19. Januar 2023

28. Juni 1971. Vom Universum und seinen Erben



I.

Vor einem guten Monat habe ich an dieser Stelle im Zug meiner Begleitung des ersten Flugs des neuen Mondlandeprogramms der NASA die Tatsache erwähnt, daß es der Zufall will, daß bei den beiden anstehenden Artemis-II und Artemis-III Missionen, bei denen zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert wieder Menschen der Erdtrabanten umrunden und wieder auf ihm landen werden, die Chance, daß jemand mit dem Namen McLane an Bord eines Raumschiffs namens „Orion“ dabei ist – ganz wie auf den Patrouillenflügen am Rand der Unendlichkeit im Jahr 1966 - bei 1:2 liegt. Nun neigt man als in der Wolle gefärbter Skeptiker ja dazu, so etwas für einen netten, aber bedeutungslosen Zufall zu halten, der sich irgendwann einmal ergeben muß. Ein Beispiel solcher Launen des Zufalls rahmt etwa Ausbruch wie Ende des Ersten Weltkriegs ein. Der Doppel-Phaeton der Firma Gräf & Stift, in dem am 28. Juni 1914 (ich komme auf das Datum zurück) der österreichische Thronfolger und Franz Ferdinand und seine Gattin Sophie in Sarajewo den Schüssen des Attentäter Gavrilo Princip zum Opfer fielen, trug das Kennzeichen A111 118. Wenn man das „A“ fortläßt und nur die Zahlen liest, ergibt sich 11-11-18: das Datum, an dem im Wald von Compiegne die Kapitulation des deutschen Heeres unterzeichnet wurde.



Erst bei einer bedenklichen Häufung solcher „Reimereien“ beschleicht einen der leichte Verdacht, die Antwort auf die Frage, die der englische Philosoph Nick Bostrom vor jetzt 20 Jahren im Titel seines mittlerweile notorischen Aufsatzes gestellt hat -„Leben wir in einer Simulation?“ – womöglich doch „Ja“ lautet. („Are You Living in a Computer Simulation?“ Philosophical Quarterly, Bd. 53, Nr. 211, S. 243 bis 255). Der Verdacht – oder besser: die Hypothese – die von unseren Sinnen vermittelte „Wirklichkeit“ könnte nichts als eine Illusion sein, reicht in der Philosophiegeschichte natürlich weiter zurück – zum englischen Philosophen und Geistlichen George Berkeley (als Dr. Johnsons Adlatus James Boswell bei einem Spaziergang erklärte, der Gedankengang des Bischofs von Cloyne sei zwar nicht überzeugend, aber nicht zu widerlegen, versetzte Johnson einem Feldstein am Weg Rand einen derben Tritt und erklärte: „I refute it THUS!“), und bis zu John Locke, der im Jahr 1690 das wohl erste Gedankenexperiment im Sinne Albert Einsteins in die Welt entließ: ein Gehirn, das von Körper getrennt in einer Nährlösung am Leben gehalten würde und dem Sinneseindrücke durch Nervenreizung „eingespielt“ würden, wäre nicht in der Lage, diese von einer empirischen Wirklichkeit zu unterscheiden.

­

Sollte das, was sich uns als „Wirklichkeit“ darbietet, tatsächlich nur eine bei Bedarf erzeugte Simulation sein (der Satz: „die Wirklichkeit ist eine Illusion, die durch den Mangel an Alkohol entsteht“ wird dem amerikanischen Komiker W. C. Fields zugeschrieben), dann darf man davon ausgehen, daß es sich bei solchen „Zufällen“ um etwas anderes handeln könnte: nämlich um „Ostereier,“ Easter Eggs, um Scherze, die sich die Programmierer der Matrix erlaubt haben, um aufmerksamen Subprogrammen, die sich für „Personen“ halten, Fingerzeige auf die „wahre Natur der Dinge“ zu geben – oder zu ihrer Erheiterung beizutragen. So wie in der Fassung des Textprogramms WORD unter dem Betriebssystem Windows 97 – wenn man dort als Standardsprache „amerikanisches Englisch“ einstellte, den Satz „I’d like to kill Bill Gates“ tippte und markierte, schlug das Programm als alternative Formulierung den Satz „I’ll drink to that!“ vor. Um was sonst könnte es sich etwa beim Platypus, dem australischen Schnabeltier, oder beim ebenfalls dort vorkommenden Quokka (*) sonst handeln, als derartige Scherze? Von Eisbergen mit Scancodes einmal ganz abgesehen.



