28. Januar 2023

Wenn woke nicht woke genug ist. Anmerkungen zu einer Witzfigur.

Es ist wie bei einem blutigen Verkehrsunfall: Man möchte eigentlich nicht hinsehen, man möchte die Bilder nicht im Kopf haben, man will eigentlich nur weiter gehen, und doch sieht man hin, man sieht die Bilder und man bekommt sie nicht mehr als dem Kopf. Genauso geht es mir, wenn ich die neuesten Eskapaden von "Prinz" Harry wahrnehme, der jetzt mit der Veröffentlichung seiner Autobigraphie einen erneuten Tiefpunkt seiner von Tiefpunkten gesäumten Entwicklung zugesetzt hat. 

"Spare" heisst das Machwerk wohl in dem uns ein waschechter englischer Prinz, ein Hochwohlgeboren und Multimillionär erklären möchte, was für ein riesiges Opfer er doch eigentlich ist. Der Kasus alleine macht einen lachen,  aber,  man möchte es kaum glauben, der gute Mann meint das bitter ernst. Er leidet tatsächlich furchtbar darunter, dass er eben nur der kleinere Bruder ist und es eben sein großer Bruder sein soll, der dereinst die Krone erben soll. Er ist eben nur der "Spare", das Ersatzteil, sollte dem großen Bruder etwas zustossen, wobei selbst das bei Licht betrachtet heute nicht mehr aktuell ist, da der große Bruder inzwischen für eigenen Nachwuchs gesorgt hat. 

Man muss sich fragen wie narzisstisch ein Mensch sein muss, um es als schwere Kränkung zu empfinden, dass er eben nur als einfacher, wohltätiger Millionär durchs Leben gehen sollte, und nicht der neue Monarch des englischen Throns werden kann. Und man fragt sich ob dieser Narzissmus schon immer Teil seiner Persönlichkeit war, oder ob dieser sich erst später entwickelt hat. Und da es in diesem Beitrag nicht rein um die Person eines Prinzen gehen soll (dann sollte man das Thema eher den Experten von der Bunten anvertrauen), so meine ich, dass dieser Narzissmus etwas ist, das nicht nur typisch sondern ausgesprochen untrennbar zur heutigen, woken Gesellschaftsschicht gehört.

Doch der Reihe nach: Prinz Harry war gute 30 Jahre lang ein recht unauffälliger Prinz, ein mäßiger Schüler mit der nicht ganz unüblichen Militärkarriere. Entgegen seiner Selbstdarstellung dürfte er eher wenig echte Kampfeinsätze erlebt haben (selbst einen Spare kann die britische Armee nicht ebenso mal verlieren) und bis auf den einen oder anderen Kleinskandal war er vergleichsweise unauffällig und die meisten werden wohl erwartet haben, dass dem auch so bleibt.  Das Ganze änderte sich, als er 2016 mit Meghan Markle zusammenkam, einer eher unterdurchschnittlichen Schauspielerin, deren wichtigstes Talent darin besteht, sich selber als Opfer aller möglichen gesellschaftlichen Strömungen, vorzugsweise Rassismus, zu definieren. Zwei Jahre später wurde aus dem Paar dann auch ein Ehepaar und es schien so, als habe Großbritannien ein zweites Paar Royals, mit dem sich der gemeine Bürger entweder überwerfen oder identifizieren kann. Da die meisten Mitglieder des Königshauses, auch wenn sie oft im Fokus der Öffentlichkeit stehen, ihr Privatleben versuchen geheim zu halten, kann man nur mutmaßen was in den folgenden Jahren geschehen ist, aber 2020 kam es dann zu einem vergleichweise hässlichen Bruch mit dem restlichen Königshaus, der dann 2021 in dem legendären Oprah-Interview seinen ersten, gewaltigen Tiefpunkt erreichte. 

Das Meghan Markle ihre Obession überall und permanent das Opfer von Rassismus zu sein auslebte: Geschenkt. Aber interessant ist die Entwicklung, bzw. eher Degeneration von Prinz Harry. Ich glaube, kaum einer wird jemals einen solch gewaltigen (man entschuldige die folgende Wortwahl, aber da ist einfach keine bessere Vokabel möglich) Schlappschwanz erlebt haben, wie Prinz Harry in diesem und folgenden Interviews. Wenn es die Definition eines Beta-Männchens gibt, dann ist der Artikel vermutlich mit einem Bild von Prinz Harry überschrieben. Man braucht sich nur die Dynamik innerhalb dieses Gespräches anzusehen und fragt sich unwillkürlich ob hier zwei Menschen auf einer Ebene miteinander kommunuizieren, oder ob der Vergleich eines Frauchens und ihres Hündchens nicht passender wäre. Und um seine Erniedrigung perfekt zu machen, wirft Prinz Harry praktisch seine ganze Familie (mit Ausnahme der Königin und das wohl eher aus taktischer Erwägung) unter den Bus. Man hätte an dieser Stelle meinen können, niedriger geht es nicht, doch weit gefehlt, die neueste Selbsterniedrigung findet nun in seiner Autobiographie statt, in der er er unter anderem meint die Welt darüber aufklären zu müssen, mit welchen Salben seiner toten Mutter er Traumata an seinen Genitalien behandelt (und nein, das habe ich mir nicht ausgedacht, sowas kann man sich nicht ausdenken). 

