13. Mai 2011

Inflation, wo bist Du?


Indem man die Welt so mit Dollars überschwemmt, wie es Bernanke getan hat, treibt man die Rohstoffpreise in die Höhe. Das macht den USA überall dort nichts aus, wo die Konjunkturflaute die Inflation insgesamt im Zaum hält (bis jetzt jedenfalls). Aber in armen, importabhängigen und rohstofforientierten Ländern sind die Auswirkungen verheerend.


So exemplarisch eine von vielen Stimmen, die Inflation im Lebensmittel- und Rohstoffbereich auf die stark gestiegene Liquidität zurückführen, die von der FED aber auch von der EZB seit Ende 2008 geschaffen wurde.
Das kann nicht stimmen. Zumindest nicht als alleinige Ursache. Zwar hat sich tatsächlich der Lebenmittelpreisindex der FAO seit 2009 verdoppelt, aber er ist nur wenig über das Niveau gestiegen, das er schon Anfang 2008 erreicht hatte. Am Langfristchart ist zu erkennen, daß nach einer ruhigen Phase von 1990-2004, wo der Index kaum verändert bei 100 lag, ein stetiger Anstieg bis 2008 eingesetzt hat, wo die Preise bis auf über das 2fache von 2004 geklettert sind. Das war gleichzeitig eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs in vielen Ländern, aber eine außergewöhnlich lockere Geldpolitik war in diesem Zeitraum nicht zu erkennen. Vielmehr waren die Jahre 2004-2008 durch steigende Zinssätze gekennzeichnet, wo die Leitzinsen auf zwischen 4 und 5,5% in den USA, Europa und England gestiegen sind. Das monetäre Umfeld kann in dieser Zeit keineswegs als besonders expansiv gesehen werden.

Was sich ab 2008 dann zwar geändert hat, nur: die Geldmenge muß nicht immer in Inflation münden:



(Quellen: Adjusted Monetary Base von der BOJGDP Deflator von EconStats, eigene Darstellung)

Inflation entsteht, wenn die Menschen mehr Güter nachfragen als Produktionskapazität vorhanden ist. Die Liquidität spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, denn sie ist eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für Güternachfrage. Vergleicht man zwei Menschen, wo der eine Kapital in Form von Aktien hat und der andere den gleichen Wert auf dem Girokonto liegen hat, dann ist deshalb die Neigung des zweiten, sein Geld auszugeben, nicht größer. Wenn die Menschen aus Zukunftssorge Angstsparen, dann kann die Liquidität und damit die Geldmenge so hoch wie irgendwie vorstellbar sein: sie wird nicht nachfragewirksam und erzeugt damit auch keine Inflation. So ist die Situation in Japan seit den großen Crash von 1989. Das ist vor allem - wie vieles in der Wirtschaft - Psychologie und da kann die Notenbank wenig dagegen ausrichten.


Das gleiche tut sich auch auf Unternehmerseite. Auch dort geht es um Ausgabefreudigkeit, konkret um Investitionen. Die US-Unternehmen horten wie auch die Banken seit 2008 (dort wo sie es können) zunehmend Liquidität, aber sie sehen nur geringe Investitionsmöglichkeiten. Daher lassen sie ihr Geld, auch wenn es noch so flüssig ist, auf der Bank. Und auch die Banken tun das, zumindest im Eurosystem:




(Quelle: ECB Statistical Data Warehouse, eigene Darstellung)


Seit dem Ausbruch der Finanzkrise Ende 2008 hat die EZB den Geschäftsbanken im Euro-Raum in der Spitze bis zu 300 Mrd. € mehr an Liquidität zur Verfügung gestellt als im Durchschnitt der 3 Jahre zuvor. Ein Großteil dieses Geldes wurden von den Banken postwendend bei der EZB wieder deponiert. Ein bis dahin selten genutzter Mechanismus des Eurosystems, weil die Sichteinlagen bei der EZB kaum verzinst werden, aber die Banken hatten für die viele Liquidität schlicht keine Verwendung. Es war nur eine Sicherheit vor einem erneuten Austrocknen des Interbankenmarktes, wo sich die Banken normalerweise untereinander Geld über Nacht geliehen haben. In der Finanzkrise ging das gegenseitige Vertrauen aber verloren, sodaß die EZB als lender of last resort auch als einzige vertrauenswürdige Institution übrig blieb. Auf den Gütermärkten ist von den vielen Milliarden aber nichts angekommen.


Einen Zustand, wo die Notenbank trotz lockerster Geldpolitik nicht in der Lage ist, die Wirtschaftstätigkeit zu befördern, weil alle zusätzliche Liqudität nicht verwendet, sondern gehortet wird, nennt man Liquiditätsfalle. Jahrzehntelang nur als theoretisches Konstrukt eine Randnotiz in den Lehrbüchern, dürfte es in Japan seit 1990 so sein und in den USA seit 2008. Um einer Liquiditätsfalle zu entkommen, bedarf es geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen, die man normalerweise als unvernünftig zurückweisen würde, etwa die Vorgabe eines höheren Inflationsziels oder die massive Ausweitung von Staatsausgaben. Aber wenn Prof. Krugman - der gewichtigste Verfechter der Liquiditätsfalle-Theorie - recht hat, dann würde ohne dieser außergewöhnlichen Maßnahmen eine jahrelange Stagnation wie in Japan der letzten 2 Jahrzehnte drohen. Ob in diesem Sinne die PIGS-Krise, allen voran das Faß ohne Boden Griechenland, für Europa wegen der Notwendigkeit hoher zusätzlicher Investitionen nicht sogar am Ende positive Effekte haben wird, kann ich nicht beurteilen. Schlechter als die vielen unnötigen Investitionen, mit denen Japan versucht hat, aus der Stagnation zu entkommen, wird es aber kaum sein.


Johann Grabner


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