(Eisberg mit Scancode. Platte Realisten wollen uns erzählen, die blauen Streifen würden dadurch entstehen, daß das gefrierende Wasser einen hohen Anteil an gelöster Luft enthält, die während der Erstarrens Bläschen bilden und so den Refraktionsindex ändern. Wahrscheinlicher ist, daß hier von höherer Stelle der Preis einer Trittinschen Eiskugel mitgeteilt wird.)

Und in Sachen „bemannte Raumfahrt“ findet sich in der Tat eine solche bedenkliche Häufung. In einem meiner ersten Beiträge für dieses Netztagebuch habe ich vor neun Jahren, im Juli 2014, einmal aufgezählt, wie die Einschläge der Trümmer des Kometen Shoemaker-Levy 9 30 Jahre zuvor, im Juli 1994, auf dem Jupiter gespenstisch genau die kritischen Etappen des Mondflugs von Apollo 11 mit genau einem Vierteljahrhundert Distanz nachgezeichnet haben. Ich erlaube mir an dieser Stelle, diese Liste zu zitieren:

Die Serie von Einschlägen auf dem Jupiter (dem Planeten, nicht dem Vater der Götter) markiert nämlich, in geradezu unheimlicher Passgenauigkeit, das 25. Jubiläum der ersten bemannten Mondlandung von Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins von 16. bis zum 24. Juli 1969. (Einen detaillierten Zeitplan der Mission finden Sie hier; eine Liste der Kometenimpakte hier.) Das erste Kometenfragment, A, traf den Planeten am 16. Juli 1994, 20:11 Uhr GMT (die Greenwich Mean Time wird bei astronomischen Ereignissen als Eichmaß verwendet); der Start von Apollo 11 von (damals) Cape Kennedy erfolgte am 16. Juli 1969 um 13:32 EST (Eastern Standard Time); um 16:22:13 EST, was 20:22 GMT entspricht, fand der Brennschluß statt, der das Raumschiff auf die Bahn zum Mond brachte. Der Einschlag des Fragments J ereignete sich 47 Minuten „vor" dem Zeitpunkt, zu dem Aldrin und Armstrong die erste Mondlandsimulation in der Mondfähre am 18. Juli, 23:27 EST begannen; die Mondlandung erfolgte am 20. Juli, 20:17:39; der erste Schritt eines Menschen auf der Mondoberfläche (und der berühmte Satz „That`s one small step for man, one giant leap for mankind" - mit dem vergessenen „a" in der ersten Satzhälfte) fand um 02:56:15 am 21. Juli statt; der Einschlag des Fragments R erfolgte umgerechnet um 01:33. Danach wird die „Treffgenauigkeit" frappant: der Start von der Mondoberfläche erfolgte am 21, Juli um 17:54 EST; das Fragment U traf den Jupiter am 21. Juli 1994 um 17:55 EST; die Trennung der Apollokapsel vom Mondlandmodul fand um 00:02 am 22. statt; der Einschlag des Brockens V um 00:02 am 22. 07. 1994. Das oben schon erwähnte letzte Fragment, W, schlug am 22. Juli um 4:05 ein; die Antriebszündung, die Apollo 11 aus der Mondumlaufbahn zurück zur Erde brachte, dauerte am 22. Juli drei Minuten lang von 4:55 bis 4:58. („Billard über drei Banden: Erinnerung an das Ende eines Kometen“, Zettels Raum vom 22. Juli 2014)


Auch die literarische Vorwegnahme des Lecks an der Internationalen Raumstation zum Höhepunkt der Meteoritenschauers der Geminiden in Robert A. Heinleins SF-Roman „The Door Into Summer“ aus dem Jahr 1957 war vor einem Monat an dieser Stelle Thema. („Wenn die Sojus aber nun ein Loch hat...", Zettels Raum vom 18. Dezember 2022)

Die erstaunlichste Parallele dieser Art, die mir bislang untergekommen ist, ist mit dem 28. Juni 1971 verbunden.

