In der Euphorie der Wendezeit 1989 / 1990 herrschte ein großer Zukunftsoptimismus. Der Kanzler Kohl prophezeite am 1. Juli 1990 "blühende Landschaften" in den neuen Bundesländern. Wir seien von Freunden umzingelt, befand der Verteidigungsminister Volker Rühe. Man träumte von einer Verkleinerung, manche gar von einer Abschaffung der Bundeswehr. Man freute sich auf die Friedens- Dividende.
Deutschland lag mit dieser Stimmung nur im allgemeinen Trend. Der Kommunismus galt als erledigt. Neue Gefahren schienen nicht zu drohen. Es war dieser Zeitgeist, der Fukuyamas The End of History 1992 zu einem Bestseller machte, weltweit.
Heute sind wir, with the benefit of hindsight, klüger. Vom Ende der Geschichte ist keine Rede mehr. Stattdessen zeichnen sich neue historische Konfrontationen ab: Die zwischen Freiheit und Islamismus, die zwischen den USA und China.
Ob sie einmal die Intensität der Konfrontation zwischen dem Ostblock und der Freien Welt von den fünfziger Jahren bis zum Ende der achtziger Jahre annehmen werden, weiß niemand. Jedenfalls geht die Geschichte weiter. Nichts Neues unter der Sonne.
Die meisten Hoffnungen der Wendezeit 1989 / 1990 haben sich erledigt. Keine Welt ohne Waffen. Keine Friedens- Dividende. Aber wenigstens das Ende des Kommunismus?
Der Kommunismus, wie ihn Marx sich ausgedacht hatte, war eine Heilslehre, eine säkulare Religion gewesen. An die Macht gekommen, wurde er zu einer praktizierten Heilslehre, gestützt auf ein totalitäres Herrschaftssystem. Zunehmend dann ein totalitäres Herrschaftssystem, das sich zu seiner Aufrechterhaltung einer Heilslehre bediente.
Und schließlich war er nur noch ein totalitäres Herrschaftssystem, in dem die Heilslehre lediglich zur Disziplinierung der Untertanen diente; als der Geßlerhut, den sie zu ehren hatten. Die Heilslehre hatte ihre Strahlkraft verloren. Das Herrschaftssystem aber wurde immer perfekter, basierend auf Einschüchterung der Untertanen, auf der Kontrolle aller Lebensbereiche, auf brutalem Vorgehen gegen jede Opposition.
Ein solches auf Unterdrückung basierendes System verlangt freilich eine ständige Anstrengung der Herrschenden. Anders als in einem Gesellschaftssystem, das die Zustimmung seiner Bürger genießt, ist es nicht aus sich selbst heraus stabil. Der Herrschaftsapparat muß einen großen Teil der gesellschaftlichen Ressourcen dafür einsetzen, das System überhaupt zu erhalten.
Es ist, wie jedes System, dessen Stabilität künstlich aufrechterhaltenen wird, ständig in Gefahr, instabil zu werden. Wie das koloniale Nordamerika 1776, wie das spätfeudale System in Frankreich 1789, und wie eben auch zwei Jahrhunderte später das kommunistische Kolonialreich und bald danach auch das kommunistische Mutterland.
Der Aufstand gegen die kommunistischen Ausbeuter verlief ungleich unblutiger als der gegen die aristokratischen Ausbeuter damals in Frankreich; eine weitgehend friedliche anstatt einer gewaltsamen Revolution. Er schien noch dazu die Gewaltherrschaft gründlicher beseitigt zu haben; die Konterrevolution der Kommunisten blieb aus.
Der Kommunismus war, so schien es damals, am Ende. Kollabiert. An seiner Unmenschlichkeit, seiner Ineffizienz gescheitert; auch seiner Unfähigkeit, sich der dritten technologischen Revolution anzupassen.
Kommunismus, das war halt so'ne Idee gewesen. Und Tschüss. So dachten viele damals, vor gut 15 Jahren.
