10. Mai 2011

Pimco wettet auf die USA


Seit März berichten zahlreiche Medien aufgeregt über die Entscheidung der Kapitalanlagegesellschaft PIMCO, US-Staatsanleihen zu verkaufen:
Der Total Return Fonds von „Bondkönig“ Bill Gross hat seine Bestände an Schuldverschreibungen der US-Regierung auf Null reduziert und gleichzeitig seine Barquote deutlich erhöht. Gross, einer der geachtesten Experten für festverzinsliche Papiere weltweit hatte zuletzt immer wieder vor den negativen Auswirkungen des riesigen US-Haushaltsdefizit und der heraufziehenden Inflationsgefahren gewarnt. Eine steigende Inflation belastet den Wert von Anleihebeständen. 
Heute setzt das Handelsblatt noch einen drauf:
Misstrauensvotum gegen die USA: Der weltgrößte Rentenfonds Pimco verzichtet weiter auf US-Staatsanleihen. Damit nicht genug: Fondsmanager Bill Gross wettet auf fallende Kurse – und hat den Einsatz noch einmal erhöht.
Schon beim Verfassen der Zeilen hätte sich der Schreiber wundern sollen, warum jemand, der steigende Inflationsgefahren sieht, seine Barquote erhöht. Würde er tatsächlich den USA "Mißtrauen" entgegenbringen, dann würde er doch eher seine Dollarbestände senken. Tatsächlich ist auch das Gegenteil der Fall: der Chef von PIMCO sieht für USA eine Erholung der Wirtschaft und würde, so sagte er letzte Woche in einem Interview mit MSNBC, nur dann wieder Staatsanleihen der USA kaufen, wenn sich eine erneute Rezession abzeichnet:
PIMCO's Bill Gross, who runs the world's largest bond fund, said Friday the only way he would reverse his "short" position on U.S. government-related bonds and purchase Treasuries again is if the United States heads into another recession.
Das sollte zwar nicht die Redakteure vom Handelsblatt außer Tritt bringen, aber Otto Normalinvestor fragt sich vielleicht schon, warum man langfristige Staatsanleihen kauft, wenn die Wirtschaft schlechtere Aussichten hat und warum man sie wieder verkauft, wenn man eine Erholung erwartet? 
Das erklärt PIMCO selbst auf seiner Website unter der Rubrik festverzinsliche Kapitalanlagen, konkret der Zinsstruktur. Hier einige ausgewählte Zeitpunkte: 


(Quelle (für alle Daten): Finanzministerium der USA)

die aktuelle blaue Linie kennt auch der private Sparer: je länger das Geld gebunden ist, desto höher die Zinsen. PIMCO beschreibt diese Art der Zinsstrukturkurve so: 
The assumption behind a steep yield curve is interest rates will begin to rise significantly in the future. Investors demand more yield as maturity extends if they expect rapid economic growth because of the associated risks of higher inflation and higher interest rates.
Unüblicher sind dagegen flache oder gar (leicht) inverse Zinsstrukturen wie in rot und grün dargestellt. Deren Aussage erklärt PIMCO so:
A flat yield curve frequently signals an economic slowdown. The curve typically flattens when the Federal Reserve raises interest rates to restrain a rapidly growing economy; short-term yields rise to reflect the rate hikes, while long-term rates fall as expectations of inflation moderate. A flat yield curve is unusual and typically indicates a transition to either an upward or downward slope. The flat U.S. Treasury yield curve below signaled an economic slowdown prior to the recession of 1990-91.
Momentan (Mai 2011) ist die Zinsstruktur "normal", aber im histiorischen Vergleich sind die Zinsen niedrig. Warum ist die Zinshöhe für einen Anleiheinvestor wichtig? 


Zinsen verhalten sich umgekehrt zum Anleihekurs. Wenn ein Papier, das in 10 Jahren zu 100% getilgt wird, 4% Zinsen jährlich abwirft, dann ist es heute 100 wert, wenn auch alle anderen vergleichbaren Anleihen 4% zahlen. Wenn allerdings der Marktzins auf 5% steigt, dann wird das 4%-Papier billiger, damit es gleichwertig bleibt. Ohne Zinseszinseffekt bedeutet ein Anstieg von 4 auf 5% für 10jährige Anleihen einen Kursverlust von ca. 10%. Historisch sind für so langfristig laufende Papiere aber Zinssätze von 7% und mehr üblich gewesen. Aber selbst ein Anstieg vom aktuellen Niveau auf die 6% aus 2000 würde Kursverluste von 30% und mehr bedeuten. Das ist einem Investor, der die Papiere bis zum Laufzeitende hält, weniger wichtig, aber für einen Fond würde das für einige Jahre Buchverluste bedeuten. Gross verkauft daher in Erwartung steigender Zinsen und damit sinkender Anleihenkurse schon im Vorfeld. Noch ist davon allerdings nichts zu sehen, im Gegenteil, wenn man sich den Verlaut der Rendite der 30jährigen ansieht:



Die Kurse sind zuletzt also wieder gestiegen und das korreliert mit den aktuell schwächeren Daten aus den USA wie etwa dem Arbeitsmarkt. Von einer Spitze mit 4,8% sind die Zinsen zuletzt bis auf 4,3% zurückgegangen. PIMCO wettet jetzt darauf, daß die Wirtschaftsdaten der USA rapide besser werden und die Kurse der Staatsanleihen entsprechend nachgeben werden. Bill Gross ist also wesentlich optimistischer eingestellt als die Mehrheit der Investoren und Journalisten. Von "Mißtrauen" keine Spur.

Im Übrigen sieht man am Verlauf der Zinsen für die längstlaufenden US-Bonds, wie "wichtig" das Rating von S&P auf das Verhalten der Anleger ist. Die Financial Times Deutschland berichtete darüber Mitte April:

Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) erwägt eine Herabstufung der USA. Die Bonitätswächter bestätigten am Montag zwar die Top-Note "AAA" für die Vereinigten Staaten, änderten den Ausblick aber von "stabil" auf "negativ".

Wie man an der Zinsentwicklung sieht, hat sich der von der US-Regierung zu zahlende Kupon seit Anfang April von 4,6 auf 4,3% ermäßigt. Der Grund liegt auf der Hand, ist aber in einem eigenen Artikel zu behandeln. 

Update 22:40: eigene Darstellung der Zinsstrukturen in Microsoft Excel aus Daten des US-Finanzministeriums.


Johann Grabner

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