24. November 2022

Die Mannschaft und der Gratismut

Die "Mannschaft" (pardon, dieser Name ist auch nicht mehr aktuell, aber immer noch passend) konnte an ihren enormen Erfolg bei der Weltmeisterschaft 2018 nahtlos anknüpfen und hat es geschafft ihr Eröffnungsspiel gegen die große Fußballnation Japan mit 1:2 zu verlieren. Das ist immerhin schon eine Verbesserung gegenüber 2018, als man sich gegen die nicht weniger bekannte Fußballgröße Südkorea mit 2:0 geschlagen geben musste.

Und es lässt Hoffnung, dass wenn die Mannschaft am 1. Dezember auf Costa-Rica trifft, vielleicht noch die theoretische Chance besteht, sich nicht schon wieder bis auf die Knochen zu blamieren.

Mir persönlich ist es tatsächlich pupsegal, und ich muss mir die Frage gefallen lassen, warum ich dann überhaupt etwas zu einem Thema schreibe, von dem ich zugegebenermaßen genausoviel Ahnung habe wie Jan Böhmermann von gutem Humor oder politischer Neutralität. Der Grund besteht eher in einer gewissen Häme, den ich "der Mannschaft" nicht wirklich ersparen will.

Denn unsere Fußball-Millonäre fanden es ja unheimlich wichtig im Vorfeld des Turniers mit ihren, sagen wir mal "Regenbogenallüren", aufzufallen. Ihr großer Protest in Katar, der als Tiger sprang und dann nicht einmal als Bettvorleger enden wollte. So stolz war man auf seine Regenbogenbinde, dass man, sowie von der Fifa echten Strafen in Form von gelben Karten angedroht wurden, man brav Männchen machen musste und den .... (wie sage ich es jetzt politisch korrekt?) "bei Hunden anatomisch an den Rücken anschließenden Wedel" einziehen musste. Weil man dann doch noch ein bischen so tun wollte, dass man unheimlich mutig sei, den Mächtigen mal so richtig die Manieren zu lesen, lies man noch schnell ein Mannschaftsbild mit zugehaltenem Mund aufnehmen. Na, da hat mans ja Katar und der Fifa so richtig gezeigt (ich bin nicht sicher ob allzu lautes Lachen unter streng Gläubigen ein Problem sein könnte, aber sollte dem so sein, würde es mich nicht wundern, wenn in der Folge der eine oder andere Funktionär heute sein Ticket in die Hölle geknipst hat). 

Ernsthaft: Was für ein Haufen von Jammerlappen. Sie tun so als würden sie für Werte einstehen, wenn es sie nichts kostet, wenn es ihren Werbewert erhöht, wenn sie gratis zeigen können was für tolle und mutige Kerle sie doch sind, aber sobald es etwas kosten könnte für die eigene Position gerade zu stehen, sind sie alle verschwunden. So war das ja nicht gemeint.
Dabei wäre das tatsächlich eine Möglichkeit gewesen Rückrat zu beweisen. Denn wie stark wäre die Geste gewesen, bewusst die gelben Karten mitzunehmen (die ohnehin rechtlich fragwürdig wäre), um seine Botschaft zu transportieren. Die Fifa hätte im Regen gestanden, während sich die Fußballer inszeniert hätten. Ich teile die Botschaft nicht, aber wenn man schon meint einen Lauten machen müssen, dann sollte man das wenigsten mit geradem Rücken tun. 

Und wie groß erst der Gegensatz zur iranischen Narionalmannschaft, die sich weigerte die Nationalhymne mitzusingen, und die, im Unterschied zu "der Mannschaft" dabei echte Risiken eingeht und mit Sicherheit auch echte Repressionen erleben wird, die nicht mit einer gelben Karte zu vergleichen sein dürften. Der Unterschied zwischen Lappen und Waschlappen ist selten so deutlich zu sehen. Und auch wenn ich insgesamt wenig vom Iran halte, würde ich den "Nichtsängern" durchaus ein Weiterkommen gönnen (auch wenn das nach dem Spiel gegen England nicht mehr so wahrscheinlich sein dürfte). 

Übrigens singt natürlich "die Mannschaft" die Hymne eher auch nicht mit, was vielleicht eher damit zusammenhängen könnte, dass die meisten den Text nicht kennen und es ihnen im Zweifelsfall sowieso egal ist. Und in Deutschland ist man ja auch eher dazu geneigt "die Mannschaft" dafür zu belohnen, wenn sie sich möglichst frei davon macht irgendetwas mit der Nation zu tun zu haben. Ob das Ganze sich lohnt, sei mal dahin gestellt. Als der DFB es 2015 für eine gute Idee hielt das "National" aus dem Titel zu streichen und den Verein in "die Mannschaft" umzubenennen war das damals schon beliebt wie Fußpilz. Aber wenigstens spielte der Verein gut und der Deutsche ist bereit seiner Mannschaft so manche Allüre zu verzeihen, wenn er dann mit Titeln und solchen Spielen wie Deutschland gegen Brasilien belohnt wird. Nachdem das der letzte sportliche Erfolg war und die Mannschaft sich seitdem nur noch blamierte, wurde der Name dann im letzten Jahr offiziell wieder eingestampft. 

Ich für meinen Teil gehe davon aus, dass es dafür zu spät ist. Es macht vielen Leuten Spaß mit ihrer Nationalmannschaft zu fiebern. Und es macht Spaß Gewinner zu sehen. Aber Versager, die noch dazu jahrelang klar gemacht haben, dass sie sich gerade nicht als Vertreter ihrer Nation sehen und die sich auch noch als feige, politisch korrekte Jammerlappen heraus stellen, die will keiner sehen. Da Deutschland eine bunte Nation ist, sieht man hier während der Meisterschaften viele Fans, die auch in  der Niederlage zu ihrer Mannschaft stehen. Weil es ihre(!) (National-)Mannschaft ist. Aber "die Mannschaft" (auch wenn sie den Namen wieder ablegen wollen) hat keine Nation. Es ist eine Sammlung von Fußball-Millionären ohne Rückrat. Und wenn sie gegen Costa Rica verlieren sollten würde mir sicher eher ein Lächeln über die Lippen huschen, als wenn sie gewinnen. 

Aber auch das werde ich allenfalls aus der Zeitung erfahren, denn ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, warum irgendjemand dem Haufen zuschauen möchte. 
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Llarian

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