Ich fürchte, wir haben uns geirrt. Wir haben uns in der Hochstimmung der Wendezeit in Bezug auf den Kommunismus ebenso geirrt, wie wir ganz allgemein mit der Hoffnung auf eine friedliche Welt, auf das Ende der Geschichte, falsch gelegen haben.
Der Kommunismus ist keineswegs am Ende. Die marxistische Heilslehre dürfte erledigt sein; aber die kommunistische Herrschaftsmethode ist es nicht.
Im Gegenteil:
Deutschland lag mit dieser Stimmung nur im allgemeinen Trend. Der Kommunismus galt als erledigt. Neue Gefahren schienen nicht zu drohen. Es war dieser Zeitgeist, der Fukuyamas The End of History 1992 zu einem Bestseller machte, weltweit.
Heute sind wir, with the benefit of hindsight, klüger. Vom Ende der Geschichte ist keine Rede mehr. Stattdessen zeichnen sich neue historische Konfrontationen ab: Die zwischen Freiheit und Islamismus, die zwischen den USA und China.
Ob sie einmal die Intensität der Konfrontation zwischen dem Ostblock und der Freien Welt von den fünfziger Jahren bis zum Ende der achtziger Jahre annehmen werden, weiß niemand. Jedenfalls geht die Geschichte weiter. Nichts Neues unter der Sonne.
Die meisten Hoffnungen der Wendezeit 1989 / 1990 haben sich erledigt. Keine Welt ohne Waffen. Keine Friedens- Dividende. Aber wenigstens das Ende des Kommunismus?
Der Kommunismus, wie ihn Marx sich ausgedacht hatte, war eine Heilslehre, eine säkulare Religion gewesen. An die Macht gekommen, wurde er zu einer praktizierten Heilslehre, gestützt auf ein totalitäres Herrschaftssystem. Zunehmend dann ein totalitäres Herrschaftssystem, das sich zu seiner Aufrechterhaltung einer Heilslehre bediente.
Und schließlich war er nur noch ein totalitäres Herrschaftssystem, in dem die Heilslehre lediglich zur Disziplinierung der Untertanen diente; als der Geßlerhut, den sie zu ehren hatten. Die Heilslehre hatte ihre Strahlkraft verloren. Das Herrschaftssystem aber wurde immer perfekter, basierend auf Einschüchterung der Untertanen, auf der Kontrolle aller Lebensbereiche, auf brutalem Vorgehen gegen jede Opposition.
Ein solches auf Unterdrückung basierendes System verlangt freilich eine ständige Anstrengung der Herrschenden. Anders als in einem Gesellschaftssystem, das die Zustimmung seiner Bürger genießt, ist es nicht aus sich selbst heraus stabil. Der Herrschaftsapparat muß einen großen Teil der gesellschaftlichen Ressourcen dafür einsetzen, das System überhaupt zu erhalten.
Es ist, wie jedes System, dessen Stabilität künstlich aufrechterhaltenen wird, ständig in Gefahr, instabil zu werden. Wie das koloniale Nordamerika 1776, wie das spätfeudale System in Frankreich 1789, und wie eben auch zwei Jahrhunderte später das kommunistische Kolonialreich und bald danach auch das kommunistische Mutterland.
Der Aufstand gegen die kommunistischen Ausbeuter verlief ungleich unblutiger als der gegen die aristokratischen Ausbeuter damals in Frankreich; eine weitgehend friedliche anstatt einer gewaltsamen Revolution. Er schien noch dazu die Gewaltherrschaft gründlicher beseitigt zu haben; die Konterrevolution der Kommunisten blieb aus.
Der Kommunismus war, so schien es damals, am Ende. Kollabiert. An seiner Unmenschlichkeit, seiner Ineffizienz gescheitert; auch seiner Unfähigkeit, sich der dritten technologischen Revolution anzupassen.
Kommunismus, das war halt so'ne Idee gewesen. Und Tschüss. So dachten viele damals, vor gut 15 Jahren.
