Dem Inschenör ist nichts zu schwör. Und der Philosoph ist für nichts zu doof, ist man versucht weiter zu kalauern.
Im ZDF läuft zu einer so nächtlichen Stunde, daß man vor allzu vielen Zuschauern einigermaßen sicher ist, immer einmal wieder die Sendung "Das Philosophische Quartett". Sie kann anregend und unterhaltsam sein, wenn Safranski einen guten Tag hat, also überraschende Perspektiven eröffnet, und wenn Sloterdijk einen schlechten Tag hat, sich also mit seinen Platitüden zurückhält. Und wenn - das vor allem - man sich durch intelligente Gäste zu einem Quartett komplettiert.
Was ist Philosophie? Alles. Also gibt es nichts auf diesem weiten Erdenrund, das nicht Gegenstand dieses Quartetts sein könnte. Diesmal war die Ökonomie dran. Für die vorgestrige Sendung, hatte man sich einen wortverspielten Titel einfallen lassen: "Markt der Illusionen. Wie der Kredit seinen Kredit verlor".
Die Redaktion hatte dazu eine Idee, wie sie einst den Reiz römischer Gladiatorenkämpfe ausmachte: Zwei Gegner aufeinander loszulassen, die mit ganz unterschiedlichen Waffen kämpfen.
Bei den Gladiatoren waren das der Secutor, der gepanzert dastand, mit Schild und Schwert, und der Retiarius - ungeschützt, halbnackt, beweglich mit dem Dreizack und einem Fangnetz kämpfend. David gegen Goliath also, der Leichtfüßige gegen den Hopliten.
Der Hoplit, der Secutor, das war in dieser Sendung Rüdiger von Rosen, ein Mann der Praxis, einst Chef der Deutschen Börse, derzeit Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Aktieninstituts, des Verbands der börsennotierten AGs. Ein Praktiker, der aber auch an der Frankfurter Uni lehrt, der auch allerlei über Börsen und Aktien publiziert hat.
Die Rolle des leichtfüßigen Retiarius war einem in der Tat beweglichen Geist zugedacht, einem wahren Tausendsassa: Albrecht Koschorke, der, so erfahren wir es, nicht weniger als sechs Wissenschaften studiert hat (Literaturwissenschaft, Philosophie, Kunstgeschichte, Kommunikationswissenschaft und Ethnologie) und den das ZDF folglich - solch ein Mann läßt sich nicht auf ein Fach reduzieren - als "Geisteswissenschaftler" vorstellte.
Im Vorstellungstext des ZDF wird Koschorke ein "Verknüpfer vieler Wissensbereiche" genannt, der sich mit der Frage befasse, "wie soziale Strukturen, medizinische Menschenbilder, ökonomische Systeme, technische und mediale Erfindungen, Wahrnehmungsmöglichkeiten und Imaginationen miteinander verknüpft seien."
Wow! In Konstanz allerdings hat Koschorke bloß einen germanistischen Lehrstuhl.
Nun, das hätte spannend werden können, wie eben ein Kampf zwischen Secutor und Retiarius. Es war aber nur peinlich. Der Secutor stand da mit seinen schweren Waffen und fuchtelte ein wenig. Der Retiarius tänzelte um ihn herum und schlug mit seinem Dreizack zierliche Figuren in die Luft. Der eine schien so wenig wie der andere daran interessiert zu sein, den Kontrahenten auch nur zu berühren.
Rüdiger von Rosen erklärte, wie es zu der jetzigen Krise gekommen war; er erläuterte, welche kurz- und welche langfristigen Maßnahmen er für erforderlich hielt, um wieder herauszukommen und eine Wiederholung zu verhindern. Koschorke ließ sich über Kultur und Gesellschaft als solche, über Illusionen und über den Kapitalismus vernehmen. Ebenso hätte man eine Diskussion zwischen dem Eisbären Knut und Donald Duck veranstalten können.
Und die beiden Moderatoren? Safranski wirkte noch nilpferdhafter als sonst. Gelegentlich schien es, daß er ein wenig eingenickt war. Sloterdijk hatte mal wieder die Platitüde des Abends gefunden, die er als eine geistige Kostbarkeit in die Runde warf: Am Ende eines Jahrhunderts gehe es eben immer "frivol" zu; ein Tanz auf dem Vulkan. Diesmal habe sich das etwas in den Anfang des folgenden Jahrhunderts hinein verschoben.
Na, dann wissen wir's ja, wie es zu dieser Krise gekommen ist. Spätrokoko, Fin de Siècle, Gier der Manager. Alles klar?
Genug gemeckert. Wo bleibt das Positive? Auf Positives stoßen wir mal wieder, wenn wir das Medium wechseln und den Kontinent. Also in der amerikanischen Publizistik.
Auch dort denkt man über die Implikationen der jetzigen Krise nach. Auch dort tut man das, wenn man so will, interdisziplinär. Wie beispielsweise Charles Krauthammer.