II.

Zum Stichwort: „Erbe des Universums.“ Damit verbinden mindestens drei Generationen junger deutscher (zumindest westdeutscher) Science-Fiction-Leser ganz automatisch einen Namen: Perry Rhodan. So nämlich der Untertitel der bislang am längsten erscheinenden Fortsetzungsgeschichte des Genres, das seit der ersten Nummer von 1961 gewissermaßen automatisch für jeden Leser die erste Begegnung mit „richtiger Science Fiction“ darstellte – mit all den Themen, Versatzstücken, und auch sämtlichen Klischees des Genres – mit galaktischen Imperien, Weltraumschlachten, eine um Tausende von Jahre in die Zukunft reichenden nun: Zukunft, Robotern, Zeitreisen und einem Kreis beständig wiederkehrender Helden – allen voran dem späteren Großadministrator des Solaren Imperiums, dem ehemaligen Major der Space Force der USA, Perry Rhodan. Heutige Leser machen sich keine Vorstellung um den Mangel an „geschilderter Zukunft“ im Deutschland des Wirtschaftswunders: weder in „Funk+Fernsehen“ noch auf dem Buchmarkt war das Genre in nennenswerter Menge noch in einigermaßen respektabler Form präsent. Die Taschenbuchreihen der Verlage Goldmann und Heyne, die bis Mitte der 1990er auf dem deutschen Buchmarkt führend waren, begannen erst im Juli 1964 bzw. im Januar 1962; der Heyne-Verlag veröffentlichte nach sechs Einzeltiteln ab dem August 1961 pro Monat einen einschlägigen Titel im Rahmen seiner „allgemeinen Reihe.“

Die Initiatoren der Serie, die Autoren Walter Ernsting (1920-2005), besser bekannt unter seinem Nom de Plume „Clark Darlton“ und Karl Herbert Scheer (1928-1991), hatten keineswegs damit gerechnet, daß ihr Held noch ein Menschenalter später die Galaxien unsicher machen würde. Scheer wie Ernsting gehörten seit Mitte der Fünfziger Jahre zu den Stammautoren des Genres, das sich ein Jahrzehnt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland langsam Bahn brach (zumindest in der Bundesrepublik – in der DDR herrschte de facto ein „literarisches Zukunftsverbot,“ das erst mit dem „Sputnikschock“ im Oktober 1957 ein Ende fand). In den Heftreihen „Terra“ (Moewig Verlag, München, ab 1958) und „Utopia Zukunftsroman“ (Pabel Verlag, Rastatt, ab 1953) und in den vielen hunderten von billig produzierten Leihbüchern kam das deutsche Lesepublikum zum ersten Mal mit den Themen und den Autoren, die das Genre in den USA geprägt hatten, in Berührung. Die drögen und biederen Abschilderungen knarziger Volksgenossen im Ingenieurskittel, wie sie in den Nachdrucken der Romane von Hans Dominik und Rudolf Daumann vorgeherrscht hatte, wichen den Abenteuern in den Tiefen des Alls. (Daß diese Elaborate heimischer Autoren aus der Distanz von 65 Jahren in aller Regel ebenso platt, stillos und unbeholfen lesen, steht auf einem anderen Blatt.)

Was aber fehlte, war eine Heftserie mit einem festen Stamm an Protagonisten, die durchgehend, von Woche zu Woche, ihre Fortsetzung fand. Scheer und Ernsting hatten ihr Konzept vom ersten Aufbruch der Menschheit in die Weiten der Milchstraße zunächst auf 30 Folgen angelegt, in der sicheren Erwartung, daß das Leserinteresse alsbald ermüden würde. Daß sich der Moewig Verlag auf das Risko eines solchen Format einließ, war natürlich den Zeitumständen geschuldet: Scheer lieferte das Manuskript des ersten Titels am 26. März 1961 beim Verlag ab; am 12. April 1961 fand der erste bemannte Weltraumflug von Juri Alexejewitsch Gagarin mit Wostok 1 statt.

