Wie geht es eigentlich den amerikanisch-russischen Beziehungen? Danke, es muß. Es gibt ein Konfliktfeld; es gibt aber auch ein wichtiges Feld, auf dem man kooperiert.
Vergangenen Donnerstag trafen sich die Präsidenten Obama und Medwedew am Rand des G-8-Gipfels in Deauville. Besprochen wurden vor allem die beiden Themen Osteuropa und Afghanistan. Eine Kooperation findet in Bezug auf Afghanistan statt; konfliktbeladen ist nach wie vor das Verhältnis der beiden Staaten, was Osteuropa angeht. Zwischen den beiden Feldern besteht ein Zusammenhang. So analysiert es Stratfor in einem Artikel (nur Abonnenten zugänglich), auf den ich mich im folgenden teilweise stütze.
Gegen Ende der Amtszeit von Präsident Bush hatte sich immer deutlicher eine Konfrontation zwischen Rußland und den USA über Osteuropa abgezeichnet. Die vier Brennpunkte hatte bereits Anfang 2007 der damalige russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow im Vorfeld der Münchener Sicherheitskonferenz benannt: Die Ukraine, Georgien, das Baltikum und die von den USA geplante Errichtung eines Raketen-Abwehrsystems in Polen und Tschechien. Ich habe die Kernsätze Iwanows damals dokumentiert und kommentiert (Rückblick: Putin 2007 und sein Iwanow; ZR vom 11. 2. 2007).
Zu dieser Zeit vor vier Jahren war der Westen in Osteuropa noch in der politischen Offensive gewesen: Sowohl Georgien als auch die Ukraine hatten gute Aussichten, in die Nato aufgenommen zu werden; die Errichtung eines Raketenschirms in Osteuropa gegen Angriffe aus Nordkorea oder dem Iran schien beschlossene Sache zu sein. Polen und Tschechien versprachen sich von dem militärischen Engagement der USA in ihren Ländern Schutz vor den Bemühungen Rußlands, wieder Herr über das 1989 verlorene Osteuropa zu werden; diesmal in Gestalt einer Einflußzone.
Die Wende kam mit dem Georgienkrieg im Herbst 2008. Darüber, wer ihn "begonnen" hat, ist viel gestritten worden. Während das nach wie vor nicht völlig geklärt ist, gibt es kaum einen Zweifel an den Motiven der Beteiligten: Rußland wollte klarmachen, daß es Georgien, einst eine Sowjetrepublik und die Heimat Josef Stalins, als Teil seiner Einflußzone ansieht. Georgien wollte eine solche Dominanz Moskaus verhindern, seine Souveränität betonen und Mitglied der Nato werden, um vor dem Zugriff der Russen künftig sicher zu sein.
Die historischen und geostrategischen Hintergründe dieses Konflikts habe ich damals in der vierteiligen Serie "Georgien und der russische Imperialismus" beleuchtet. Wie der Krieg ausging, ist bekannt: Ohne Unterstützung durch die USA (Präsident Bush befand sich kurz vor Ende seiner zweiten Amtszeit) und vor allem durch die EU hatte Georgien keine Chance. Russische Truppen besetzten einen Teil des Landes. Es gehört heute zur russischen Einflußsphäre; der Gedanke an einen Beitritt Georgiens zur Nato wäre unter den jetzigen Gegenbenheiten nachgerade lächerlich.
Mit dem Amtsantritt von Präsident Obama im Januar 2009 änderte sich zudem die Politik der USA gegenüber Osteuropa; man war bereit, den Russen dort weitgehend freie Hand zu lassen. Bereits im Februar 2010 wurde das im Wall Street Journal beschrieben; ich habe diesen Artikel damals zitiert und kommentiert (Zitat des Tages: Obamas wackelnde Regierung. Ein Editorial des "Wall Street Journal"; ZR vom 10. 2. 2009).
In den deutschen Medien fand diese Änderung der amerikanischen Politik wenig Aufmerksamkeit. Ich habe immer einmal wieder darauf hingewiesen; zuletzt vor gut einer Woche durch die Dokumentation einer Analyse von George Friedman ("Visegrad - eine neue Militärallianz in Europa". George Friedman über Osteuropa; ZR vom 21. 5. 2011).
