31. Mai 2011

Marginalie: Freispruch für Kachelmann. Eine Sternstunde der Justiz

Das Interessante an dem Freispruch für Kachelmann ist, daß viele ihn nicht erwartet hatten.

Daß die Beweislage dünn war; daß es an eindeutigen Indizien fehlte und daß insbesondere die Aussagen der Belastungszeugin, die Kachelmann angezeigt hatte, nicht die Ansprüche an eine glaubhafte Zeugenaussage erfüllten - das hatte sich im Verlauf des Prozesses so deutlich gezeigt, daß ein Freispruch eigentlich unausweichlich war.

Aber die Mannheimer Justiz hatte sich derart in den Fall verbissen, daß viele Beobachter sich fragten, ob man das nicht durchziehen würde, bis hin zu einer Verurteilung.

Man hat es nicht getan. Die Mannheimer Richter haben Recht gesprochen. Nach all dem Rummel um die Causa Kachelmann ist das eine Sternstunde der Justiz.



Es ist freilich alles andere als ein Freispruch wegen erwiesener Unschuld. Früher einmal war dies eine eigene formale Kategorie; neben dem "Freispruch zweiter Klasse" wegen Mangels an Beweisen. Das hat man abgeschafft; Freispruch ist heute Freispruch, und wer nicht verurteilt wurde, der hat als unschuldig zu gelten.

Dennoch hat das Gericht in der mündlichen Urteilsbegründung deutlich gemacht, daß es sich um einen Freispruch aus Mangel an Beweisen handelt; um ein in dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten.

In der Tat bleiben Zweifel. Niemand weiß, was sich tatsächlich abgespielt hat, und vermutlich wird es nie jemand außer den beiden Beteiligten sicher wissen. Es ist möglich, daß der betroffenen Frau mit diesem Urteil bitteres Unrecht zugefügt wurde. Es ist möglich, daß jetzt ein Vergewaltiger mehr frei herumläuft.

Aber damit müssen wir leben; damit muß sich unser Rechtsbewußtsein abfinden. Verurteilt werden darf jemand nur dann, wenn seine Schuld hinreichend erwiesen ist; beyond reasonable doubt, wie die Angelsachsen sagen - jenseits eines vernünftigen Zweifels.



Ich habe mich seit der Verhaftung Kachelmanns wiederholt mit dem Fall befaßt; hier sind die Artikel:
  • Verhaftung des Schweizers Jörg Kachelmann. Die Nürnberger hängen keinen, ...; ZR vom 22. 3. 2010

  • "Er macht einen sehr niedergeschlagenen Eindruck, ist aber nicht suizidgefährdet". Der Albtraum des Jörg Kachelmann. Eine Empörung; ZR vom 25. 3. 2010

  • "Vielleicht kommt es nie zu einer Anklage". Seltsames im Fall Jörg Kachelmann; ZR vom 30. 3. 2010

  • Zitat des Tages: "Gegen Jörg Kachelmann besteht kein dringender Tatverdacht mehr"; ZR vom 29. 7. 2010

  • Kurioses, kurz kommentiert: Jetzt sprechen Kachelmanns Frauen. Was ist uns Kachelmann? Über Interesse und Erkenntnis; ZR vom 29. 8. 2010

  • Der Kachelmann-Prozeß ist sehr wahrscheinlich entschieden. Lobendes über Gisela Friedrichsen; ZR vom 20. 9. 2010

  • Bedenkenswertes zum Fall Kachelmann; ZR vom 28. 10. 2010
  • Zettel



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