Das erste Heft der Serie kam am Freitag, den 8. September 1961, in einer Auflagenhöhe von 30.000 Exemplaren an die westdeutschen Kioske – auf den Tag genau 5 Jahre, bevor am 8. September 1966 auf der anderen Seite des Atlantiks auf dem Fernsehsender NBC die „Enterprise NCC 1701“ unter dem Kommando von James T. Kirk mit der Folge „The Man Trap“ auf dem Sender NBC ihren Erstflug absolvierte. Scheer und Ernsting sahen sich schnell genötigt, ihr vierköpfiges Autorenteam zu erweitern, um keine Lücken entstehen zu lassen. Bis heute hat sich die Serie bruchlos fortgesetzt – am Freitag, den 20. Januar 2023, erscheint die Nummer 3205, „Die Fahrt der AURA,“ aus der Feder von Susan Schwartz. (Bei „Susan Schwartz,“ dem Pseudonym von Uschi Zietsch, die seit 1993 als Autorin für die Serie schreibt, handelte es nach Marianne Sydow um die zweite Frau im Autorenteam. Man sollte sie nicht mit ihrer amerikanischen Namenskollegin, Susan Shwartz, geboren 1949 in Ohio, verwechseln, die fast zeitgleich mit Frau Zietsch ihre ersten SF- und Fantasyromane veröffentlicht hat. Zietschs erster Fantasyroman, "Sternwolke und Eiszauber" erschien im Juli 1986 unter ihrem richtigen Namen im Verlag Bastei; Shwartz' Erstling, "Byzantium's Crown," der erste Teil der Trilogie "The Heirs to Byzantium," im April 1987 bei Popular Library/Questar.)

(In dieser Unsterblichkeit – zumindest nach den Maßstäben der Trivial- und reinen Unterhaltungsliteratur, mit der wir es hier ohne Frage zu tun haben – liegt eine handfeste Ironie: Scheer und Ernsting stellten die Kontinuität ihres Dream Teams sicher, indem sie Perry Rhodan und seinen Mitstreitern am Ende des ersten Handlungsstrangs, in Heft 19, „Der Unsterbliche,“ eine handfeste physische Unsterblichkeit verliehen – zuerst in Gestalt einer „Zelldusche“, die alle 62 Jahre wiederholt werden muß – und deren Termingefährdung in den frühen Jahren ein laufend auftauchendes Spannungsmoment darstellte – und danach durch „Zellgeneratoren“, die den Körper des Aktivatorträgers von Zellgiften freihalten. Im Erzählkosmos der Serie schreiben wir aktuell das Jahr 2072 der NGZ, der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, was dem Jahr 5659 n. Chr. entspricht. In der „realen Welt“ – oder ihrer Simulation – sind dagegen viele der Stammautoren und Leiter der Serie lange vor ihrer Zeit von der irdischen Bühne abgetreten: William Voltz, der 1976 die Leitung des Exposé-Redaktion von Scheer übernommen hatte, starb 1984 mit 47 Jahren an Krebs; sein Nachfolger Robert Feldhoff 2009 ebenfalls mit 47. Klaus Mahn („Kurt Mahr“), der erste Autor, um den das Team erweitert worden war, 1993 mit 59 Jahren, Scheer selbst 1991 mit 63.)

III.