Angesichts des amerikanischen disengagement in Osteuropa ging es inzwischen auch mit der Westorientierung der Ukraine zu Ende. Auch dieses Land sah keine Chance mehr, in die Nato aufgenommen werden und ist jetzt wieder unter dem Einfluß Rußlands. (Neben der veränderten amerikanischen Haltung spielten dabei auch innenpolitische Faktoren eine Rolle; vor allem das Scheitern des prowestlichen Präsidenten Juschtschenko bei den Wahlen Anfang 2010).
Auf dem Baltikum ist es gegenwärtig ruhig. Bleibt als Konfliktfeld die geplante Errichtung des Raketen-Abwehrsystems (BMD = ballistic missile defense). Während die Regierung Bush BMD hohe Priorität eingeräumt hatte, hat auch hier die Obama-Administration sich unschlüssig und widersprüchlich verhalten.
Im September 2009 kippte Obama das Projekt in der von Bush geplanten Form, was weithin als ein Nachgeben gegenüber dem russischen Druck interpretiert wurde. Stattdessen sollten kleinere SM-3-Raketen auf Schiffen im Schwarzen Meer und dann eventuell auch auf Land in Osteuropa stationiert werden; sehr zur Freude Wladimir Putins.
Verhandlungen darüber sind gegenwärtig mit Polen und Rumänien im Gang; aber nachdem Rußland sich seit Obamas Amtsantritt auf ganzer Linie durchsetzen konnte, versucht es jetzt auch das noch zu hintertreiben. Moskau propagiert stattdessen die Idee eines von den USA gemeinsam mit Rußland betriebenen Abwehrsystems; das verweigert Washington bisher. Stratfor kommentiert, es werde in diesem Punkt "niemals einen Kompromiß zwischen den USA und Rußland geben". Bei dem Treffen Obama-Medwedew am Donnerstag sei es in Bezug auf dieses Thema tense zugegangen, also angespannt oder verkrampft.
Ganz anders sah es bei dem Treffen in Bezug auf Afghanistan aus. Da herrschte eitel Sonnenschein.
Der Westen ist beim Afghanistankrieg auf die Hilfe Rußlands angewiesen, denn wichtige Nachschublinien verlaufen durch das Gebiet Rußlands und von ihm abhängiger Staaten wie Kasachstan und Usbekistan. Je unsicherer die alternative Route über Pakistan wird, umso bedeutsam wird diese Verbindungslinie.
In der Vergangenheit hat Rußland diese Abhängigkeit als Verhandlungsmasse gegenüber den USA benutzt. Inzwischen aber hilft man bereitwillig und, wie es auf den ersten Blick scheint, uneigennützig. Tatsächlich aber fehlt es keineswegs an Eigennutz: Rußland ist zunehmend besorgt über die Situation, die nach dem von Obama angekündigten Rückzug der USA aus Afghanistan eintreten wird. Man fürchtet zum einen die dschihadistischen Kämpfer, die sich nach einem Sieg in Afghanistan in Richtung Norden aufmachen könnten; zum anderen eine Zunahme des Rauschifthandels.
Rußland hat als Vorkehrung gegen diese zu erwartende Lage bereits 7.000 Mann Militär im südlichen Mittelasien stationiert. Aber vor allem investiert man in den Krieg der Amerikaner. Ihnen werden nicht nur neben den bisherigen Transportrouten zusätzliche Transitwege zur Verfügung gestellt; sondern man liefert auch Treibstoff, man teilt geheimdienstliche Erkenntnisse; sogar Material aus Sowjetzeiten wird gern an diejenigen abgegeben, die es für den Kampf gegen die Dschihadisten gebrauchen können.
Und einen Nebeneffekt hat diese Hilfe für die in Afghanistan kämpfenden Amerikaner auch noch: Je länger und je intensiver die USA in Afghanistan engagiert sind, umso weniger werden sie die Kreise Moskaus in Osteuropa stören.
