28. Januar 2007

Rückblick: Mohnhaupt freilassen? Ja! Klar begnadigen? Nein!

Bei Christiansen wurde heute Abend über das Thema diskutiert, das morgen auch auf dem Titel des "Spiegel" stehen wird: Haftentlassung für Mohnhaupt und Klar?

In diesem Beitrag habe ich kürzlich zu beschreiben versucht, daß ich als Liberalkonservativer selten zu einer Frage eine fertige Antwort sozusagen aus dem Karteikästchen ziehen kann. Der Liberale und der Konservative in mir müssen meist beraten. Was ich nicht schlecht finde, aber manchmal anstrengend.

Das Ergebnis zu den Fällen Mohnhaupt und Klar habe ich hier aufgeschrieben: Auch Terroristen sollten entlassen werden können, wenn sie - wie Mohnhaupt - die Zeit erreicht haben, die eine Strafaussetzung zur Bewährung erlaubt.

Aber Terroristen sollten nicht begnadigt werden, wie das als Gesuch dem Bundespräsidenten für Klar vorliegt. Jedenfalls dann nicht, wenn nicht zweifelsfrei erkennbar ist, daß sie ihre Verbrechen bereuen, daß sie bereit sind, sich zu bessern.

Bei Klar ist das nicht zu sehen. Er ist nicht einsichtig, er hat sich nicht bei den Angehörigen seiner Opfer entschuldigt. Er hat schon gar nicht versucht, irgend etwas wieder gutzumachen, etwa durch ein lückenloses Geständnis, das klärt, wer aus der RAF welche Morde auf dem Gewissen hat.

Allenfalls hat er lauwarm seine "Schuld" akzeptiert. Kein glaubhafter Wandel; jedenfalls nicht glaubhaft aufgrund dessen, was bisher der Öffentlichkeit zugänglich ist.



In der Diskussion bei Christiansen waren die meisten Diskutanten dieser meiner Meinung.

Niemand verlangte Rache, niemand verlangte eine besonders harte Bestrafung von Terroristen.

Die meisten wollten nur keinen Sonderstatus für Täter akzeptieren, nur weil diese ihre Taten als politisch deklariert hatten.

So weit, so gut (aus meiner Sicht). Man freut sich ja, wenn die meisten einem Recht geben.



Und doch. Ich merkte, wie im Lauf der Diskussion sich der Liberale in meinem Vermittlungsausschuß immer hörbarer zu Wort meldete.

Die Runde war einseitig besetzt. Gerhart Baum war (neben einem Pater) der einzige, der sich für eine Begnadigung Christian Klars einsetzte. Anders als seine Kontrahenten erhielt er kaum Beifall vom Studio- Publikum.

Und nicht genug damit - eine Internet- Befragung ergab auch noch eine Mehrheit von 91 : 9 gegen seine Position. Die Frage freilich, die zu diesem Ergebnis führte, war, wie Gerhart Baum zu Recht anmerkte, schlecht formuliert gewesen: Ob Mohnhaupt und Klar "vorzeitig" entlassen werden sollten, wurde gefragt.

Das ist erstens suggestiv - denn "vorzeitig" hat eine negative Konnotation. Wer wäre schon dafür, daß irgend etwas "vorzeitig" geschieht?

Zweitens berücksichtigte die Frage nicht, daß es im einen Fall um eine reguläre Haftentlassung auf Bewährung nach Erreichen des dafür vom Gericht festgelegten Zeitpunkts geht, im anderen hingegen um einen Gnadenerweis.



Ich teile Baums Standpunkt nicht. Ich kann nicht erkennen, mit welchem Recht er immer wieder auf das Grundgesetz verwiesen hat - so, als ob aus ihm abzuleiten sei, daß Massenmörder vor Ablauf ihrer Strafe begnadigt werden sollten.

Aber er hat doch eine rationale, nachvollziehbare Position bezogen. Er hätte es verdient gehabt, daß seine Meinung in der Besetzung der Runde deutlicher repräsentiert gewesen wäre. Er hätte Sekundanten brauchen können, die z.B. deutlich gemacht hätten, daß gerade dort, wo so viele Emotionen im Spiel sind, ein nüchterner Entscheidungsprozeß stattfinden sollte.




Noch eine Bemerkung zu Diskussionsrunden: Wenn denn Mohnhaupt freigelassen werden sollte, wenn denn Klar begnadigt werden sollte - ich hoffe sehr, daß die Medien die Zurückhaltung aufbringen, sie nicht zu interviewen, sie nicht gar zu Talkshows einzuladen.

Und wenn das doch geschehen sollte, dann hoffe ich, daß jeder andere Eingeladene sich weigert, sich auf eine Diskussion mit Massenmördern einzulassen.

Politiker der NPD werden von den Medien konsequent ignoriert, obwohl sie keine Mörder sind.