Aber darum geht es hier nicht. Sondern um die interne Chronologie des Serienauftakts, wie sie sich im ersten Heft, „Unternehmen Stardust,“ findet. Die Handlung des Hefts ist zehn Jahre in der Zukunft des Jahres 1961 angesiedelt. (Da die Wirklichkeit – oder ihre Simulation – diesen Termin seit langem hinter sich gelassen hat, gibt es seit 2011 einen „Neudurchgang“ unter dem Titel „Perry Rhodan Neo“, in dem die Stränge der frühen Handlungszyklen in UNSERE nahe Zukunft verlegt und dem Zeitgeist entsprechend modifiziert werden – so findet dort der erste Mondflug unter Major Perry Rhodan, mit dem das Original beginnt, nicht im Jahr 1971 statt, sondern im Jahr 2036, nachdem der Funkkontakt mit der Mondstation Armstrong Base ausgefallen ist. Auch diese Serie gibt es immer noch: am Freitag erscheint das 296. Heft mit dem Titel „Facetten der Revolution.“ Einen ähnlichen „Retcon,“ also die Umpolung des bisherigen Geschehens in einem Science-Fiction-Erzählkosmos, weil es sich die „reale Geschichte“ anders überlegt hat, hat es bislang nur in der französischen Comicserie „Valérian“ gegeben. Im ersten Band aus dem Jahr 1967 reisen Valerian und Véronique – in der deutschen Fassung heißt sie Laureline – einem entwischten Bösewicht aus Galaxity im 28. Jahrhundert in das New York per Zeitreise in das New York des Jahres 1987 nach, das in den Fluten versunken ist, weil Atombomben das Eis des Nordpols zum Schmelzen gebracht haben. Daß schwimmendes Eis den Pegel im Martini nicht steigen läßt, wenn es schmilzt, stört keinen echten 007. Als die „Wirklichkeit“ des Jahres 1987 sich nicht an diese Vorgaben hielt, haben Zeichner Jean-Claude Mézieres und Texter Pierre Christin im 13. Band, „Sur les frontières“ (dt. Titel „Die große Grenze“) eine entsprechende Anpassung dieser Vorgeschichte vorgenommen - die freilich die Zeitlinie von Galaxity aus dem Raum-Zeit-Kontinuum gelöscht hat.



(Illustration von Johnny Bruck aus "Unternehmen Stardust")

„Unternehmen Stardust,“ mit dem der ganze Zauber seinen Anfang nahm, beginnt gleich nach Beginn des Samstag, dem 19. Juli 1971, mit dem Start der ersten bemannten Mondmission vom Raumhafen Nevada Fields mit den vier Astronauten Perry Rhodan, Reginald Bull, Eric Manoli und Clark Flipper. Die Steuerung der Flugabläufe erfolgt automatisch durch die Bodenstation. Noch am selben Tag schwenkt die atomgetriebene Rakete in eine Mondumlaufbahn ein. Die geplante Landstelle befindet in der Nähe des Mondsüdpols im Mondkrater Newcomb. (Ich traue mich gar nicht zu erwähnen, wo die Artemis-III-Mission im Jahr 2025 landen soll und wieviele Raumfahrer sie an Bord haben wird.) Nach dem fünften Umlauf werden die Funksignale durch einen Störsender gestört; Major Rhodan kann gerade noch die Steuerung übernehmen und eine Notlandung auf der Mondrückseite durchführen. Allerdings werden dabei die Landebeine der Rakete beschädigt, so daß das Team vorerst havariert ist.



(Major Rhodan landet die "Stardust" per Handsteuerung)

Am 20. Juli 1971 betritt Perry Rhodan als erster Mensch die Mondoberfläche. (Daß in der sogenannten „Wirklichkeit“ der erste Mensch, Neil Armstrong, am 20. Juli 1969 als erster den Mond betreten hat, nehme ich als weiteres „Easter Egg“ der Matrix. Trekkies, also Fans jenes „anderen“ Aufbruchs, betonen gern, daß in der Folge 19 der „Originalserie“ von Star Trek, „Tomorrow is Yesterday,“ geschrieben von D. C. Fontana und ausgestrahlt am 26. Januar 1967, Lieutenant Uhura auf der Brücke der Enterprise, die es durch ein Zeitloch in die Sixties verschlagen hat, als ersten Hinweis auf dieses temporale Malheur einen Funkspruch auffängt, in dem mitgeteilt wird, daß „die erste Mondlandung am kommenden Mittwoch“ stattfinden wird – ohne allerdings das genaue Jahr zu nennen. Der 20. Juli 1969 fiel auf einen Mittwoch. Der Kleine Chronist merkt an, daß der verheerende Brand der Apollokapsel, die am 21. Februar 1967 zum ersten bemannten Flug des Programms starten sollten, und bei dem die drei Astronauten Gus Grissom, Edward White und Roger Chaffee ums Leben kamen, einen Tag nach der Ausstrahlung von „Tomorrow Is Yesterday“, am 27. Januar 1967 stattfand.)