Vergangenen Donnerstag trafen sich die Präsidenten Obama und Medwedew am Rand des G-8-Gipfels in Deauville. Besprochen wurden vor allem die beiden Themen Osteuropa und Afghanistan. Eine Kooperation findet in Bezug auf Afghanistan statt; konfliktbeladen ist nach wie vor das Verhältnis der beiden Staaten, was Osteuropa angeht. Zwischen den beiden Feldern besteht ein Zusammenhang. So analysiert es Stratfor in einem Artikel (nur Abonnenten zugänglich), auf den ich mich im folgenden teilweise stütze.
Gegen Ende der Amtszeit von Präsident Bush hatte sich immer deutlicher eine Konfrontation zwischen Rußland und den USA über Osteuropa abgezeichnet. Die vier Brennpunkte hatte bereits Anfang 2007 der damalige russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow im Vorfeld der Münchener Sicherheitskonferenz benannt: Die Ukraine, Georgien, das Baltikum und die von den USA geplante Errichtung eines Raketen-Abwehrsystems in Polen und Tschechien. Ich habe die Kernsätze Iwanows damals dokumentiert und kommentiert (Rückblick: Putin 2007 und sein Iwanow; ZR vom 11. 2. 2007).
Zu dieser Zeit vor vier Jahren war der Westen in Osteuropa noch in der politischen Offensive gewesen: Sowohl Georgien als auch die Ukraine hatten gute Aussichten, in die Nato aufgenommen zu werden; die Errichtung eines Raketenschirms in Osteuropa gegen Angriffe aus Nordkorea oder dem Iran schien beschlossene Sache zu sein. Polen und Tschechien versprachen sich von dem militärischen Engagement der USA in ihren Ländern Schutz vor den Bemühungen Rußlands, wieder Herr über das 1989 verlorene Osteuropa zu werden; diesmal in Gestalt einer Einflußzone.
Die Wende kam mit dem Georgienkrieg im Herbst 2008. Darüber, wer ihn "begonnen" hat, ist viel gestritten worden. Während das nach wie vor nicht völlig geklärt ist, gibt es kaum einen Zweifel an den Motiven der Beteiligten: Rußland wollte klarmachen, daß es Georgien, einst eine Sowjetrepublik und die Heimat Josef Stalins, als Teil seiner Einflußzone ansieht. Georgien wollte eine solche Dominanz Moskaus verhindern, seine Souveränität betonen und Mitglied der Nato werden, um vor dem Zugriff der Russen künftig sicher zu sein.
Die historischen und geostrategischen Hintergründe dieses Konflikts habe ich damals in der vierteiligen Serie "Georgien und der russische Imperialismus" beleuchtet. Wie der Krieg ausging, ist bekannt: Ohne Unterstützung durch die USA (Präsident Bush befand sich kurz vor Ende seiner zweiten Amtszeit) und vor allem durch die EU hatte Georgien keine Chance. Russische Truppen besetzten einen Teil des Landes. Es gehört heute zur russischen Einflußsphäre; der Gedanke an einen Beitritt Georgiens zur Nato wäre unter den jetzigen Gegenbenheiten nachgerade lächerlich.
Mit dem Amtsantritt von Präsident Obama im Januar 2009 änderte sich zudem die Politik der USA gegenüber Osteuropa; man war bereit, den Russen dort weitgehend freie Hand zu lassen. Bereits im Februar 2010 wurde das im Wall Street Journal beschrieben; ich habe diesen Artikel damals zitiert und kommentiert (Zitat des Tages: Obamas wackelnde Regierung. Ein Editorial des "Wall Street Journal"; ZR vom 10. 2. 2009).
In den deutschen Medien fand diese Änderung der amerikanischen Politik wenig Aufmerksamkeit. Ich habe immer einmal wieder darauf hingewiesen; zuletzt vor gut einer Woche durch die Dokumentation einer Analyse von George Friedman ("Visegrad - eine neue Militärallianz in Europa". George Friedman über Osteuropa; ZR vom 21. 5. 2011).
