23. Januar 2007

Mohnhaupt freilassen? Ja! Klar begnadigen? Nein!

Soll Brigitte Mohnhaupt auf Bewährung entlassen, soll Christian Klar begnadigt werden? Seit dem Ende des RAF- Terrors hat es, soweit ich mich erinnere, keine so heftige öffentliche Diskussion darüber gegeben, wie mit verurteilten deutschen Terroristen zu verfahren ist.

In FAZ.Net läuft dazu eine Umfrage. Die SZ online hat das Thema im Augenblick als Aufmacher. "Recht vor Gnade" hat Heribert Prantl seinen Artikel betitelt.

"Gnade nach Recht" ist - eine kleine Variation dieses Titel- Einfalls - der Kommentar der Zeit überschrieben. Sein Vorspann faßt die linksliberale Position zusammen: "Die frühere RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt wird wahrscheinlich Ende März freigelassen. Das ist richtig so. Bundespräsident Köhler sollte auch ihren Komplizen Christian Klar begnadigen."

"Richtig so", "sollte". Mal wieder purzeln die Antworten aus der linksliberalen Weltanschauung heraus wie die Zigarettenpäckchen aus dem Automaten.



Den Artikel bei "Zeit online" schmückt das selbstgestaltete Emblem der Baader- Meinhof- Bande. Mir scheint das Foto, das ich an den Anfang dieses Beitrags gestellt, habe, etwas aussagekräftiger zu sein.

Es zeigt einen Menschen, der sechs Wochen lang in Todesangst gehalten, "verhört" und beschimpft und dann viehisch ermordet wurde; in der Art einer Hinrichtung.

Die Verbrecher haben ihn sich als Opfer ausgesucht, weil ihr paranoides Weltbild ihnen sagte, daß er, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, sozusagen der heimliche Herrscher Deutschlands sei. Und daß folglich die Regierung - in diesem Weltbild der "Büttel des Kapitals" - gar keine andere Wahl hätte, als ihn freizukaufen; koste es, was es wolle.

Sie haben ihn auf Videos vorgeführt, ihn ermordet, so wie die Nazis, wie die Terroristen der El Kaida ihre Opfer abgeschlachtet haben. Ihre Mitteilung über diesen Mord lautete, sie hätten Schleyers "klägliche und korrupte Existenz beendet". Die Sprache des Unmenschen.



Die Terroristen dachten, daß sie den demokratischen Rechtsstaat in die Knie würden zwingen können. Sie wollten an die Stelle des Streits der Meinungen den unbarmherzigen Kampf setzen, in dem sie - wie die Nazis - zu obsiegen hofften.

Sie wollten in Deutschland erklärtermaßen ein Blutbad anrichten, dem Hunderttausende hätten zum Opfer fallen können. "Rote Armee" war ja kein leeres Wort. Es sollten - ungefähr so, wie das jetzt in Bagdad geschieht - Stadtteile erobert und militärisch gehalten, es sollten die Beamten des Staats durch individuellen Terror ausgeschaltet werden. Das erklärte Ziel war ein Bürgerkrieg in Deutschland.

Dazu sollte die Entführung Schleyers und die Freipressung der einsitzenden Terroristen ein entscheidender Schritt sein. Vom Erfolg des Unternehmens war man überzeugt; "Der Kapitalismus" würde doch nicht seinen obersten Repräsentanten opfern.

Das erwies sich als eine Fehlkalkulation. Helmut Schmidt hat die fürchterliche Entscheidung treffen müssen, der Erpressung nicht nachzugeben und damit das Leben Hanns- Martin Schleyers akut zu gefährden, wahrscheinlich zu opfern.

Er hat sich damit, aus meiner Sicht, großen Verdienst um unseren Staat erworben.

Was aus Deutschland geworden wäre, wenn die Terroristen triumphiert hätten, das kann man ja nicht wissen. Gut möglich daß der deutsche Terrorismus irgendwann so gescheitert wäre wie derjenige der Brigate Rosse und der Action Directe.

Aber die Zahl der Opfer wäre, weil dieser deutsche Terrorismus ungleich mörderischer gewesen ist (so inhuman, wie eben man eben nur als Abbild des Nazismus sein konnte), sehr wahrscheinlich weit höher gewesen, wenn Helmut Schmidt der Erpressung nachgegeben hätte. Wir hatten das Glück, damals diesen Kanzler zu haben.



Was folgt daraus für die jetzt anstehenden Entscheidungen? Sehr wenig. Das ist ja alles Geschichte. Jetzt ist nach Rechtslage zu entscheiden und nach dem, was moralisch und politisch begründbar ist.

Und da nun scheinen mir die Fälle der beiden Terroristen sehr verschieden zu liegen.

Bei Brigitte Mohnhaupt geht es darum, ob eine Lebenslängliche nach der dafür vorgesehenen Frist auf Bewährung entlassen wird.

Soweit ich die Rechtslage verstehe, ist dafür maßgebend die Wahrscheinlichkeit, daß sie wieder straffällig werden wird. Diese Wahrscheinlichkeit ist gering.

Sie zeigt offenbar nach dem, was man heute lesen kann, nicht die geringste Einsicht in ihre Schuld. Aber sie hat anscheinend gesagt, daß sie das unter den heutigen Bedingungen nicht wieder tun würde. Nun ja. Sie kann es ja nicht.

Sie wird vielleicht, wie Knut Folkerts, ihre Verbrechen zu rechtfertigen versuchen. Soll sie. Das ist in einem liberalen Rechtsstaat das gute Recht jedes Verbrechers, der seine Strafe abgesessen hat.

Also, sie sollte meines Erachtens behandelt werden wie jede andere Mörderin: Nach 24 Jahren, so hat es damals das Gericht entschieden, kann sie freigelassen werden.



Für eine Begnadigung spielt die Reue aber eine Rolle, die zentrale.

Auch Klar ist nicht reuig, nicht einsichtig. Heute war ein Interview mit der Witwe eines seiner Opfer zu sehen, der Frau Hans- Martin Schleyers. Er hat sich nicht bei ihr gemeldet, ihr nicht gesagt, daß ihm sein Tat leid tut. (Nur einer von vielen Morden, die er begangen oder mitbegangen hat; nebenbei. Er ist kein Massen-, aber ein Gewohnheitsmörder).

Auch er hat, wie Mohnhaupt, das Recht, so rechtsstaatlich behandelt zu werden wie jeder Mörder.

Aber Gnade? Was soll es denn einen Grund dafür geben, ihn zu begnadigen? Er soll, meines Erachtens, nach den Regeln des Rechtsstaats behandelt werden, den er vernichten wollte.

Nicht schlechter als jeder andere Verbrecher. Aber warum, in aller Welt, gnädiger?