Die Reparatur des Raumschiffs (das des Jahres 1971, der Stardust), nimmt einige Tage in Anspruch. Nach deren Abschluß fahren Rhodan und sein erster Offizier Reginald Bull mit dem mitgebrachten Mondpanzer am 27. Juli Richtung Mondvorderseite, um über den Sichtkontakt wieder Funkverbindung mit der Erde aufnehmen zu können. Als die blaue Kugel über dem zerklüfteten Horizont austaucht, wird die Funkantenne des Panzers von der Ladung einer Energiewaffe getroffen und zerstört. In Ermangelung anderer Handlungsmöglichkeiten beschließen Rhodan und Bull, sich am nächsten Tag auf die Suche nach der Ursache zu machen. (Da der Mondhorizont wegen der Durchmessers des Trabanten von gut 3500 Kilometern nur etwa 1500 m entfernt liegt, kann sie nicht allzuweit entfernt liegen.)



(Rhodan und Bull entdecken das Raumschiff der Arkoniden)

Und am folgenden Tag, am 28. Juli 1971, entdecken bei beiden Terraner das havarierte Raumschiff der Arkoniden, einer außerirdischen Rasse, die Homo sapiens zum Verwechseln ähnlich sieht (was kein Wunder ist; in späteren Zyklen stellt sich heraus, daß es sich bei der Erde um eine verlorengegangene Kolonie der Arkoniden handelt). Die beiden Vertreter des Arkonidischen Raumreichs, Crest und Thora, sind auf der Spur des „Galaktischen Rätsels“ auf dem Erdtrabanten gestrandet – eine Kette von Prüfungen und Rätseln, die eine unbekannte, aber anscheinend fast allmächtige uralte Wesenheit in allen möglichen Ecken unseres galaktischen Quadranten als interstellare Schnitzeljagd verstreut hat und an deren Ende dem erfolgreichen Spürhund die Belohnung physischer Unsterblichkeit winkt.



(Rhodan und Thora begegnen sich zum ersten Mal)

Rhodan gelingt es, die Arkoniden, die angesichts ihres jahrtausendealten Sternenreiches für die Barbaren von Sol III, die noch nicht einmal Überlichtantrieb entwickelt haben, nur Verachtung übrighaben, dazu zu überreden, vorerst Zwischenstation auf Terra zu machen, um den unmittelbar bevorstehenden Ausbruch eines Atomkriegs zu verhindern und einen Gegenpol zu den verfeindeten Blöcke in Ost und West zu bilden. Im Gegenzug verspricht er ihnen die Nutzung der materiellen und intellektuellen Ressourcen bei der weiteren Suche nach dem nur aus Legenden bekannten künstlichen Planeten „Wanderer.“ Als entscheidend für den Erfolg entpuppen sich die paranormalen Kräfte des „Mutantenkorps“ – Menschen, die infolge der Strahlung der Atombombenabwürfe von 1945 und der später erfolgten oberirdischen Nukleartests ESP-Fähigkeiten wie Telepathie, Telekinese, Teleportation oder Fernhypnose entwickelt haben. Mit dem Start der „Stardust“ mit Crest an Bord (seine Leukämie-Erkrankung war der Auslöser für die Suche nach dem Quell der ewigen Jugend gewesen), beginnt am 29. November 1971 tatsächlich das Zeitalter der „Dritten Macht“ und des Aufbruchs der Menschheit in die Weiten des Alls.

