20. Januar 2007

Rückblick: Die 68er

Der eigentlich nur als Randbemerkung gedachte Beitrag über die 68er hat zu einer lebhaften Diskussion geführt, die sich jetzt auch als so etwas wie eine Interblog- Diskussion mit Momo in Metalust und Subdiskurse abspielt.

Ich finde diese Diskussion interessant - als Diskussion aus verschiedenen politischen Positionen heraus; vielleicht auch als Diskussion zwischen Generationen.

Auf den letzten Beitrag von Momo - er ist in der Kommentar- Sektion seines oben verlinkten Beitrags "warm und kalt" zu finden - habe ich mit dem Versuch geantwortet, den Kern meiner Argumentation noch einmal herauszuarbeiten. Hier diese Antwort, um Eingangs- und Schlußbemerkungen gekürzt:
Über die 68er müßte man ausführlicher reden, als das in einem Austausch von Kommentaren möglich ist.

Für meine Generation ist es ein Problem der eigenen Jugend und ihrer Irrungen und Wirrungen. Für die nachfolgende Generation ist es, vermute ich, eine Frage der Auseinandersetzung mit ihren Eltern. Also, viel Persönliches ist da involviert.

Aber eigentlich versuche ich mehr, auf Sachverhalte aufmerksam zu machen, Verklärungen ein wenig entgegenzuwirken.

Jetzt und hier will ich nur noch einmal deutlich sagen, wie ich die Militanten und die Mörder dieser Zeit sehe; ja nur eine Minderheit. Aber doch eine weithin bewunderte und nicht ganz so weithin, aber doch erheblich auch unterstützte.

Was die Nazis angeht - die Nazi-Zeit lag damals halt kaum länger zurück als jetzt das Ende der DDR; um die zwanzig Jahre. Die Mentalität war noch da.

Meine These ist, daß beileibe nicht alle, aber doch die "militanten", und ganz und gar die "bewaffneten" Genossen ein hoch ambivalentes Verhältnis zu ihrer Vätergeneration hatten: Sie distanzierten sich von ihr auf eine so übertriebene Art, daß man ihnen das im Grunde nicht abnehmen konnte.

Man muß nicht unbedingt an die Psychoanalyse glauben, um zu sehen, daß dahinter ein Identifikationskonflikt steckte. Plus ça change, plus c'est la même chose. Schleyer, das war der Übervater, dessen man sich bemächtigte und den man tötete.



Sie waren in ihrer Mentalität Nazis, die "Militanten", die "Kämpfer".

Sie dachten und handelten wie die SA der zwanziger Jahre, wenn sie Andersdenkende niederschrien und ihnen das Mikrofon entrissen.

Sie dachten und handelten wie die SS, wenn sie ihre Opfer kaltblütig ermordeten.

Wobei entscheidend das "kaltblütig" ist: Sie mordeten eben nicht aus Mordlust. Wahrscheinlich sogar mit Selbstüberwindung. Weil es "die Sache" nun einmal verlangte.

Dies auf sich zu nehmen und dabei sauber zu bleiben. So ungefähr hatte es Himmler als Auftrag an die SS formuliert. Die RAF- Mörder waren so wenig wie die SS- Mörder "gemeine" Mörder, sondern Mörder aus Pflichtgefühl. Deutsch sein heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun, das war die Mentalität der einen wie der anderen.



Ich habe mich oft gefragt, wie diese RAF- Mörder ihre Taten eigentlich psychisch bewältigt haben. Nach dem Mord an einem hilflosen, gefesselten Gefangenen, der unschuldig war - wie mögen sich die Mörder da gefühlt haben? Wie mag Susanne Albrecht sich gefühlt haben, nachdem sie den Mord an Ponto, den sie als Kind "Onkel" genannt hatte, verschuldet hatte?

Sie werden sich eingeredet haben, daß sie es um der Sache willen tun mußten. So, wie diejenigen SS- Männer, die es als eine schwere Pflicht betrachteten, Juden ermorden zu "müssen".

Wahnhafte, Wahnsinnige die einen wie die anderen. (Natürlich gab es in beiden Gruppierungen auch die Sadisten; Baader hat gegenüber seinen Genossen ausgemalt, wie man Männer an den Hoden aufhängt und welche Foltern man an "Fotzen" vornehmen kann).



Sie schreiben, lieber Momo, vom "Diskreditieren einer ganzen politischen Richtung".

Es war ja - behaupte ich, aus meiner Erfahrung - gar keine irgendwie kohärente Richtung, sondern es war zunächst nur ein einheitliches Lebensgefühl. Das einer rebellierenden, selbstbewußten, Jugend, wie es sie immer gibt. Novarum rerum cupidus.

Die aber auf keine Gegenwehr stieß, wegen des schlechten Gewissens der Elterngeneration.

Das hat sich dann sehr unterschiedlich politisch konkretisiert. Die Kontinuität zur NS- Mentalität sehe ich keineswegs generell, sondern eben nur bei den "Militanten" und "Bewaffneten".



So weit der Hauptteil meiner Erwiderung auf Momo. Er hat noch viele andere Themen angesprochen, auf die ich nicht eingegangen bin. Es ist halt ein komplexes, ein schwieriges, auch ein affektbeladenes Thema.

Aber vielleicht gerade deshalb wert, daß man sich - mit Achtung vor dem Standpunkt des Andersdenkenden - darüber streitet.