Natürlich kann man immer argumentieren, dass er das Ganze des Geldes wegen macht, aber zum einen dürften Geschichten von seinen intimsten Teilen jetzt nicht unbedingt wirklich die Auflage steigern (mal ehrlich, wirklich ehrlich: Wer um alles in der Welt, will DAS wissen?), zum anderen ist der Mann so oder so reich genug, um nicht derart tief sinken zu müssen. Sollte man meinen. Aber etwas in ihm scheint das Bedürfnis zu haben sich selber zu erniedrigen, eine Selbsthass, der keine Kompromisse kennt und auch keine Befriedrigung erfährt, egal wie niedrig das Niveau sinken mag.

Wie passt das Ganze aber nun zu dem oben erwähnten Narzissmus, was ja auf den ersten Blick völlig widersprüchlich erscheint? Der Fehler liegt darin zu glauben ein Narzisst könne sich nicht selber verachten. Aber dem ist sehr wohl möglich. Und die Antwort heisst schlicht woke.

Rein von außen betrachtet ist die Herkunft von Prinz Harry so ziemlich alles, was woke verhasst ist. Weiß, männlich, reich, mächtig, gebildet, kultiviert und (in diesem Falle tatsächlich) ausgesprochen privilegiert. Meghan Markle wiederum ist von ihrem kompletten Werdegang ein Paradebeispiel für wokes Denken. Und wenn man sich die Dynamik zwischen den beiden ansieht, braucht es keine große Phantasie um zu sehen, wer welchen Standpunkt vom anderen übernommen hat (oder übernehmen musste). Wenn aber eine Person wie Prinz Harry die woke Ideologie vereinnahmt, dann kann sie sich am Ende nur selber ablehnen. Gleichzeitig strebt der woke Ideologe selbst immer und grundsätzlich danach Opfer zu suchen und auch in sich selber möglichst viele Opfertendenzen auszumachen, um innerhalb der sektionalen Ordnung noch möglichst weit oben platziert werden zu können. Und durch das Selbsternennen zum Opfer (durch die Presse, durch seine Familie, durch böse Rassisten) bei gleichzeitiger Betonung dessen, dass man die eigene Herkunft ablehnt, kommt eine eigene Aufwertung zustande, die problemlos als narzisstisch bezeichnet werden kann.  Und dann fügt sich Selbsthass und Narzissmus wie ein Puzzleteil zusammen. Das ist es, was dabei heraus kommt, wenn eine wirklich privilegierte Person die woke Ideologie verinnerlicht. Und in dem Moment ist auch keine noch so große Erniedrigung, sei es durch die eigene Frau aber auch im Zuge einer Autobiographie, ein Problem, so lange sie einen auf der intersektionalen Skala nur nach oben befördert. 

Ist das eine wichtige Erkenntnis? Im Einzelnen sicher nicht, ich denke Prinz Harry ist deutlich mehr Witzfigur als alles andere und die, die ihn nicht auslachen, werden ihn eher bedauern. Aber es zeigt m.E. nach recht deutlich in Überspitzung was die woke Ideologie auf persönlicher Ebene mit dem einzelnen anrichten kann. Und wie sie ihn zurichten kann. Wenn man ein Paradebeispiel dafür sehen möchte wie toxisch die woke Ideologie wirken kann, dann hat sich hier eins gefunden. 

Eine weitere Frage, die sich stellt (ja, jetzt bin ich wirklich bald bei der Bunten), ist, wie das Ganze noch weitergehen soll oder wird. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Prinz Hary wenig anderes übrig bleiben wird, als noch mehr Dreck über das Königshaus zu kübeln, einfach deshalb, weil die Ideologie keine Grenze kennt. Aber da sich das Königshaus immer mehr von ihm abwendet, und nach dem Tod der Queen vermutlich auch niemand mehr da ist, der seine schützende Hand über ihn halten kann, wird der Bruch irgendwann nicht mehr zu kitten sein. Was vermutlich auch Sinn und Zweck der Übung sein dürfte. Und damit wird es zumindest um seinen Adelstitel stiller werden und irgendwann steht er vermutlich auf ähnlichem Niveau wie Prinz Pippi aus Hannover ("Wer war das noch gleich?"). Geld hat er genug, wenn er nicht allzu verschwenderisch damit umgeht. 

Sein großes Risiko besteht darin, hoffentlich nie zu reflektieren, was er eigentlich getan hat. Prinz Harry hätte jede Menge Möglichkeiten gehabt, von einem Philantropen über einen Botschafterposten bis zum internationalen Playboy. Die Krone hätte sich Zeit seines Lebens um ihn gekümmert und er wäre immer der Prinz von England gewesen. Vielleicht nicht unbedingt der König, aber doch respektiert und, bei entsprechendem Verhalten, geachtet und verehrt. Jetzt ist er stattdessen eine internationale Witzfigur, von einer zunehmenden Mehrheit seiner früheren Landsleute verachtet, für immer getrennt von seiner Familie und das Schoßhündchen einer Schauspielerin. Ob es das wert war? 

Der große Gegenwartsphilosoph Donald Trump hat es immer noch am besten beschrieben: Everything woke turns to shit. 

Gilt wohl auch für Prinzen. 

Llarian
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