Das Muster dieses Auftakts hat Walter Ernsting bereits vorher vorweggenommen. (Daß Arthur C. Clarke und Stanley Kubrick in „2001: A Space Odyssey” eine Abwandlung derselben „galaktischen Ursprungslegende“ erzählen, hat nichts mit „Plagiat“ zu tun. Wenn es eine „direkte Anregung“ für Clarke gegeben haben sollte, so war es die Erzählung „The Story of Rod Cantrell“ von Murray Leinster (Startling Stories, Januar 1949) – aber das Muster: außerirdisches Rätsel auf dem Mond/dem Mars/am Rand des Sonnensystems, und am Ende der Prüfung die Aufnahme in die kosmische Gemeinschaft findet sich spätestens seit Clifford Simaks erstem Roman „Cosmic Engineers“ von 1939 bis heute immer wieder im Genre, einschließlich Algis Budrys‘ „Rogue Moon“ von 1960, bei dem das Mondlabyrinth keinen Durchstieg auf die nächste Ebene im galaktischen Spiel ermöglicht, sondern nur als tödliche Falle bleibt.

In seinem Roman “Das unsterbliche Universum,“ der 1959 in einem der oben erwähnten Leihbuchverlage, Balowa, erschienen ist, und der in Zusammenarbeit mit Jesco von Puttkamer (1933-2012) entstand, hat Ernsting zwei Jahre vor „PR“ diese Geschichte schon einmal erzählt. Im Waschzetteltext des dicken, auf grob-steif billigem holzhaltigen Papier gedruckten Schmäuchers heißt es zum Inhalt:

Einer der größten Augenblicke in der Geschichte der Menschheit ist nicht mehr fern: Nur noch kurze Zeit wird es währen, bis der erste Mensch die Fesseln der Erdgebundenheit abstreift und seinen Fuß auf den Mond, den uns nächsten Weitenkörper setzt. Wird er dort öde Trostlosigkeit vorfinden, oder wartet seiner dort der unheimliche Mechanismus einer Relaisstation, wie ihn die Besatzung der VON BRAUN - der ersten irdischen Mondrakete - im vorliegenden Roman entdeckt?

Der Schwede Bengt Gorma, der Amerikaner Norris Nichelson, der Deutsche Dr. Hannes Hader und der Litauer Vitas Laudas, das sind die vier Männer, die nach ihrer geglückten Mondlandung erfahren müssen, daß bereits jemand anders vor ihnen da gewesen war. Sie finden den größten und kompliziertesten Mechanismus, den das Sonnensystem jemals gesehen hat, und damit beginnt für sie ein Abenteuer, dem gegenüber der erste irdische Mondflug eine Lappalie gewesen war.

Sie erfahren von der Existenz außerirdischer Lebewesen von unzähligen intelligenten Rassen, die das ganze Universum bevölkern und sich zu einem riesenhaften kosmischen Bund zusammengefunden haben. Sie finden Mittel und Wege, die Regierungszentrale dieses unvorstellbaren Reiches aufzusuchen, und sie lernen Jan Charus kennen - den Mann, den man den „Herrn des Universums" nennt. Mit Staunen vernehmen sie die Geschichte seines unglaublichen Lebens, aber sie beginnen zu ahnen, daß über einem von ihnen ein schicksalschweres Geheimnis liegt. Wer ist Jan Charus in Wirklichkeit? Mit der Aufklärung dieser Frage erfahren die Erdmenschen von dem gigantischen Plan des „Unsterblichen", in dem sie nur Schachfiguren gewesen waren, aber gleichzeitig trifft die Regierung des kosmischen Reiches eine Entscheidung, die das weitere Schicksal der Erde und der Menschheit grundlegend bestimmt.




Eine nette Volte liegt übrgiens darin, daß der erste Band der japanischen Übersetzung von "Perry Rhodan", als Taschenbuchband, der die ersten beiden Heftromane umfaßt und desen Titel 大宇宙を継ぐ者, Daichuu o Tsugumono, mit "Erben des Universums" wiederzugeben ist, am 28. Juni 1971 beim Verlag Hayakawa Shobo erschienen ist.



