6. Januar 2007

Randbemerkung: Eine spannende Idee der SPD

Ein Frommer, der auch ein Schlitzohr ist, geht zum Pfarrer und fragt: "Darf ich eigentlich beim Beten rauchen?" - "Nein, natürlich nicht, mein Sohn." - "Aber beim Rauchen darf ich doch beten?" - Was der Geistliche bejahen muß, denn wie soll man jemandem irgendwann das Beten verbieten?
An diesen Jokus mußte ich denken, als ich heute gelesen habe, was die SPD sich für den Niedriglohnsektor ausgedacht hat. Aus einer heutigen dpa-Meldung:
Die SPD-Führung hat sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, Geringverdiener künftig von Sozialabgaben zu befreien. Durch Steuergutschriften sollen ihre Netto- Einkünfte spürbar erhöht werden. (...) SPD-Chef Kurt Beck sprach nach den Beratungen von einer "spannenden Idee".
Spannend, nicht wahr! Und ja sooo neu.

So neu, wie unser Frommer seine Frage beim zweiten Anlauf neu formuliert hat. Denn die spannende Idee, auf die die SPD jetzt verfallen ist, ist ja nichts anderes als der Kombilohn, wie ihn zum Beispiel das Ifo- Institut unermüdlich vorschlägt.

Das Kombilohn-Konzept sieht vor, daß der Staat, in der Formulierung des Ifo- Instituts, zu Niedrigeinkommen "im Bedarfsfalle ein zweites staatlichen Einkommen hinzuzahlt, so dass in der Summe ein sozial akzeptables Gesamteinkommen entsteht".

Will das jetzt auch die SPD? I wo. Sie sagt ja nicht: Der Staat soll ein zweites Einkommen hinzuzahlen. Sondern sie sagt: Er soll die Sozialabgaben übernehmen und Steuern gutschreiben.

Rauchen beim Beten - nie! Aber beten beim Rauchen, ja warum nicht?



Für den Kombilohn hatte die SPD immer wenig Begeisterung gezeigt; wenn überhaupt, dann nur in Kombination mit einem Mindestlohn.

Der sich freilich zur ökonomischen Wirkung des Kombilohns ungefähr so verhalten würde, wie das Trinken von drei Tassen Kaffee zur Wirkung eines Schlafmittels. Denn der Sinn des Kombilohns ist es ja gerade, ein Absinken der von den Unternehmen gezahlten Löhne bis auf ein jeweils marktgerechtes Niveau zu ermöglichen.

Nur dann rechnet es sich für Unternehmen, in diesem Bereich der Beschäftigung Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Mindestlohn hätte genau den gegenteiligen Effekt. Man kann den Unternehmen zwar vorschreiben, wieviel sie zahlen müssen, wenn sie jemanden einstellen. Man kann ihnen aber nicht befehlen, jemanden zu diesen Konditionen einzustellen.

Ein Mindestlohn ist also entweder kontraproduktiv - wenn er über dem liegt, was sich für die Unternehmen rechnet. Oder er ist nutzlos - wenn er bei diesem Betrag oder darunter liegt.

Der Kombilohn ermöglicht Niedriglöhne auf einem Niveau, das die Schaffung neuer Arbeitsplätze nach sich zieht. Und dies, ohne daß die Bezieher dieser Löhne in die Armut geraten würden, weil der Staat eben einen Zuschuß zahlt.

Einen Zuschuß, der nicht nur den Empfängern ein anständiges Leben ermöglicht, sondern der zugleich ihr Einkommen so weit über den Sozialhilfesatz hinaus anhebt, daß sich ein Anreiz zur Aufnahme auch niedrig bezahlter Arbeit ergibt.



Mag sein, daß das inzwischen auch der SPD dämmert. Aber statt einfach zu sagen "Wir sehen ein, daß ein Kombilohn ohne Mindestlohn die richtige Lösung ist", gießt man den alten Wein in neue Schläuche.

Warum die Camouflage? Nun, man möchte vielleicht ein wenig verschleiern, daß nicht nur der Neoliberale Hans- Werner Sinn, sondern ja auch - B.L.O.G. hat darauf hingewiesen - der Ur- Neoliberale Milton Friedman Geburtshelferdienste für diese spannende Einsicht der SPD leistete.

Naja, mir soll's recht sein. Ob nun beim Beten rauchen oder beim Rauchen beten - Hauptsache, man darf.