Nun ist sie fast da: Die lange erwartete Zwischenwahl in den USA, die sogeschimpften "Midterm Elections". Die Amerikaner wählen dabei ihr komplettes Repräsentantenhaus neu, bestehend aus 435 Sitzen (kuriose Randnotiz: Die Amerikaner kommen mit 435 Abgeordneten für 332 Millionen Bürger aus, während der deutsche Bundestag sich bei jeder Wahl mehr aufbläht und inzwischen aus derzeit 736 Abgeordneten besteht für 82 Millionen Bürger) und ebenso ein Drittel des Senats mit 35 von 100 Sitzen.
Die Wahl ist spannend, denn es steht an, dass der amerikanische Präsident, so er denn bei uns wäre, nicht nur entmachtet wird, sondern vermutlich eine der größten Klatschen seit Watergate kassieren könnte. Aber so sicher wie sich einige Kommentatoren sich das wünschen ist es dann nun auch nicht, die vermeintliche Red Wave 2022 hat über die letzten Monate an Kraft eingebüsst, die wirtschaftlichen Zahlen der Regierung Biden sind mit verheerend noch harmlos beschrieben, aber die Menschen haben schon einige Monate Zeit gehabt sich daran zu gewöhnen und erfahrungsgemäß setzt in dem Moment eine gewisse Lähmung ein. Deshalb ist es zwar recht wahrscheinlich, aber noch nicht ausgemacht, dass es zu der befürchtene Mega-Klatsche kommen wird.
Höchste Zeit ein paar Prognosen zu machen, bevor das Ergebnis da ist (nach der Wahl ein Ergebnis zu erklären ist die bekanntlich nur die hohe Kunst der Dummschwätzer und Spin-Doktoren, aber richtige Vorhersagen sind bekanntlich schwierig).
Folgt man Nate Silver, so kommt man zu dem Ergebnis, dass das Rennen um den Senat noch offen ist, während das Rennen um den Kongress praktisch gelaufen ist. Dem kann man sich gut anschließen.
Warum das so unterschiedlich ist, ergibt sich aus den Randbedingungen:
Der Kongress wird komplett neu gewählt, was bedeutet das die aktuelle Lage in den USA entscheidend ist und da sieht es für die Demokraten verheerend aus. Die Wirtschaftsdaten sind selbst schlechter als unter Obama (und das will was heissen), die Inflation ist wie in Deutschland auf Rekordniveau und was am wichtigsten erscheint: Die Regierung hat genauso wie die deutsche nicht das geringste Konzept wie sie daran etwas ändern kann. Das Thema mit dem die Demokraten versucht haben sich zu retten (Abtreibung) hat nicht so richtig gezündet, denn auch wenn "Hardcore-Demokraten" sich damit mit Sicherheit zur Wahlurne treiben lassen, geht den meisten Unabhängigen, die in der Regel Wahlen entscheiden, das Thema eher am Hinterteil vorbei. Und die ständigen Versuche die lächerlichen Vorfälle vom 6. Januar zum Staatsstreich zu stilisieren, haben auch nicht so recht verfangen, zu offensichtlich ist der politische Bias und zu offensichtlich die Lächerlichkeit deutlich.
Einen weiteren starken Ausschlag in diesem Zusammenhang gibt aber ein, meiner Meinung nach deutlich unterschätztes, Randdetails: Die Medien und die Zensurmaschine von BigTech, die Bidens Wahl überhaupt erst ermöglicht haben, sind in den letzten zwei Jahren deutlich geschwächt worden. Oder anders gesagt: Den Demokraten geht mehr und mehr die Möglichkeit verloren Randtetails zu skandalisieren. Der Verlust an Zuschauerzahlen bei MSNBC, ABC und CNN mag für die Investoren der jeweiligen Sender ärgerlich sein, für die Demokraten ist sie deutlich schlimmer, da ihnen die Propagandaschleudern abhanden kommen. Gerade bei CNN scheint sich mehr und mehr der Ansatz durchzusetzen, dass man von dem Sender retten sollte was zu retten ist (meiner Meinung nach zu spät, da nix mehr zu retten ist), womit die Chefpropagandisten wie Brian Stelter oder Don Lemon sich zunehemend ohne Publikum wiederfinden. Der Zusammenbruch von CNN+ spricht da Bände.
Warum aber nun gelten die selben Überlegungen nicht für den Senat? Weil die Randbedingungen andere sind. Von den 35 neu zu wählenden Sitzen sind bis dato 21 in republikanischer Hand, dazu kommt noch das von diesen 21 Senatoren nur 15 zur Wiederwahl antreten. Das heißt so oder so ist das ganze für die Republikaner eher unglücklich, weil sie mehr zu verlieren haben und zum anderen weniger "alteingesessene" Senatoren aufbieten können, als sie gerne würden.
Ich glaube dennoch das beide Kammern an die Republikaner fallen werden. Dazu muss man verstehen wie der letzte Wahlsieg von Joe Biden eigentlich zustande gekommen ist. In Amerika selber darf man öffentlich kaum darüber sprechen, aber es ist immernoch erstaunlich, dass ein Präsidentschafskandidat ohne besondere Sympathie, der praktisch keinen Wahlkampf geführt hat, plötzlich Millionen mehr Stimmen einsammelt, als je ein Kandidat vor ihm. Und das in einer Wahl, die von Briefwählern überrannt wurde. Ja, es wird schon stimmen, dass Donald Trump ein Kandidat ist, der polarisiert. Aber das war er auch 2016 und es gibt nichts, was in seiner Präsidentschaft passierte, das dazu führen sollte, dass sich Abermillionen, die vorher nie gewählt haben, unbedingt gegen ihn stimmen wollten. Und das auch noch für einen Kandidaten, der offen dement war und ist, und keinerlei Wahlkampf geführt hat.
Oder anders gesagt: Man kann ziemlich mit dem Stock dran fühlen. Oder man kann zumindest daran glauben. Und genau hier entsteht ein gewaltiges Problem: Wenn die Republikaner, wie erwartet, diese Wahl gewinnen, wird nicht viel passieren mal davon ab, dass Joe Biden zu einer noch lahmeren Ente wird, als er ohnehin schon ist (was ihn nicht stören wird, denn am Tag danach hat er es vermutlich bereits wieder vergessen). Das Risiko besteht vor allem darin, wenn, wieder Erwarten, die Demokraten doch die Wahl gewinnen. In dem Moment steht Amerika wirklich am Rande des Bürgerkrieges, weil sich Millionen von Amerikaner, ob zurecht oder zu unrecht ist völlig zweitrangig, betrogen fühlen werden. Und sie werden den Glauben daran verlieren noch etwas mit Wahlen bewegen zu können.
In Deutschland wäre das undramatisch. In Berlin pfeift die Volksfront schon lange auf die Demokraie und der Bürger steht ohnmächtig davor und kann nichts tun. In einem Land, in dem die meisten Bürger in der einen oder anderen Form bewaffnet sind, würde mir das sehr viel Bauchschmerzen machen. Deshalb glaube ich (oder hoffe eher), dass wir dieses Mal nicht hunderttausende von "Mitternachtsstimmen" sehen werden. Denn wenn sich 2020 wiederholt, dann wird es nicht bei ein bischen Gemaule bleiben.
Es bleibt spannend.
Llarian
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