*Apropos "Quokka": warum fällt mir beim Anblick dieser Spezies stets das berühmteste Mitglied des Rhodanschen Mutantenkorps ein, der Mausbiber Gucky, der sich auf einer der Stationen des galaktischen Schnitzeljagd, beim Zwischenstopp auf dem Planeten Tramp, 6000 Lichtjahre von der Erde entfernt, im Jahr 1985 an Bord des arkonidischen Kugelraumschiffs Stardust II geschlichen hat?



(Verwechslungsgefahr: Quokka)



(Mausbiber Gucky. Illustration aus Heft 999, "Heimkehr", 1980)

IV.

Aber die eigentliche Initialzündung zum Aufbruch in den Kosmos im Perry-Rhodan-Kosmos bleibt natürlich Montag, der 28. Juni 1971, der Tag der ersten Begegnung eines Vertreters der Menschheit und künftigen Erben des „ganzen Ladens“ (die Höhe der fälligen Erbschaftssteuer soll hier unerörtert bleiben) mit den Botschaftern aus der Galaxis.

Was aber hatte die „sogenannte Wirklichkeit“ an diesem Tag aufzubieten? Oben habe ich den Unterschied von einem Tag zwischen der „Star-Trek“-Folge und dem Tod der drei amerikanischen Astronauten erwähnt. Einen Tag nach dem 28. Juni, am Dienstag, dem 29., kam es zu dem bisher einzigen Unfall in der Geschichte der bemannten Raumfahrt, bei dem Raumfahrer tatsächlich außerhalb der irdischen Atmosphäre, also im Weltraum selbst, ums Leben gekommen sind. Die Raumfähre Challenger explodierte im Januar 1986 in 20 Kilometern Höhe; die Raumfähre Columbia zerbrach im Februar 2003 beim Wiedereintritt in die Atmosphäre in 70 km Höhe, weil der Vorderholm eines Tragflügels beim Start durch ein abgebrochenes Hartschaumstück des Haupttanks beschädigt worden war; und Wladimir Komarow, der erste Raumfahrer, der im Lauf eines Flugs ums Leben kam, starb im April 1967, weil sich der Hauptfallschirm der Sojus-Kapsel nicht entfaltete. Aber am 29. Juni 1971 starb die dreiköpfige Besatzung der ersten sowjetischen Raumstation, Saljut 1 - Georgi Dobrolski, Wladislaw Wolkow und Wiktor Pazajew - weil nach dem Abdocken der Sojus nach drei Wochen Aufenthalt auf der Station ein Ventil zwischen der Druckkabine und der Versorgungseinheit geöffnet blieb, so daß es in der Kapsel zu einem vollständigen Druckabfall kam.

Und am 28. Juni 1971 selbst? Nun, an diesem Tag wurde in Pretoria in der Südafrikanischen Republik ein Mann geboren, der tatsächlich dem Posten des Erben des Universums und Steigbügelhalters für den Aufbruch zu anderen Welten so nahe kommt, wie es diese schnöde „sogenannte Wirklichkeit“ zu Anfang des 21 Jahrhunderts mit ihren lästigen Naturgesetzen und Budgetbeschränkungen zuläßt.

Sei Name ist Elon Musk.

(Und der Kleine Pedant merkt an, daß Musk, wie er 2018 in einem längeren Gespräch mit dem amerikanischen Moderator Joe Rogan erklärt hat, ein ausgesprochener Anhänger von Nick Bostroms Simulationstheorie ist: „Wenn Sie davon ausgehen, daß wie Qualität von Spielen beständig verbessert wird, dann ist es unausweichlich, daß irgendwann die Simulation nicht mehr von der Wirklichkeit zu unterscheiden ist --- der wahrscheinlichste Fall dürfte sein, daß wir uns in einer Simulation befinden.“ - Interview vom 6. September 2018)

Und wer mich angesichts all dessen davon überzeugen möchte, daß dies alles nur „reine Zufälle“ sind und nicht Scherze, die sich die Programmierer unserer Matrix erlaubt haben, dem steht ein hartes Stück Arbeit bevor.



U.E.

© U.E. Für Kommentare bitte hier klicken.