehungspropaganda.

Frank2000

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Nachtrag. (U.E.)

Es gibt hier „eigentlich“ wenig hinzuzufügen. Ich hoffe aber, der Autor sieht es mir nach, wenn ich seinem Text noch ein paar Fußnoten als Dressing beigebe. Bei Andrzej Sapkowski dürfte es sich wohl um den am meisten gelesenen polnischen Autor, nicht nur der Gegenwart, handeln; allein von den sechs Romanen der Hexer-Serie sind bislang weltweit mehr als 15 Millionen Exemplare verkauft worden. Eine der renommiertesten Auszeichnungen auf dem Gebiet des phantastischen Erzählens ist der jährlich vergebene „World Fantasy Award,“ der seit 1975 verliehen wird; und dessen am höchsten angesehene Kategorie gilt des „Life Achievement,“ mit dem das gesamte Lebenswerk eines Autors (und in einigen Fällen auch eines Künstlers) gewürdigt wird – so etwa Ray Bradbury, Marion Zimmer Bradley und George R.R. Martin. Insgesamt 73 Personen sind in den letzten 47 Jahren ausgezeichnet worden – darunter fünf aus dem nicht-englischsprachigen Bereich, so 1979 Jorge Luis Borges und 1982 Italo Calvino. Nach der (bei uns fast völlig unbekannt gebliebenen) argentinischen Autorin Angélica Gorodischer (2011) war Sapkowski 2016 der vierte „Reingeschmeckte,“ dem diese Ehrung zuteilgeworden ist (der bislang letzte war 2019 Hayao Miyazaki).

Zum Namen: im polnischen Original trägt die Serie den Titel „Wiedźmin.“ Dabei handelt es sich um einen Neologismus, eine Neuprägung, bei der Sapkowski dem üblichen polnischen Wort für Hexe, „wiedźma;“ die männliche Endung angefügt hat. In der slawischen Tradition tragen die „als männlich gelesenen Zauberer“ den Namen Vedmak/Widmak in verschiedenen Abwandlungen (im Polnischen etwa wiedźmak, im Tschechischen vědmák, im Russischen ведьмак und im Ukrainischen відьмак). Anders als die Schwestern der Baba Jaga sind aber in der Folklore ihre männlichen Gegenstücke nicht ausschließlich negativ geschildert – auch wenn man sich besser nicht mit ihnen anlegt; sie können, wenn ihnen danach ist, Krankheiten heilen und in der Not beistehen; auch andere Gestalten der slawischen Tradition zeigen solche Ambivalenz, etwa der Wassermann (oder auch Rübezahl).

Das "Rückgrat" der Hexer-Serie bilden die fünf Romane, die im Original zwischen 1994 und 1999 fast im Jahrestakt erschienen sind; eine nette Volte liegt darin,daß es sich bei dem letzten, 2013 erschinenen Roman, "Seson Burz," (auf Deutsch: "Zeit des Sturms," ebenfalls um ein "Prequel" handelt; die Handlung spielt zur Zeit der drei Erzählbände, die dem eigentlichen Romanzyklus vorausgehen und die zwischedn 1990 und 1993 veröffentlicht worden sind.

Vielleicht ist der Flurschaden, den „The Witcher: Blood Origin“ anrichtet, etwas geringer, als der Autor befürchtet: während die Netflix-Serie „The Witcher,“ die es bislang in zwei Staffeln auf insgesamt 16 Episoden gebracht hat, die 2019 und 2021 gelaufen sind, im Herbst 2021 um eine dritte Staffel verlängert worden ist, ist „TWBO“ mit seinen am ersten Weihnachtstag veröffentlichten vier Folgen Geschichte. Es hat von Seiten der Fans der Buchserie auf bei „The Witcher,“ schon verschiedentlich Proteste gegeben, weil einige der Rollen (etwa die der Triss Merigold oder der Fringilla Vigo mit „People of Color“ besetzt worden sind). Sapkowski selbst hat in Interviews erklärt, daß er sich beim Schreiben seiner Bücher in keiner Weise um die Pigmentierung seiner Gestalten gekümmert hat, und es ist traditionell im Fantasygenre üblich, Fragen der Ausgrenzung und Diskriminierung etwa durch „nichtmenschliche Rassen“ anzusprechen: durch Elfen/Elben, durch Zwerge und ähnliches.

