14. November 2022

Ich hab nix zu verzeihen. Eine Nabelschau.

Von unserem vorletzten Gesundheitsminister, Jens Spahn, wird am Ende vermutlich wenig bleiben außer diversen Korruptionsvorwürfen und einem mehr oder minder prophetischen Zitat:
"Wir werden einander viel verzeihen müssen."
Das Spahn dieses Zitat, das er inzwischen auch als Buchtitel mit der selben Intention verwendet, im Wesentlichen gemeint hat um sich selber reinzuwaschen: Geschenkt. Aber es lohnt sich durchaus mal über die Idee selber zu reflektieren, zumal sie tatsächlich inzwischen das eine oder andere Feuilleton zu streifen scheint. Und dies wird eine persönliche Nabelschau, insofern braucht niemand weiter zu lesen, der nur große politische Analysen lesen möchte.
Was Spahn gerne verziehen haben möchte ist also der Umgang dieser Republik und insbesondere seiner Regierung mit dem Thema Corona. Was also hat man erlebt? Oder was habe ich erlebt?

Ich habe erlebt wie man meine Kinder aus Kindergarten und Schule ausgesperrt hat, ich habe erlebt wie man meine Kinder in einer kleinen Wohnung einsperrte, wie man ihnen die Spielplätze wegnahm und ihnen verbot sich mit Freunden zu treffen, man hat ihnen Geburtstage genommen, man hat ihnen Freude genommen. Ich habe erlebt wie ich die Kinder monatelang selber unterrichten musste, damit das staatliche Personal zuhause so tun konnte, als würde es virtuellen Unterricht anbieten. Ich habe erlebt wie die Spaltung in den Klassen dadurch massiv anwuchs und wieviel ich meine Kinder antreiben musste, damit sie mehr machten als das immer mehr absinkende Niveau der Klasse mitzunehmen.  Ich habe erlebt wie ich und meine Kinder gezielt aus dem sozialen Leben ausgeschlossen wurden, weil Papa sich lange erfolgreich geweigert hat, einen bis dato völlig ungetesteten und potentiell gefährlichen "Impfstoff" in seine Adern zu lassen. Ich wurde selber aus meinem Studio und aus diversen anderen Aktivitäten ausgeschlossen, weil ich mich geweigert habe. Ich habe mich auf Arbeit und im privaten Sportverein als "asozial" und "dumm" beschimpfen lassen, als Verschwörungstheoretiker, Schwurbler und Covidiot, weil ich die Impfung kritisch gesehen habe. Mein Arbeitgeber und gerade der Betriebsrat hatten sehr viel Freude daran alle Ungeimpften möglichst effektiv zu schickanieren. Selbsternannte Tugendwächter und Moralapostel haben mich zum "Wurmfortsatz" der Gesellschaft deklariert, der eigentlich überflüssig und zu entfernen ist. Ich habe Politiker und Medienschaffende erlebt, die mir das Leben "so richtig unangenehm" machen wollten und mich aus der Gesellschaft ausschliessen wollten. Ich habe Denunziation erlebt, Gefährderansprachen, Verweilverbote. Ich habe mir schließlich einen giftigen Stoff injizieren müssen, weil ich irgendwann die Diskriminierung meiner Kinder nicht mehr ertragen konnte (was ich bis heute als gewalttätige Nötigung empfinde). Meine Kinder mussten es monatelang erdulden sich ein Stück Stoff vor den Mund zu pressen, dass sowohl völlig sinnlos als auch schädlich für sie gewesen ist. Und am Ende werde ich für die ganze Party um die 10.000 Euro netto bezahlt haben, von den indirekten wirtschaftlichen Folgen wie Inflation und Rezession nicht einmal angefangen. 

Und ich habe vielleicht noch Glück gehabt: Ich habe keine Herzentzündung und auch keine Thrombosen davon getragen. Meine Corona-Wampe habe ich erfolgreich bekämpfen können. Meine Kinder mussten auch keine Klassen wiederholen und haben den Stoff soweit fast aufgeholt. Ihre Traumatisierung kann man nur schwer abschätzen, aber sie sind zumindest nicht depressiv geworden. Da ich keine Eltern oder Großeltern mehr habe, hatte ich auch nicht die Situation, dass man diese einsam sterben liess, ohne dass ich dabei sein konnte, ich wurde auch entsprechend von keiner Beerdigung ausgeschlossen. Und ich habe auch nicht in der Gastronomie gearbeitet und meinen Job verloren (wie ein Coroniker so treffend in Zettels kleinem Zimmer schrieb: "Augen auf bei der Berufswahl"). Und meine Frau war auch nicht schwanger und hat das Kind durch die "nebenwirkungsfreie" Impfung verloren (so wie ein Fünftel der damals Schwangeren). 

Wer allerdings wirklich mal erleben will, was Menschen alles erfahren haben, der darf gerne mal durch diesen Twitter Thread scrollen. Und gerne auch mal die Wut und Ohnmacht der Menschen nachempfinden, die man "aus der Gesellschaft ausgeschlossen hat". 

Es hätte also alles schlimmer für mich sein können. Aber es war schlimm genug. 