Ich fürchte, wir haben uns geirrt. Wir haben uns in der Hochstimmung der Wendezeit in Bezug auf den Kommunismus ebenso geirrt, wie wir ganz allgemein mit der Hoffnung auf eine friedliche Welt, auf das Ende der Geschichte, falsch gelegen haben.
Der Kommunismus ist keineswegs am Ende. Die marxistische Heilslehre dürfte erledigt sein; aber die kommunistische Herrschaftsmethode ist es nicht.
Im Gegenteil:
In Lateinamerika entstehen mehr oder weniger kommunistische, jedenfalls dem kommunistischen Cuba freundlich gesonnene und von ihm beeinflußte Systeme. Am weitesten auf diesem Weg fortgeschritten ist Venezuela, wo - weitgehend unbeachtet von den Medien - der Übergang zur Diktatur des Proletariats vorbereitet wird. In Rußland herrscht eine Machtelite, die aus dem Repressionsapparat der Sowjetunion, vor allem dem KGB, hervorgegangen ist. Es gibt keine Hinweise darauf, daß Putin und seine Leute noch an den Marxismus glauben (falls sie das denn jemals getan haben). Aber immer mehr Indizien weisen darauf hin, daß sie die kommunistischen Methoden der Machterhaltung so anwenden, wie sie das in ihrer Zeit im KGB oder anderen Sparten des kommunistischen Unterdrückungsapparats gelernt haben. Das kommunistische Nordkorea dürfte den perfektesten Polizeistaat der Geschichte geschaffen haben. Kein Staat der Welt gibt einen größeren Anteil des BSP für das Militär aus (31 Prozent); jeder vierte Koreaner, schätzt CNN, arbeitet beim Militär. Das kommunistische Vietnam erlebt gegenwärtig so etwas wie einen Frühkapitalismus. Aber die Situation bei den Menschenrechten hat sich keineswegs generell verbessert; im Gegenteil, es gibt neue Felder verstärkter Unterdrückung, wie zum Beispiel das Internet. Und dann ist da China. Ein Land, das sich nach außen glänzend zu verkaufen weiß - man muß sich nur die Sendungen von CCTV 9 anschauen, um sich davon zu überzeugen. Ein Land, das ein Programm für eine Mondlandung vorantreibt, das mehr als achtzig Prozent der weltweit verkauften DVD-Player herstellt, das sich in wenigen Jahrzehnten vom Entwicklungsland zu einer der führenden Industrienationen entwickelt hat.
Und ein Land, das von seiner kommunistischen Partei diktatorisch regiert wird; in dem eine allmächtige Geheimpolizei alle Lebensbereiche mindestens so perfekt kontrolliert, wie das die Stasi in der DDR getan hat. Über ein entsetzliches Beipiel dafür, was in diesem Staat möglich ist, habe ich kürzlich hier und in zwei vorausgehenden Beiträgen berichtet.
Er ist also nicht am Ende, der Kommunismus als totalitäres Herrschaftssystem. Er ist uns nur sozusagen aus dem Blick geraten.
Kein Wunder: Aktuelle Bedrohungen gehen nicht von ihm aus, sondern vom Islamismus. Irans Atombombe, die für die Zukunft droht, löst mehr Besorgnis, mehr weltweite diplomatische Aktivität aus als die koreanische, die schon gezündet wurde.
Möglich, daß das Ende des Kommunismus doch in absehbarer Zeit bevorsteht, auch wenn sich die Hoffnungen auf seinen schnellen Zusammenbruch als falsch erwiesen haben. Entscheidend wird wohl sein, ob es auf Dauer einen blühenden Kapitalismus in einem totalitär regierten Land geben kann.
Aufbauen läßt sich der Kapitalismus in einem totalitären System. Das zeigen China und Vietnam; so wie auch in autoritären Systemen wie dem Chile Pinochets und dem Rußland Putins sich der Kapitalismus prächtig entwickeln konnte und kann.