Und es ist natürlich nicht so, daß Werke der „hohen Fantasy,“ wie sie eben die Serie um den Hexer Geralt darstellt, nicht immer wieder parodiert werden. Beim stilprägenden Werk des Genres, dem „Herrn der Ringe,“ ist dies durch die Slapstick-Travestie „Bored of the Rings“ erfolgt, die die Gründer des Satiremagazins „National Lampoon,“ Henry Beard und Douglas Kenney 1969 verfaßt haben, nachdem Tolkiens Trilogie in den Kreisen der Blumenkinder zu einem Bestseller geworden war. (Leider bleibt festzustellen, daß die Melange aus Hippie-Slang, Markennamen und brachialem Slapstick ein überaus bescheidenes Lesevergnügen darstellt.)

Im Fall des „Hexers“ handelt es sich hier um die gut 12 Erzählungen, die der russische SF- und Fantasyautor Wladimir Wassiljew seit 1997 veröffentlicht hat und die mittlerweile auch in zwei Sammelbänden vorliegen. Wassiljew hat diese Texte mit ausdrücklicher Genehmigung von Sapkowski und als Hommage an dessen Werk verfaßt - angefangen mit dem Sammelband Ведьмак из Большого Киева („Der Hexer von Groß-Kiew“), der 1997 bei seinem Moskauer Hausverlag AST herausgekommen ist. In diesem Zyklus, von seinem Verlag als „Technofantasy“ charakterisiert, wird, ist Erde mit einem anderen Himmelskörper kollidiert; sie hat es überstanden, obwohl in mehrere riesige Bruchstücke zerborsten ist, aber in der Folge davon ist es zu „Ausbrüchen unkontrollierter Technik-Magie“ gekommen; der „Hexer Geralt“ (Russisch eben: ведьмак Геральт), ist genau wie sein Vorbild durch Biotechnik und Drogen in einen Mutanten, einen künstlichen Supermann verwandelt worden; statt gegen Ungeheuer tritt er im Dschungel der modernen Großstadt gegen künstliche Intelligenzen, amoklaufende Roboter und autonome Lieferwagen an – etwa in der Erzählung „Поезд вне расписания“ (Zug ohne Fahrplan) von 2009, in der Züge unangekündigt auf freier Strecke in einem interdimensionalen Nichts verschwinden und mit dämonischen Passagieren an Bord wieder auftauchen. Das Ambiente dieses Erzählkosmos verdankt sehr viel der Noir-Stimmung des „Cyberpunk“ in der Tradition von William Gibson und John Shirley.



Wassiljew ist 1967 im ukrainischen Mikolajiv als Sohn eines russischen Vaters und einer ukrainischen Mutter geboren worden. 1991 hat er seinen ersten SF-Roman veröffentlicht, seit 2001 lebt er in Moskau. In Vorwort des ersten Erzählungsbands schreibt der Autor:

У середині 90-х мені захотілося написати текст у стилі фентезі, але щоб у ньому типовий фентезі-герой їздив не на коні, а на мотоциклі, щоб замість меча у нього була рушниця; щоб ельфи роз'їжджали на бронетранспортерах і замість чарівних плащів носили камуфляжний одяг. Поступово, деталь до деталі, цеглинка до цеглинки, і вибудувався світ Великого Києва.


Mitte der neunziger Jahre war mir danach, eine Geschichte im Stil der heroischen Fantasy zu schreiben, in der ein typischer Held aus solchen Erzählungen auf einem Motorrad fährt statt ein Pferd reitet, mit einem Gewehr kämpft statt mit einem Schwert, wo die Elfen in gepanzerten Fahrzeugen fahren und sich nicht mit Tarnkappen, sondern mit militärischer Tarnkleidung(*) verbergen. Nach und nach entstand so Detail für Detail die ganze Welt von Groß-Kiew.


(*Der Protokollant wird den Verdacht nicht los, daß es sich bei камуфляжний/Kamuflatschnii um ein Lehnwort handeln könnte.)



(Titelbild der ersten russischen Ausgabe von Відьмак Великого Києва von 1997)

Ein Band mit sechs dieser Erählungen ist 2005 in ukrainischer Übersetzung unter dem Titel „Технік Великого Києва“ (Der Techniker von Groß-Kiew) in ukrainischer Übersetzung im Kiewer Verlag Gamasin herausgekommen.

Und wem das Titelbild dieser Ausgabe leicht bekannt vorkommt: hier das Cover, das der britische SF-Künstler Jim Burns 1984 für den Erstlingsroman „Emergence“ von David R. Palmer geschaffen hat (bei Bantam Books im November 1984 als Taschenbuch-Originalausgabe erschienen):



(U.E.)

Frank2000

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