Und dann kommt Jens Spahn und will, dass man ihm verzeiht. Andere sind noch dreister und formulieren ein "wir müssen jetzt nach vorn schauen". Und Karl Lauterbach erklärt uns, er halte nichts von Schuldzuweisungen. Kann ich mir vorstellen. Würde ich an seiner Stelle vermutlich auch nicht. Und eigentlich ist es ja auch der böse Virus gewesen und keine staatliche oder gesellschaftliche Übergriffigkeit, das muss man doch verstehen. 

Aber ich habe nichts zu verzeihen. Warum sollte ich auch? Weil es die Täter so wollen? Hätte man nach dem Untergang der zwei deutschen Diktaturen auch den Täter verzeihen sollen, weil es denen gerade so passt? Verziehen ist ein verdammt lange Prozess und er hat viel mit Einsicht, Bedauern, Scham und Wiedergutmachung zu tun. 

Würde ich meinem Sportkameraden verzeihen, wenn er heute auf mich zukäme und mir sagte: "Okay, lieber Llarian, ich habe da was ganz dummes gesagt. Ich war im Unrecht und habe mich von anderen aufhetzen lassen. War völlig daneben und es tut mir ehrlich leid." ?
Ja, vielleicht würde ich das tun. Aber vor allem deswegen, weil ich mit ihm trainiere und der Schaden einer Beleidigung noch übersichtlich ist. Aber soll ich einem Jens Spahn verzeihen, dass er meine Kinder eingesperrt hat? Was könnte er sagen, dass mich dazu bewegen könnte? Soll ich einem Hendrick Wüst verzeihen, dass er mich dazu genötigt hat mich zu vergiften? Soll ich einer Sarah Bosetti verzeihen, dass sie mir die Menschlichkeit abgesprochen hat (und was in der Vergangenheit die Folge der Entmenschlichung von Minderheiten gewesen ist, ist kein Geheimnis)? 
Nein. Aber so gar nicht. Ich will das nicht verzeihen und ich denke nicht, dass es viel gibt, was diese Menschen sagen könnten, was mich dazu bewegen würde, diese Sicht zu ändern.  
 
Das gesamte politische Bild während der Corona-Zeit ist eine Aneinanderreihung von staatlichen und medialen Übergriffen, von Rechtsbrüchen, Ausgrenzungen, Grenzüberschreitungen und offener Barbarei. Es war ein Zivilisationsbruch und die zeitweise Etablierung einer totalitären Gesellschaft. Das kann man nicht mit einem "Ich halte nichts von Schuldzuweisungen" wegwischen. Man stelle sich mal vor ein Erich Honnecker hätte sich so verteidigt: "Wir müssen jetzt nach vorne blicken und dürfen jetzt nicht kleinkariert nach Schuldigen suchen. (Und übrigens möchte ich meine volle Rente als Staatsratsvorsitzender.)". 

(Obwohl, wenn man ehrlich ist, hat sich Honnecker, wenn zwar nicht mit den Worten, aber durchaus ganz ähnlich verteidigt, er hielt auch nicht viel schon Schuldzuweisungen.)

Natürlich kommt es dazu so oder so nicht, so realistisch muss man schon sein. Denn so weit der Weg zum Verzeihen wäre, so sind die meisten bis dato nicht einmal bereit den Fehler einzuräumen. Einzelnen mag inzwischen ein Licht aufgegangen sein, aber die breite Masse fühlt sich immer noch im Recht. Das ist nicht ohne Präzedenz. Da man nach der Wende aus praktikablen Gründen auf die Aufklärung des DDR Unrechtes vezichtete, fühlen sich etliche Täter bis heute im Recht. Und selbst nach dem größten Zivilisationsbruch der jüngeren Geschichte brauchte es Jahrzehnte bis wirklich an Sühne gedacht wurde, die meisten Deutschen nach dem Krieg reuten wenigen den Massenmord sondern eher die Problematik dabei erwischt worden zu sein. Und auch jetzt muss man sich darüber klar sein, dass nicht plötzlich ein großes Umdenken, Reflektieren und Erkennen eingesetzt hätte. Es stellt sich nun mehr und mehr heraus das die so "nebenwirkungsfreie" Brühe tatsächlich ein ausgesprochen tödlicher Cocktail gewesen ist, an dem inzwischen ein paar zehntausend Menschen in Deutschland ganz massiv leiden. 

Insofern ist so oder so nicht damit zu rechnen, dass das Ganze vernünftig aufgearbeitet oder gar gesühnt wird. Reality is a bitch. Aber zu Erkennen, das Unrecht nicht gesühnt werden kann, ist nicht gleichbedeutend damit es zu verzeihen. Eher im Gegenteil. Insofern mag man es gut finden, dass ein Jens Spahn stellvertretend für andere um Verzeihung bitten möchte. Ich verzichte.

Letzter Nachsatz: Ich bin kein besonders religiöser Mensch. Und ich kann nicht sagen, ob wir uns alle irgendwann in ferner Zukunft für das rechtfertigen müssen, was wir in diesem Leben getan oder nicht getan haben. Auch wenn ich keine Angst davor habe, wenn es so käme. Aber es entspricht tatsächlich meiner Lebenserfahrung, dass es so etwas wie Karma tatsächlich oftmals gibt. Und wenn es den einen oder anderen Politiker oder Medienschaffenden nach dem zweiten Booster dann so richtig heftig erwischt, dann mag das im Einzefall traurig sein, ist aber vielleicht nicht ganz unverdient. 
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Llarian

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