Aber wird auch ein moderner, dynamischer Kapitalismus auf Dauer mit einem totalitären Herrschaftssystem vereinbar sein? Es gibt Gründe, das zu bezweifeln.
Der heutige und erst recht der zukünftige Kapitalismus kann nicht ohne den freien Fluß von Informationen funktionieren; kein totalitäres System kann aber andererseits Informationsfreiheit zulassen, ohne seinen Untergang herbeizuführen.
Auch die Innovationen, die ein dynamischer Kapitalismus braucht und hervorbringt, sind auf Dauer nur in einer Atmosphäre der Freiheit zu bekommen; nur durch freie wissenschaftliche Forschung, nur durch freie Kritik und Gegenkritik, nur dadurch, daß keine Idee verboten, kein Ansatz von vornherein verworfen wird.
Mit anderen Worten, den Fortschritt, den der freie Westen dank des freiheitlichen Rechtsstaats erreicht hat, aufholen, das kann auch ein autoritätes, sogar ein totalitäres System. Aber selbst Fortschritt schaffen, in den Wissenschaften, der Technologie - das kann kein solches System.
Insofern gibt es langfristig, vielleicht mittelfristig Grund zum Optimismus. Aber vorerst - solange die chinesische, die vietnamesische Wirtschaft nicht innovativ zu sein brauchen, sondern ihre Erfolge dadurch erringen, daß sie bestehende Technologien billiger umsetzen - für die nächsten Jahre also, vielleicht Jahrzehnte ist mit dem Kommunismus weiter zu rechnen.
Kein Wunder: Aktuelle Bedrohungen gehen nicht von ihm aus, sondern vom Islamismus. Irans Atombombe, die für die Zukunft droht, löst mehr Besorgnis, mehr weltweite diplomatische Aktivität aus als die koreanische, die schon gezündet wurde.
Möglich, daß das Ende des Kommunismus doch in absehbarer Zeit bevorsteht, auch wenn sich die Hoffnungen auf seinen schnellen Zusammenbruch als falsch erwiesen haben. Entscheidend wird wohl sein, ob es auf Dauer einen blühenden Kapitalismus in einem totalitär regierten Land geben kann.
Aufbauen läßt sich der Kapitalismus in einem totalitären System. Das zeigen China und Vietnam; so wie auch in autoritären Systemen wie dem Chile Pinochets und dem Rußland Putins sich der Kapitalismus prächtig entwickeln konnte und kann.
Aber wird auch ein moderner, dynamischer Kapitalismus auf Dauer mit einem totalitären Herrschaftssystem vereinbar sein? Es gibt Gründe, das zu bezweifeln.
Der heutige und erst recht der zukünftige Kapitalismus kann nicht ohne den freien Fluß von Informationen funktionieren; kein totalitäres System kann aber andererseits Informationsfreiheit zulassen, ohne seinen Untergang herbeizuführen.
Auch die Innovationen, die ein dynamischer Kapitalismus braucht und hervorbringt, sind auf Dauer nur in einer Atmosphäre der Freiheit zu bekommen; nur durch freie wissenschaftliche Forschung, nur durch freie Kritik und Gegenkritik, nur dadurch, daß keine Idee verboten, kein Ansatz von vornherein verworfen wird.
Mit anderen Worten, den Fortschritt, den der freie Westen dank des freiheitlichen Rechtsstaats erreicht hat, aufholen, das kann auch ein autoritätes, sogar ein totalitäres System. Aber selbst Fortschritt schaffen, in den Wissenschaften, der Technologie - das kann kein solches System.
Insofern gibt es langfristig, vielleicht mittelfristig Grund zum Optimismus. Aber vorerst - solange die chinesische, die vietnamesische Wirtschaft nicht innovativ zu sein brauchen, sondern ihre Erfolge dadurch erringen, daß sie bestehende Technologien billiger umsetzen - für die nächsten Jahre also, vielleicht Jahrzehnte ist mit dem Kommunismus weiter zu rechnen.