Angesichts des amerikanischen disengagement in Osteuropa ging es inzwischen auch mit der Westorientierung der Ukraine zu Ende. Auch dieses Land sah keine Chance mehr, in die Nato aufgenommen werden und ist jetzt wieder unter dem Einfluß Rußlands. (Neben der veränderten amerikanischen Haltung spielten dabei auch innenpolitische Faktoren eine Rolle; vor allem das Scheitern des prowestlichen Präsidenten Juschtschenko bei den Wahlen Anfang 2010).
Auf dem Baltikum ist es gegenwärtig ruhig. Bleibt als Konfliktfeld die geplante Errichtung des Raketen-Abwehrsystems (BMD = ballistic missile defense). Während die Regierung Bush BMD hohe Priorität eingeräumt hatte, hat auch hier die Obama-Administration sich unschlüssig und widersprüchlich verhalten.
Im September 2009 kippte Obama das Projekt in der von Bush geplanten Form, was weithin als ein Nachgeben gegenüber dem russischen Druck interpretiert wurde. Stattdessen sollten kleinere SM-3-Raketen auf Schiffen im Schwarzen Meer und dann eventuell auch auf Land in Osteuropa stationiert werden; sehr zur Freude Wladimir Putins.
Verhandlungen darüber sind gegenwärtig mit Polen und Rumänien im Gang; aber nachdem Rußland sich seit Obamas Amtsantritt auf ganzer Linie durchsetzen konnte, versucht es jetzt auch das noch zu hintertreiben. Moskau propagiert stattdessen die Idee eines von den USA gemeinsam mit Rußland betriebenen Abwehrsystems; das verweigert Washington bisher. Stratfor kommentiert, es werde in diesem Punkt "niemals einen Kompromiß zwischen den USA und Rußland geben". Bei dem Treffen Obama-Medwedew am Donnerstag sei es in Bezug auf dieses Thema tense zugegangen, also angespannt oder verkrampft.
Ganz anders sah es bei dem Treffen in Bezug auf Afghanistan aus. Da herrschte eitel Sonnenschein.
Der Westen ist beim Afghanistankrieg auf die Hilfe Rußlands angewiesen, denn wichtige Nachschublinien verlaufen durch das Gebiet Rußlands und von ihm abhängiger Staaten wie Kasachstan und Usbekistan. Je unsicherer die alternative Route über Pakistan wird, umso bedeutsam wird diese Verbindungslinie.
In der Vergangenheit hat Rußland diese Abhängigkeit als Verhandlungsmasse gegenüber den USA benutzt. Inzwischen aber hilft man bereitwillig und, wie es auf den ersten Blick scheint, uneigennützig. Tatsächlich aber fehlt es keineswegs an Eigennutz: Rußland ist zunehmend besorgt über die Situation, die nach dem von Obama angekündigten Rückzug der USA aus Afghanistan eintreten wird. Man fürchtet zum einen die dschihadistischen Kämpfer, die sich nach einem Sieg in Afghanistan in Richtung Norden aufmachen könnten; zum anderen eine Zunahme des Rauschifthandels.
Rußland hat als Vorkehrung gegen diese zu erwartende Lage bereits 7.000 Mann Militär im südlichen Mittelasien stationiert. Aber vor allem investiert man in den Krieg der Amerikaner. Ihnen werden nicht nur neben den bisherigen Transportrouten zusätzliche Transitwege zur Verfügung gestellt; sondern man liefert auch Treibstoff, man teilt geheimdienstliche Erkenntnisse; sogar Material aus Sowjetzeiten wird gern an diejenigen abgegeben, die es für den Kampf gegen die Dschihadisten gebrauchen können.
Und einen Nebeneffekt hat diese Hilfe für die in Afghanistan kämpfenden Amerikaner auch noch: Je länger und je intensiver die USA in Afghanistan engagiert sind, umso weniger werden sie die Kreise Moskaus in Osteuropa stören.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Das Titelbild ist als Werk der US-Regierung in der Public Domain. Daß es Putin und nicht Medwedew zeigt, ist kein Versehen. Aufgenommen wurde das Foto vom Fotografen des Weißen Hauses Peter Souza am 7. Juli 2009 in Putins Datscha in der Nähe von Moskau.