In seiner aktuellen Kolumne in der Washington Post spannt Krauthammer zwar nicht den Bogen zu vergangenen Jahrhunderten und von der Wirtschaft zur Sprache und zur Kultur, aber eine interdisziplinäre Frage wirft auch er auf.
"From Market Economy to Political Economy" lautet der Titel der Kolumne, von der Marktwirtschaft zur Politischen Wirtschaft. Ohne Fragezeichen; obwohl der Text doch eher darauf hinausläuft, ein Fragezeichen zu setzen.
Political Economy würde man im allgemeinen mit "Politische Ökonomie" übersetzen. Aber just das meint Krauthammer nicht. Was er meint, das ist eine von der Politik abhängige Wirtschaft. Als Beispiel dienen ihm die Börsenkurse der vergangen Wochen: Sie waren "volatil", gingen also hektisch auf und ab. Warum? Nicht aufgrund von wirtschaftlichen Daten, sondern aufgrund der jeweils aktuellen politischen Verlautbarungen, Ankündigungen, Entscheidungen.
Die Wirtschaft ist, so Krauthammer, als Folge der Krise extrem abhängig von der Politik geworden.
Damit wird ausgerechnet unter dem Gegner des Lobbyismus Obama das Lobbytum eine nie gekannte Bedeutung erhalten: Es geht nicht mehr darum, sich den einen oder anderen kleinen Vorteil zu verschaffen, sondern die Arbeit der Lobbyisten entscheidet darüber, wen der Staat in welchem Umfang stützt und wen er fallenläßt.
Ebenso könnte die Automobil- Industrie vor einem Umbruch stehen. Gerät sie unter staatliche Kontrolle, dann werden nicht mehr nur ökonomische, sondern auch politische Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Beispielsweise bei der Modellpolitik.
Kurzum, die USA stehen vor einer Weichenstellung, meint Krauthammer: Wird das staatliche Eingreifen in die Wirtschaft eine vorübergehende Situation sein, oder entsteht hier eine - nun, eben eine "Politische Wirtschaft"? Er schreibt:
Im ZDF läuft zu einer so nächtlichen Stunde, daß man vor allzu vielen Zuschauern einigermaßen sicher ist, immer einmal wieder die Sendung "Das Philosophische Quartett". Sie kann anregend und unterhaltsam sein, wenn Safranski einen guten Tag hat, also überraschende Perspektiven eröffnet, und wenn Sloterdijk einen schlechten Tag hat, sich also mit seinen Platitüden zurückhält. Und wenn - das vor allem - man sich durch intelligente Gäste zu einem Quartett komplettiert.
Was ist Philosophie? Alles. Also gibt es nichts auf diesem weiten Erdenrund, das nicht Gegenstand dieses Quartetts sein könnte. Diesmal war die Ökonomie dran. Für die vorgestrige Sendung, hatte man sich einen wortverspielten Titel einfallen lassen: "Markt der Illusionen. Wie der Kredit seinen Kredit verlor".
Die Redaktion hatte dazu eine Idee, wie sie einst den Reiz römischer Gladiatorenkämpfe ausmachte: Zwei Gegner aufeinander loszulassen, die mit ganz unterschiedlichen Waffen kämpfen.
Bei den Gladiatoren waren das der Secutor, der gepanzert dastand, mit Schild und Schwert, und der Retiarius - ungeschützt, halbnackt, beweglich mit dem Dreizack und einem Fangnetz kämpfend. David gegen Goliath also, der Leichtfüßige gegen den Hopliten.
Der Hoplit, der Secutor, das war in dieser Sendung Rüdiger von Rosen, ein Mann der Praxis, einst Chef der Deutschen Börse, derzeit Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Aktieninstituts, des Verbands der börsennotierten AGs. Ein Praktiker, der aber auch an der Frankfurter Uni lehrt, der auch allerlei über Börsen und Aktien publiziert hat.
Die Rolle des leichtfüßigen Retiarius war einem in der Tat beweglichen Geist zugedacht, einem wahren Tausendsassa: Albrecht Koschorke, der, so erfahren wir es, nicht weniger als sechs Wissenschaften studiert hat (Literaturwissenschaft, Philosophie, Kunstgeschichte, Kommunikationswissenschaft und Ethnologie) und den das ZDF folglich - solch ein Mann läßt sich nicht auf ein Fach reduzieren - als "Geisteswissenschaftler" vorstellte.
Im Vorstellungstext des ZDF wird Koschorke ein "Verknüpfer vieler Wissensbereiche" genannt, der sich mit der Frage befasse, "wie soziale Strukturen, medizinische Menschenbilder, ökonomische Systeme, technische und mediale Erfindungen, Wahrnehmungsmöglichkeiten und Imaginationen miteinander verknüpft seien."
Wow! In Konstanz allerdings hat Koschorke bloß einen germanistischen Lehrstuhl.
Nun, das hätte spannend werden können, wie eben ein Kampf zwischen Secutor und Retiarius. Es war aber nur peinlich. Der Secutor stand da mit seinen schweren Waffen und fuchtelte ein wenig. Der Retiarius tänzelte um ihn herum und schlug mit seinem Dreizack zierliche Figuren in die Luft. Der eine schien so wenig wie der andere daran interessiert zu sein, den Kontrahenten auch nur zu berühren.
Rüdiger von Rosen erklärte, wie es zu der jetzigen Krise gekommen war; er erläuterte, welche kurz- und welche langfristigen Maßnahmen er für erforderlich hielt, um wieder herauszukommen und eine Wiederholung zu verhindern. Koschorke ließ sich über Kultur und Gesellschaft als solche, über Illusionen und über den Kapitalismus vernehmen. Ebenso hätte man eine Diskussion zwischen dem Eisbären Knut und Donald Duck veranstalten können.
Und die beiden Moderatoren? Safranski wirkte noch nilpferdhafter als sonst. Gelegentlich schien es, daß er ein wenig eingenickt war. Sloterdijk hatte mal wieder die Platitüde des Abends gefunden, die er als eine geistige Kostbarkeit in die Runde warf: Am Ende eines Jahrhunderts gehe es eben immer "frivol" zu; ein Tanz auf dem Vulkan. Diesmal habe sich das etwas in den Anfang des folgenden Jahrhunderts hinein verschoben.
Na, dann wissen wir's ja, wie es zu dieser Krise gekommen ist. Spätrokoko, Fin de Siècle, Gier der Manager. Alles klar?
Genug gemeckert. Wo bleibt das Positive? Auf Positives stoßen wir mal wieder, wenn wir das Medium wechseln und den Kontinent. Also in der amerikanischen Publizistik.
Auch dort denkt man über die Implikationen der jetzigen Krise nach. Auch dort tut man das, wenn man so will, interdisziplinär. Wie beispielsweise Charles Krauthammer.
In seiner aktuellen Kolumne in der Washington Post spannt Krauthammer zwar nicht den Bogen zu vergangenen Jahrhunderten und von der Wirtschaft zur Sprache und zur Kultur, aber eine interdisziplinäre Frage wirft auch er auf.
"From Market Economy to Political Economy" lautet der Titel der Kolumne, von der Marktwirtschaft zur Politischen Wirtschaft. Ohne Fragezeichen; obwohl der Text doch eher darauf hinausläuft, ein Fragezeichen zu setzen.
Political Economy würde man im allgemeinen mit "Politische Ökonomie" übersetzen. Aber just das meint Krauthammer nicht. Was er meint, das ist eine von der Politik abhängige Wirtschaft. Als Beispiel dienen ihm die Börsenkurse der vergangen Wochen: Sie waren "volatil", gingen also hektisch auf und ab. Warum? Nicht aufgrund von wirtschaftlichen Daten, sondern aufgrund der jeweils aktuellen politischen Verlautbarungen, Ankündigungen, Entscheidungen.
Die Wirtschaft ist, so Krauthammer, als Folge der Krise extrem abhängig von der Politik geworden.
Damit wird ausgerechnet unter dem Gegner des Lobbyismus Obama das Lobbytum eine nie gekannte Bedeutung erhalten: Es geht nicht mehr darum, sich den einen oder anderen kleinen Vorteil zu verschaffen, sondern die Arbeit der Lobbyisten entscheidet darüber, wen der Staat in welchem Umfang stützt und wen er fallenläßt.
Ebenso könnte die Automobil- Industrie vor einem Umbruch stehen. Gerät sie unter staatliche Kontrolle, dann werden nicht mehr nur ökonomische, sondern auch politische Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Beispielsweise bei der Modellpolitik.
Kurzum, die USA stehen vor einer Weichenstellung, meint Krauthammer: Wird das staatliche Eingreifen in die Wirtschaft eine vorübergehende Situation sein, oder entsteht hier eine - nun, eben eine "Politische Wirtschaft"? Er schreibt:
The ruling Democrats have a choice: Rescue this economy to return it to market control. Or use this crisis to seize the commanding heights of the economy for the greater social good. Note: The latter has already been tried. The results are filed under "History, ash heap of."Das, so scheint mir, trifft den Kern der Sache. Wird der Kapitalismus, wie aus allen bisherigen Krisen, so auch aus der jetzigen wieder gestärkt, verbessert, reformiert hervorgehen - oder werden diejenigen, die jetzt ihre Rettungs- Aktionen unternehmen, ihn zu Tode therapieren?
Die regierenden Demokraten stehen vor einer Wahl: Diese Wirtschaft retten, um sie dann wieder der Kontrolle durch den Markt zu übergeben. Oder diese Krise nutzen, um die Feldherren- Hügel der Wirtschaft an sich zu bringen, zum höheren Wohl der Gesellschaft. Man beachte: Das Letzere ist schon versucht worden. Die Ergebnisse sind unter "Geschichte, Müllhaufen der" archiviert.
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